Freude ist einfach Freude Freiheit ist hoffentlich Freiheit Freude ist tief wie ein Traum Verschwunden war gottseidank nicht tot Glück ist einfach Glück
At six o’clock we come out on our balconies. Not everyone, some people still work outside, not all are together, but we come out, and clapping starts, right at six in the afternoon, as if we have accomplished something. And there are children, and there is music, someone starts to sing, or play a flute and so on. We wave, and from the balconies we talk to each other. In our building we have prepared songs, lyrics and instruments. Social distancing has brought us together. You go up on the roof, and everything is different, or very much, like the planes, no planes anymore. At six o’clock we come out, we’re all still alive, those you see, I guess we know we’re very fortunate. We even shared a cake with our neighbours, fresh from the oven, set down with gloves in front of the door. Little things. So we play and sing, I am from Austria. It’s in Austrian German, rather sentimental, never would have thought we would be singing it from the balconies. It is anti-fascist, among other things, and along with Blue Danube, it is something you share, we sing other things too. And I guess we will remember, when everything is different again.
MW March 24, 2020
NO TOBOGGANING
It is rather cold outside, freezing point, not much more, colder at night. On the whole it is warmer, this year we didn’t get out the sleigh, no tobogganing – I wonder if there was enough snow now, would we go up there? We go by foot after all, or by bicycle, although we are very careful not to get close to anyone on the roads and on the paths and to avoid the police. So if there was enough snow now, all among the blossoms – no, let’s hope it gets warmer and this whole thing, this horrible spring thing all over the earth is over or at least mostly over by summer.
jeder tag ist ein gedicht wenn du zeit hast im moment haben viele leute viel mehr zeit als sonst, wenn auch nicht unbedingt ruhe. haben sie einen moment? ist eine häufige frage im moment haben viele viele millionen in vielen erdteilen etwas gemeinsam. natürlich ist das auch sonst der fall aber normalerweise sagt niemand von dieser situation betroffene aller länder, lasst uns einander helfen, so gut wir nur können, oder was glaubst du?
every day is a poem if you have time at the moment there are many people who have more time although you still might not have peace and quiet enough. do you have a moment? is an everyday question. at the moment many many millions in many parts of the earth have something in common. actually that was the case long before, but nobody said affected people of all nations, let’s help each other as best as we can or did they? or did we?
vorige woche ist noch einer durchgeturnt so wie wir vorher fast jeden tag durch den motorikpark bevor sie ihn abgesperrt haben ich hab ihn gesehen vielleicht genau vor einer woche am sonntag in der früh heute gibt es wieder virtuellen gottesdienst nehm ich an vielleicht mach ich eh mit wir machen jeden tag ein gedicht im literadio mach mit wenn du willst
MW 22. März 2020
VÖGEL
vögel singen wie früher wieder ein strahlender märztag im vogelleben kommt glaub ich unsere seuche nicht vor vögel haben keine versicherung vogelfrei was hat das bedeutet menschenfrei manche straßen ein paar wochen lang in wien noch nicht wirklich glaub ich menschenfrei wien war judenfrei haben sie verkündet als der himmel frei für die bomben war und vögel singen wie früher und österreich ist frei nicht wahr
MW 23. März 2020
FRÜHLING
In der Früh wenn du noch den Frost spürst und schon die Wärme ist die beste Zeit um das Leben zu spüren.
Das ist der Endpunkt
meines Streifzugs durch Wien
auf der Straße zwischen
Russendenkmal und Schönbrunn
rast eine Rettung laut auf mich zu
mir gibts einen Stich: sicher ein Patient
mit dem neuen Lungenvirus aus China!
Vor einem halbem Monat
hättest du nie gedacht
jeder Schritt nach vorn
heißt es folgt hinten ein kleiner Bösling
dass eklige Worte
die ganze Zeit mitgehen
Vor einem halben Monat
hättest nie wissen können
wenn du weggehst musst du grad weg
wenn die Pest beginnt
Ich muss bei meiner Familie sein
red jetzt ja nicht vom Heimatland
nach dieser Reise
sind mir die positiven Speichellecker
die von selbst gerührt sind noch ärger zuwider
Lungenvirus in Wuhan, Panik in China
In meiner Gruppe auf meinem Schirm
auf meinem Weg zurück in mein Land
hab ich Angst in den Knochen
die nicht unbedingt nötig wär
heut in der Früh
in unserer Wohnungsherberge in Wien
im anderen Zimmer schreit Yi Sha
durch die Verbindungstür:
„Alkohol wirkt gegen das Coronavirus!“
Haha! Ich muss lachen:
„Letztes Mal bei SARS waren Raucher im Vorteil,
dieses Mal überleben die Trinker!“
Jedes Mal bin ich ein Glückskind.
