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5月 8, 2009

Wer ist das? Was tun sie? – von Ma Lan, Übers. MW

In der Früh mach ich die Tür auf und seh eine lange Schlange von Leuten, immer zwei zusammen, das trifft man selten in unserer Gemeinde Krummhalsmarkt, hier ist das Glücksspiel seit 50 Jahren verboten, Massenbewegungen sind deshalb fast gänzlich verschwunden. Three’s a crowd. Manche halten es gar nicht mehr aus, die spielen dann mit den Augen. Wieviele Male blinzelst du in einer Minute, welche Autos hast du gefahren, war das Kennzeichen eine gerade oder eine ungerade Zahl, darüber kann man zum Beispiel wetten.

Ich liebe es, wenn etwas los ist, so wie ich das Sonnenlicht liebe.
Ich dränge mich in die Menge und frage: “Was ist da los, dürfen wir wieder spielen?”
“Brautschau”, sagt ein alter Mann, “freudiges Ereignis”.
“Wer ist auf Brautschau?”
“Die Bürgermeistertochter sucht einen Bräutigam.”
Auch die Bürgermeistertochter, sie ist doch erst 28.
Ich dreh mich herum und schaue nach vorn und nach hinten, da warten Männlein und Weiblein, zwischen 18 und 70. Bei uns ist zwar das Glücksspiel verboten, aber jetzt haben sie die öffentliche Brautschau eingeführt. Aber ich bin doch ein bisschen irritiert, was soll das heißen? Sicher ein Vorzeichen für Unruhen.
“Kaufst du jetzt Fleisch oder nicht, was rennst du herum?”
“Was? Was ist mit Fleisch kaufen?”
“Weißt du es wirklich nicht, oder tust du nur so? Wenn du frisches Fleisch kaufen willst, stell dich in die Reihe.”
Der Alte scheint sich geirrt zu haben mit seiner Brautschau, jetzt steht er schön da.
Grinsend schlendere ich zum Ende der Schlange und frage leise die Dame vor mir, welches Fleisch hier verkauft werde.
“Was soll das? Ich verkaufe kein Fleisch! Fotzenschädel!”
“Na, warum stehen die Leute hier in der Reihe? Ich weiß es wirklich nicht, ich wollte Sie nicht ärgern.”
“Mein Papa hat mir gesagt, die Gemeinde will günstige Wohnungen vergeben, hier stellt man sich um die Hausnummern an, wer zuerst kommt, kann sich die Nummer aussuchen.”
“Hausnummern? Aber nein, unser Abteilungsleiter hat mich hergeschickt, damit ich Tickets für das Fussballmatch übermorgen gegen Steifhalsmarkt besorge.”
“Dein IQ ist zu niedrig, das ist eine IQ-Erhebung, unsere Gemeinde hat gerade moderne Geräte importiert, mit denen man bei der Blutuntersuchung den IQ bestimmt, die unter 80 wohnen dann im Westbezirk, die über 80 kommen in den Osten, wer 120 erreicht, der wohnt im Norden, dort ist es schön.”
“Hm, ziemlich eingebildet. Es ist eine Blutuntersuchung, aber durch diese Untersuchung wird festgestellt, ob du Asylant bist, man kann auch bestimmen, ob du die Absicht hast, Asylant zu werden. Denn wenn du lügst, ändert sich sofort deine Blutgruppe.”

Jetzt wird mir alles klar. Jeder Mensch hat eine Seele.
Brautschau, Metzgerei, Immobilien, Mannschaftssport, Blutuntersuchung, was kommt der Wahrheit am nächsten? Oder ist es nur die Vorführung eines Zauberers, ein böser Streich, das Reich ist im Frieden, diese Schlangensteher haben schon genug angestellt mit ihren Gerüchten.
Aber ich gebe nicht auf, ich werde herauskriegen, was hier vor sich geht vor meiner Tür. Ich kümmere mich um die aktuelle Politik! Genauso wie um das Wetter.
Ich glaube, diese angesehenen Menschen, mit ihrem glanzvollen Leben, mit ihren Schulterstreifen, diese Menschen vor mir in der Reihe sollten wissen, woher diese Truppe eigentlich kommt?
Woher kommen wir?!