22. Januar 2020
Übersetzt von MW am 23. Januar 2020
Jetzt hab ich gehört
Alkohol hilft gegen
den Wuhan-Lungenvirus
jetzt bin ich so froh
Wenn sonst jemand mich als Trinker bezeichnet
bin ich nicht amüsiert
wenn jetzt jemand sagt ich sei ein Trinker
lach ich mich ins Fäustchen
22. Januar 2020
Übersetzt von MW am 23. Januar 2020
《酒鬼也有好处》
白 立
刚听到有人说
酒精有抵御
武汉肺炎的作用
我一下子就乐了
平日里有人说我是酒鬼
我会不愉快
现在谁说我是酒鬼
我会偷着乐
Bai Li JEDER HAT EINE ERBSÜNDE, GANZ OHNE AUSNAHME
Als wir jung waren, haben wir jeder einen Ochsen geblasen,
das heißt wir haben geprahlt.
Unser größter Ochse, das war:
Wir sind die Staffelträger
des Kommunismus.
Yi Sha
Auf Wiedersehen, Morgenröte in Wien! Auf Wiedersehen, schönste teuerste Stadt des Planeten! Auf Wiedersehen, vielleicht in fünf Jahren, oder früher oder später; hoff nur, wenn ich älter bin, werd ich noch besser.
Yi Sha 伊沙 (founder of NPC in 2011 in Xi’an), Xiang Lianzi 湘莲子, Tu Ya 图雅, Pang Qiongzhen 庞琼珍, Jiang Huhai 江湖海, Bai Li 白立.
When: 10 January, 2020 – 15.00
Where: Institut f. Ostasienwissenschaften/Sinologie, SIN2
Chinese Poetry Online – Verdichtete Wahrnehmung chinesischer Wirklichkeiten im Netz:
Lesung von Gedichten, die sich in poetischer Form mit chinesischer Zeitgeschichte auseinandersetzen,
ergänzt durch eine Einführung zur Situation, in der diese Gedichte im heutigen China geschrieben und verbreitet werden – oder auch nicht.
Einführung und deutsche Übersetzungen: Martin Winter – Dichter und Übersetzer, leitender Redakteur der Literaturzeitschrift Leuchtspur (人民文学).
Moderation: Ao. Univ. Prof. Mag. Dr. Agnes Schick-Chen,
Institut für Ostasienwissenschaften/Sinologie
Campus Altes AKH Hof 2, 1090 Wien
Am 17. Jänner, eine Woche später, veranstalte ich einen Kalligraphie-Workshop. und eine Lesung. Soviesos-Kreativraum und Bibliothek, ab 15 Uhr. Hackergasse 4, 1100 Wien. Mit dem Kalligraphen und Dichter Jiang Huhai 江湖海 (Kanton) und fünf weiteren SchreibkünstlerInnen aus China (die gleichen wie oben). Zu Mittag machen wir Jiaozi in der Gemeinschaftsküche im selben Haus, wer mitmachen und mitessen will, ist auch da schon herzlich willkommen. Eintritt frei, Freie Spende.
Jacqueline,
die Frau von Martin Winter,
kontaktiert mich, sagt Martin
hat auf einmal eine fixe Idee
für einen neuen Gedichtband,
er geht in Wien ins Irrenhaus,
eine Lebenserfahrung.
Ich kontaktiere Martin
und sag ihm:
„Geh auf keinen Fall,
sobald du hingehst
sind alle Patienten geheilt,
alle Ärzte rennen weg,
aber du bist verrückt.“
November 2019
Übersetzt von MW am 1. Dezember 2019
We are living in violent times.
I don’t, I am from Austria,
cops are mostly peaceful,
they can kill a child,
and the media still supports them,
happened a few years ago.
And 70 people died in a lorry.
But all in all, we are very peaceful,
we here in Austria.
A few people are very rich,
most people aren’t.
But social services work,
although not all work how they did
just a few years ago.
And we are not taken over by Putin, Erdogan, Trump etc.,
although they try.
We let them take other people,
as long as it’s elsewhere.
There is a video
of our vice-chancellor,
came out in May.
He said on hidden camera,
they wanted Austria to be like Hungary.
No free press, almost none.
And there are records
of casino people
in cahoots with the government,
making laws.
Nothing special, I guess.
All in all, Austria is peaceful.
Carpe diem, what not.
actually
our best time
was when we were most open
like in 2015
or 1989
but Greta
is not bad at all
she’s more important
we’re more important
than the government
who are we
where do we come from
where are we going
where are we going?
we are the earth
we come from the earth
we’re going with the earth
as long as she lets us
sind wir am besten
wenn wir am offensten sind
so wie 2015
oder 1989
aber greta
ist auch nicht schlecht
sie ist wichtiger
wir sind wichtiger
als die regierung
wer sind wir
woher kommen wir
wohin gehen wir
wohin gehen wir?
wir sind die erde
wir kommen von der erde
wir gehen mit ihr
solang sie uns lässt
sind wir am besten
wenn wir am offensten sind
so wie 2015
oder 1989
aber greta
ist auch nicht schlecht
sie ist wichtiger
wir sind wichtiger
als die regierung
wer sind wir
woher kommen wir
wohin gehen wir
wohin gehen wir?
wir sind die erde
wir kommen von der erde
wir gehen mit ihr
solang sie uns lässt
Gestern war eine Diskussion,
drei Schriftstellerinnen, 10 Jahre Sprachkunst. Politik und Schreiben.
Lehrkörper, Studienkörper.
Lehrkräfte, Lernkräfte. Lenkfahrzeuge.
Heute ist Nationalfeiertag.
2016 war Österreich in Gefahr.
Deutschnationale Rechtsextreme
ganz an der Spitze.
Das hätt uns geblüht.
Der Möchtegern -Präsident von damals
ist vorgekommen, ein bisschen,
in der Diskussion.
Sie haben ihn grade wieder gewählt,
im Parlament,
als dritten Präsidenten des Nationalrats.
2016 hat Van der Bellen gewonnen.
Heimat, das war auch auf seinen Plakaten. Er hat es besser gemacht
als der Deutschnationale.
Es war ziemlich knapp.
Österreich sind wir alle.
Alle die hier wohnen, arbeiten,
spielen, Spielsachen aufräumen.
Schreiben ist Dinge oder auch Leute
beim Namen nennen.
“Könnt sich der Handke für die Republik gegen die blauen Staatsfeinde
so engagieren wie für Milosevic? Österreich ist ein schlechter Witz. ”
Das hab ich 2016 geschrieben.
Österreich war in Gefahr.
Der Innenminister
war ein Gefährder.
Unlängst.
Jeder der das Verbotsgesetz
gefährdet,
gehört ins Gefängnis,
nicht in die Regierung.
Vielleicht wird es besser.
Alles Gute zum Feiertag!
When you ride your bicycle
out of the emperor’s castle
along Heroes Square
towards the Ring
you see it looming above the big gate,
the anti-aircraft tower
behind Museums Quarter
in a section still used by the army.
This concrete tower
stands for reality
behind the Legoland splendour.
They are renovating the Parliament,
so the parliament sessions
are held in barracks right on the square,
temporary units.
The walls are inscribed
with human rights.
It’s a curious mixture,
that square, what it stood for,
in 1938 and before,
what it stands in for now.
We have another parliamentary election
on Sunday.
for thirty years
every single year
spring days waning
cicadas come calling
that one day
people there
come out in the streets
light candles for us
observe our memory
grieve
for us
they do not forget
the only city on earth
2019.6.13
Translated by MW, 6/15/19
“I don’t dare to share this poem in my WeChat groups. Unfortunately, most people in mainland China have no idea at all what happens abroad. They don’t know anything. Least of all that Hong Kong is a very special city with a great heart full of love and freedom. And for us Chinese people, that single one city on earth is slowly disappearing.”
Auf der Großen Mauer
schreiben die Leute.
Manche mit Kreide,
manche ritzen in die Steine.
Die Kreide ist eigentlich der Mörtel,
der Mörtel zwischen den Ziegeln,
der herausfällt.
Jemand schreibt “Mexico”.
Jemand schreibt “Polska”.
Jemand schreibt auf Französisch ein Datum
zum Beweis, dass er gestern hier war.
Manche schreiben ihre Namen, auch gegenseitig
mit Telefonnummern,
so etwas gibt es überall auf der Welt,
junge Leute lieben das.