“Das ist ein Geheimnis, du bist nicht befugt”, sagt mir ein Mann mit drei Streifen auf seiner linken Schulter.
“Wenn du dich angestellt hast, wirst du es wissen, die jungen Leute wollen nur ernten, ohne zu säen”, belehrt mich ein älterer Herr.
“Wir treten im Kampf der Partei bei, wirst du mir das glauben?”, sagt mir ein zorniger junger Mann.

Jetzt habe ich verstanden, dass ich die Wahrheit nicht aus der Erfahrung von anderen Menschen erlangen kann, und auch aus keinem Munde erfahren werde, worum es sich dreht. Jeder Mensch hat sein Geheimnis.
Ich muss mich ganz nach vorn drängen, um zu recherchieren. Die Schlange wird immer länger.
Aber das Hauptproblem ist, neben mir ist auf einmal noch jemand, schleicht mir nach, redet mich an, sie ist ich, ich bin zwei, bin ich gespalten?
Ich bin ganz verwirrt und frage sie, wer sie sei?
“Ich bin Amy.”
Amy sagt mir, mein Leben sei eine einzige Niederlage, warum kehre ich noch immer nicht um? Ich müsse mein Leben ändern. Ich brauche eine Revolution.
“Eine Revolution? Wo soll die beginnen?”
“Bei dir selbst, streck deinen Finger ins Feuer und schau, wie er verbrennt.”
Ich muss lächeln und sage, sie habe mich nicht verstanden, ich verbrenne mir nicht die Finger, ich habe Angst vor dem Schmerz. Könne ich vielleicht ein Haus verbrennen? Das Hochhaus da vorne dem Erdboden gleichmachen.
“Du hast aber gar keinen Mut mehr, nicht einmal dich selbst steckst du an.”
“Amy, laufen wir doch um die Wette. Wir setzen über den Fluss, siehst du ihn? Das ist das abgefallene Laub, das sind die Blüten, das ist der Herbst, das ist unser Schicksal.”
“Sperr doch die Augen auf, die Leute sind alle nicht mehr da, niemand stellt sich mehr an, das ist die Täuschung des Lebens, wieviele Trugbilder haben wir vor den Augen?”
“Sie sind doch hier, sind das keine Menschen? Im Herzen willst du sie nicht sehen, deshalb sind sie für dich nicht da.”
Ich müsse das Feuer verstehen, wenn ich das Feuer verstanden habe, werde ich auch die Asche verstehen.
“Amy, kämpf nicht mit mir, wir sollten einander lieben. Ich möchte so gerne mit einem Menschen in Liebe verbunden sein, ist das das unerträgliche Schwere, von dem alle sprechen?”
Sie sei mein, sei mein anderes Ich, sei mein Herz.
“Amy, lass mich dich berühren, kann ich auf dich schießen?”
“Das kannst du, aber wahrscheinlich erschießt du dich zuerst selbst, ich fürchte, ich bin stärker als du.”
“Amy, sag mir, warum stehen sie hier in der Reihe?”
Ich solle mir sagen, es sei nur ein Traum. Wir stehen einander gegenüber, sonst niemandem, nur diesem Hochhaus. Und weiter hinten wimmle der Markt, lauter Menschen, die uns gleichen, die haben es ebenso schwer, denen sei ebenso langweilig, sie seien ganz sicher nicht glücklicher, ob ich verstehe?
“Amy, umarme mich und lege mich flach in die Ebene.”

Amy ist verschwunden. Ich sehe, ich laufe noch immer der Schlange nach, ich habe schon lange die Richtung verloren, ich scheine nur auf der Stelle zu laufen, ich quäle mich in meinem eigenen Kreis.
Ich kann die Wahrheit nicht aufhalten, sie ist die Zukunft.
Ich sage Amy, ich brauche sie, genau wie mich selbst.

2004-11-22

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