Und jemand schreibt
Es lebe die Rote Armee,
ich liebe die Rote Armee,
und hoffe auf den Weltfrieden.
MW 8. April 2019, geschrieben auf Chinesisch.
Deutsche Fassung 28. April 2019
Martin Winter THE GREAT WALL AT HUANGHUA CHENG
People write
on the Great Wall.
Some use chalk,
some carve into the stone.
The chalk is actually lime,
mortar between the bricks
that fell out.
Somone writes “Mexico”.
Someone writes “Polska”,
means he’s from Poland.
Someone writes a date in French
and proves he was here yesterday.
Some people write each other’s names,
with telephone numbers.
I saw this in many parts of the world,
teenagers love it.
And someone writes
The Red Army is great,
I love the Red Army,
and hope for world peace.
4/8/19, written in Chinese
English version 4/28/19
민들레 꽃이 활짝 핀 장성에
누군가가 글씨를 쓴다
어떤 사람은 분필로
어떤 이는 돌에다 글을 새긴다.
분필이라고 하지만 실은 돌 사이의 횟가루,
벽돌 사이의 횟가루가,
떨어져 나왔다.
어떤 사람은 “멕시코”라고 쓰고
누군가는 “핀란드”라고 핀란드어로 썼다
어떤 이는 프랑스어로 날짜를 써,
자기가 어제 왔었음을 증명한다.
어떤 사람은 서로 친구의 이름을 쓰고,
전화번호까지 덧붙이었다.
전 세계에 다 있다,
청소년들은 모두 이렇게 하기를 좋아한다.
그리고 어떤 사람은
홍군은 위대하다,
나는 홍군을 사랑한다,
세계 평화를 원한다고 썼다.
vor zwei jahren wars noch ganz anders,
ein paar anwälte wurden verschwunden.
heute sinds hunterttausende, eine million.
nicht nur anwälte, einfache leute,
männer und frauen,
kinder kommen ins waisenhaus.
voriges jahr wurden leute vertrieben,
wanderarbeiter, am winteranfang.
die neuen lager waren auch schon in schwung,
nur noch nicht weltbekannt.
auch heute gibt es so viele nachrichten,
handelskrieg, noch eine ganz hohe mauer,
wer wird regierungschef,
wieviele kinder
stecken in lagern im freien westen,
etwa in texas.
viel, viel mehr als vor zwei jahren.
vor drei jahren war alles ganz anders, wir habens doch geschafft,
wir denens gut geht.
manche stecken in lagern, manche ertrinken.
manche frieren, manche hungern sogar, einfach in europa,
weil politiker sparen.
und seit vielen jahren ist krieg.
vor vielen jahren war vieles anders,
vor zwanzig jahren war krieg in europa.
hunderttausende tote, vertriebene.
konzentrationslager in jugoslawien.
wir habens gut. viele von uns halt.
manchmal ist in einem jahr alles anders.
ja natürlich denk ich
haben brecht und erich fried
ganz natürlich schon so geschrieben
ganz biologisch ganz ohne zutaten
martinigans
ganz ohne supermarktregal
gibt es in deutschland bei rewe
auch ja natürlich
vielleicht auch in der schweiz
was schreib ich denn in österreich
wir haben ja so eine tolle regierung
was schreib ich?
was ist schlimmer als hunger?
was ist schlimmer als krieg?
was ist schlimmer
als verschwinden lassen?
was ist schlimmer
als folter und mord?
was ist schlimmer
als der krieg im jemen?
als der kandidat in brasilien?
heute ist nationalfeiertag
unser präsident ist nicht schlecht
wenigstens
letztes jahr haben wir uns angestellt
um in die hofburg zu kommen
in seine räume
ein kleiner syrer war vor uns
kein kind nicht sehr groß gewachsen
zeigt uns auf seinem handy
briefe die er geschrieben hat
sehr gutes deutsch bisschen
neunzehntes jahrhundert
achtzehn wörter für liebe sagt er
gebe es auf arabisch
wir kommen hinein
es ist alles sehr freundlich
wir sind zu spät für den präsidenten
vielleicht ist er im hof
gulaschkanone und militärmusik
jazz
die kinder klettern auf die großen statuen
es lebe österreich
Dianqiu Gujiu, 1959 in Miluo, Provinz Hunan, geboren. Eisenbahnpolizist in der Provinz Guangdong (Kanton). Publiziert seit 1985. Gehört zur Richtung der Abfalldichter (Laji shipai).
am feiertag denk ich an meine mutter
einmal bei einem streit
heb ich einen hocker
du vieh! schreit die nachbarin-tante
schlägst sogar deine mutter
ich hab den hocker trotzdem geworfen
nur absichtlich bisschen daneben
Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin!
Bitte setzen Sie sich auf Ihrem Staatsbesuch in China für die Dichterin Liu Xia ein. Ich kenne sie seit über 30 Jahren. Ihr verstorbener Ehemann, der Friedensnobelpreisträger Liu Xiaobo, ist letztes Jahr nach langer Haft gestorben. Ich habe in Deutschland eine Biographie über Liu Xiaobo herausgebracht, die erste in einer westlichen Sprache. Liu Xia leidet an schwerer Depression. Das chinesische Außenministerium hat auf Anfrage wiederholt behauptet, Liu Xia sei eine freie Staatsbürgerin und habe auch die Freiheit, das Land zu verlassen. Ich möchte Sie bitten, sich dafür einzusetzen, dass Frau Liu Xia nach Deutschland reisen und behandelt werden kann.
Sehr geehrte Frau Merkel, Liu Xia geht es nicht gut. Sie steht schon jahrelang unter Hausarrest. Am Mittwoch, 23. Mai habe ich sie nach acht Uhr am Abend angerufen. Ihre Stimme war schwach, sie hat immer wieder geschluchzt. Sie lässt Sie grüßen! Liu Xia hat mir gesagt, sie hoffe sehr, möglichst bald ausreisen zu können, und nach Deutschland zu gelangen. Ich glaube ebenso wie Liu Xia, dass in der heutigen Welt vielleicht wirklich nur Deutschland und Sie ihr helfen kann. Liu Xia ist eine sehr unpolitische Künstlerin. Sie wird nur als Dissidentin behandelt, weil ihr verstorbener Ehemann, der Friedensnobelpreisträger Liu Xiaobo, Dissident war. Ich habe erfahren, dass bedeutende Vertreter der deutschen Literaturszene in Berlin bereits für Liu Xia bereits einen Ort gefunden haben, wo sie behandelt werden und sich erholen kann. Die Deutsche Botschaft in China hat auch schon ein Visum für Liu Xia bereit. Aber Liu Xia sagte mir am Telefon, sie habe immer noch keinen Pass, ihr werde kein Pass bewilligt.
Sehr geehrte Frau Merkel, warum wende ich mich jetzt an Sie? Demokratie und Freiheit brechen gerade zusammen, im Westen wie im Osten. Die Diktatur ist wieder im Aufschwung. Aber Sie, Sie sind immer noch eine Wächterin der Demokratie und der Freiheit. Sie waren bereit, diese Werte zu verteidigen, haben sich für Flüchtlinge eingesetzt und haben nicht nur nach unmittelbaren Vorteilen für Ihre Nation, Ihren Staat und seine Wirtschaft gefragt. Gerade weil Sie in der ehemaligen DDR unter einer Einparteienherrschaft aufgewachsen sind, bin ich überzeugt, dass Sie es schaffen, auf höchster Ebene zu erreichen, dass Liu Xia in Deutschland geholfen wird.
Natürlich dient Ihr Staatsbesuch in China in erster Linie dem Fortschritt der Beziehungen mit China in Handel und Wirtschaft. Aber viele Menschen, die sich in Deutschland und in China um Kultur bemühen, setzen gerade auch in der Angelegenheit von Liu Xia eine große Hoffnung in Sie. Ich glaube, in Ihrer Delegation werden Sie auch die richtigen Leute mithaben, die im Detail mit der chinesischen Seite darüber verhandeln können.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
Bei Ling
Autor von „Ausgewiesen“ (Suhrkamp), „Der Freiheit geopfert: Biographie des Friedensnobelpreisträgers Liu Xiaobo“ (Riva Verlag) etc. Vorsitzender des Unabhängigen Chinesischen PEN-Clubs.
Übersetzt von Martin Winter
ich halt eine pomelo in meiner hand
eine goldgelbe große
mit ihrem leicht bitteren duft
ein kleines messer ist schon genug
obwohl die haut recht dick gewirkt hat
ein wortloser schmerz
ich fang an zu zittern
ein leben in dem du keinen schmerz spürst
ein obst das niemand herunter nimmt
wartet nur aufs verfaulen
ich will wirklich gern die pomelo sein
geschnitten werden oder gebissen
besser im schmerz
in ruhe sterben
als im eigenen faulenden körper
die maden wimmeln sehen
einen ganzen winter
mach ich dieselbe sache
schneid eine pomelo nach der anderen auf
und hol mir nahrung aus ihrem tod
13. September 1999
Übersetzt von MW im März 2018
Liu Xia ist Malerin, Dichterin und Fotografin. Sie war mit dem Friedensnobelpreisträger Liu Xiaobo verheiratet. Geb. 1. April 1961 in Peking. Ehepartner: Liu Xiaobo (verh. 1996–2017) Geschwister: Liu Tong, Liu Hui (Wikipedia)
Der offene Brief von der Sprachkunst ist sehr gut. Gestern hab ich ihn gelesen und gedacht, jetzt möcht ich doch etwas schreiben. Vorgestern hab ich mir die Rede das erste Mal herausgesucht, angeschaut, angehört. Sehr, sehr sehr gut. Sehr, sehr wichtig. Selten. Nicht feig, wie er selbst sagt. Das ist in Österreich schon viel.
Er wollte nicht reden, das glaube ich ihm. Weiß nicht, wer das auswählt. Aber wenn er redet, sagt er, macht er es sich nicht einfach. Das glaub ich ihm auch. Österreich hat ein unheilvolles Bedürfnis nach Harmonie. Klingt mir selbst zu pathetisch, wenn ich das sage. Oder ist es auch Kalkül? Es ist vielleicht beides. Sag etwas Positives. Etwas Konstruktives, Aufbauendes. Das hat Köhlmeier dann im Interview auf ORF2 gemacht. Ich glaube schon, dass er glaubt, was er sagt. Er will es tun. Er will Herrn Schrecken beim Wort nehmen. Natürlich, das sollten wir alle, Politiker beim Wort nehmen.
Wenn du es ernst meinst, bin ich bei dir. Sagt Köhlmeier. Ich will dir erst einmal vertrauen, sagt er. Wenn du sagst, die Partei muss sich ändern. Soll ich mir jetzt die Rede von Herrn Schrecken bei diesem Deutschnationalen Ball heraussuchen? Ich mag keine Videos. Ich mag auch keine Podcasts. Youtube ist etwas Tolles, auch etwas Demokratisches, aber ich mag es nicht. Ich mag Musik auf Platten. Kassetten. Filme im Kino. Reden live, ab und zu. Trete gern selber auf. Genommen werden, ausgewählt werden. Wer hat Köhlmeier ausgewählt? Danke! Tausend Dank! Ich könnte nicht sagen, ich vertraue Herrn Schrecken. Ist das eine Schwäche von Köhlmeier, wenn er sagt, dass er vertrauen will? Vielleicht nicht. Es ist nur im Interview. Die Rede war und ist sehr, sehr, sehr wichtig.
Bei Youtube kommt man vom Hundersten ins Tausendste, auch wenn man sagt, Herrn Schrecken hör ich mir sicher nicht freiwillig an. Aber gleich neben der Köhlmeier-Rede ist die von Arik Brauer. Auch schön. Auch sehr persönlich. Wenn er sich erinnert, an das Kriegsende in Wien. Am Flötzersteig. Hinauf zum Steinhof. Schrebergärten, wo sich Arik Brauer versteckt hat. Als sechzehnjähriger Jude. Noch ein Kind, vom Aussehen und von der Stimme. Ein schöner Sopran, sagt er. Sehr, sehr sympathisch. Das ist Österreich. Wien. Diese Sprache. Jüdisch gefärbtes Wienerisch. Selten. Sehr sehr kostbar, unsere Sprache. Es tut weh. Das Erinnern. Es ist sehr schön. Auch dass er gleich sagt, die meisten Leute haben sich nicht befreit gefühlt. Die Frauen. Die Leute in den Trümmern.
Die Demokratie. Ein zartes Pflänzchen. Man passt auf die anderen auf. In Europa. In der EU. Die Ironie, mit der er das sagt, ist auch sehr schön.
Die Einwanderung, sagt er, sei schuld. Am Rechtsruck. Die Einwanderung aus arabischen Ländern, wo so viele Leute die Juden zurück ins Meer werfen wollen. Da fühlt er sich bedroht. Sagt er. Von der Einwanderung. Die Einwanderung sei schuld am Rechtsruck, auch in Polen, Ungarn und so weiter. Das sagt er dann im Interview. Und Ex-Bundespräsident Ernst Fischer sitzt konsterniert dabei. Fischer war Flüchtling, im Zweiten Weltkrieg. Es tut weh. Die Kameras zeigen, wie die Politiker schauen. Das ist sehr gut.
Arik Brauer wird ganz besonders geliebt und bejubelt. Auch von der Regierung. Und Arik Brauer verbeugt sich mehrmals und schüttelt Herrn Schrecken freudig die Hand.
Welche Einwanderung? Es gibt nach wie vor keine Araber in Polen. Oder in Ungarn.
Welche Einwanderung? In Polen gibt es viele ukrainische Gastarbeiter. Stalin hat ja die Ukraine und Polen nach Westen verschoben. Also dort, wo die ukrainischen Gastarbeitern teilweise herkommen, war vorher Polen.
Wandern die Gastarbeiter ein? Manche, wenn sie können. Glaube ich.
Noch einmal, es gibt keine Einwanderung aus arabischen Ländern in Polen, Ungarn, Tschechien, Slowakei. Überhaupt keine. Vielleicht ein paar ganz wenige SyrerInnen, die es doch irgendwie geschaftt haben. Arbeit. Heirat. Wenige. In Polen ganz sicher noch viel weniger als in Ungarn. Geographie.
Warum sagt Arik Brauer so einen Blödsinn?
Soll ich es analysieren? Warum fallen die Leute auf Schrecken herein?
Es ist alles sehr kompliziert. Sagte Sinowatz, sagt Arik Brauer. In der Demokratie, in Europa. Das ist ja das, was so weh tut. Dass er so gut redet. Bis auf den Blödsinn, bis auf den Schrecken.
Jetzt könnte ich aufhören. Warum fällt jemand auf Schrecken herein?
Moslems gibt es mehr als früher. Muslime. In Österreich. Türken. Tschetschenen. Innen. Frauen. Frauen, Männer, Kinder. Viel mehr Muslime als Juden. Dass es beides gibt, Muslime und Juden, in Österreich, ist sehr, sehr wichtig. Musliminnen, Jüdinnen. Identität. Gehört zu uns, seit über hundert Jahren. Seit ewig. Seit immer. Österreich ist Europa.
Unlängst war im Standard ein Kommentar, der an das Arabische im Römischen Reich erinnert hat. Einige Kaiser, aus Syrien und so weiter. Lukian. Etwas bei Lukian. Europa gabs nie ohne Araber.
Harmonie. Hab ich jetzt auch Harmoniebedürfnis?
Moschee und Kasino. Eines meiner besten Gedichte. Chinesisch, ursprünglich. Geschrieben in Malaysia. Handelt auch von Singapur. Da gibt es Fotos. Wie ich Moslem spiele. Sozusagen. Es war sehr schön.
Jetzt hab ich doch sehr viel geschrieben. Kein Gedicht. Einmal. Friede sei mit Euch, mit uns. Amen.
little donald still wants his wall
and someone else to pay for it
if you give it to him
if all you taxpayers give it to him
he won’t deport dreamers
but everyone else
unless maybe
you give him more money
MW January 31, 2018
ÖSTERREICH
grinsende deutsche fahnen
liederbücher mit nazitexten
in der regierung
MW Januar 2018
MOND
wolken ziehen über den mond
ich weiß nicht, wo ich herkomme,
ich weiß nicht, wo ich hinfahre.
wolken ziehen über den mond.
leo freut sich über den mond.
ich freu mich mit.
ich komm von meiner oma, von meinen omas.
unsere kinder kommen von uns.
es ist kalt.
wolken ziehen schnell,
mit ungeduld.
maia freut sich, wenn nainai da ist.
yeye freut sich auch mit den kindern.
laplao und laoye gehts hoffentlich gut.
hoffentlich sehen wir sie bald wieder.
insgesamt ist es ein warmer winter.
heute wählt niederösterreich.
tschechien hat diesen kasperl verlängert.
in österreich hat man entdeckt,
dass deutschnationale burschenschaften
naziliedtexte haben.
der wohnbaustadtrat in wien
wird bürgermeister.
wird er gemeindewohnungen bauen?
hätt es der andere mehr gemacht?
ich freu mich jedesmal über den mond.
MW Januar 2018
FORTSCHRITT
ich hab meinen vater
unnötig beschimpft
jetzt macht es meine tochter mit mir
aber ich schimpf zurück
MW Januar 2018
AM SCHÖNSTEN
am schönsten bist du
ganz in der früh
du schläfst noch und
du musst noch nicht auf
am wochenende vielleicht
in den tagen um weihnachten
wir waren wirklich sehr viele
in scharen sind sie
in die u-bahn gegangen
am parlament
und der heldenplatz
war auch noch voll
stundenlang stehen
am westbahnhof
oder irgendwie ausruhen
bis etwas weitergeht
außer du bist ganz vorn
die mariahilferstraße runter
also die ganze strecke
von westbahnhof bis heldenplatz
war gleichzeitig demo
es war wirklich so schön
wie 2015 anfang oktober
damals hätte noch alles
gut werden können
jetzt haben wir
wenigstens einen präsidenten
der zu flüchtlingen hält
obwohl er lächelnd
nazifreunde anlobt
es war winter
es hat geregnet
am ende war ich schon ziemlich nass
aber die u-bahn war ja nicht weit
und wir waren wirklich sehr viele
One hundred thousand hits in 8 years
in several blogs
is not all that much,
but it’s all poetry.
Yes, there are books
and poems and stuff
in papers and magazines.
New York Review of Books,
NZZ, FAZ.
But nobody knows me
without Chinese poetry
and poetry from Taiwan.
I like it this way,
although over nine years now
I’ve been writing in Europe.
I come from Vienna,
I write about Austria
which also means history
all over Europe and other places.
But I’m a translator,
all kinds of stuff from Chinese,
not just poetry.
And I’ve been a stay-at-home father.
Thank you!
시체를 연구하는 사람이 죽었다
아주 우습게 들린다
생전에 그는 스스로 죽은 사람을 연구한다고 하였다
솔직히 대부분 사람들은 다들 죽은 사람을 연구하고
어쩌다 살아있는 사람들을 유의하는 것이 아주 좋아 보인다
대부분의 시간을 할애하여
오늘 창작을 하는
사람들은
모두 독자와 저자들이다
2015 hat Mugabe einen gewissen Friedenspreis erhalten und ihn nicht angenommen.
2017 ist Mugabe abgetreten.
“Das kommt davon, dass er den Preis abgelehnt hat”,
an einem bestimmten Tag
im November 2017
hat ein gewisser Juror
des erwähnten Friedenspreises
diese Worte gesagt.
kurz schreibt islamische werte
in eine studie
jemand schreibt für kurz
islamische werte
in eine studie
„Respekt, Gelassenheit, Individualität,
Hygiene, zufriedene Kinder, Pünktlichkeit,
Liebe, Wärme und Geborgenheit,
Selbständigkeit, Transparenz bei den Regeln“
hab ich das ungenau zitiert?
am ende stand
“islamische werte”
in einer studie
gegen islamische kindergärten
in wien
oder nicht?
kurz
sie haben gewonnen
you allowed this ape
this strong-reeking filth
worse than any animal
you helped this grinning
creep
this neo-nazi turned
lord of angry losers
free angry losers
free-for-all
all for strong
protection
against
conscience
solidarity
consciousness
of what they do
how they make you screw
the weak
which means you
your own family
some time down the road
always
sooner than you think
don’t think
vote
for the grinning
strong
du wirst es nicht herausfinden
oder es wird nicht bekannt
was passiert wenn du tot bist
oder ich
wir sind nicht wichtig genug
aber auch bei den wichtigen
weiß mans nicht wirklich
MW Oktober 2017
YOU CAN BE SURE
you are not going to find out
or people won’t know
what happens after you die
or I for that matter
we aren’t important enough
but even with those who are
no-one really knows
es ist alles sehr kompliziert
was nicht kompliziert ist
ist dass man die blaunen
viel viel viel zu lange
toleriert und gefördert hat
gesetze als ausländerhetze
ich hab spö gewählt
gegen schlatzblaun
häupl war sehr lange aufrecht
und ist es noch
spö in der opposition
warum nicht
spö mit der neonazi-partei?
lieber schlatzblaun
und ein bisschen nachdenken
und widerstand
was kommt auf österreich zu?
eine koalition
aus csu und pegida
afd wär zu offen
österreich hat seit 30 jahren
eine rechtsextreme partei
im parlament
und will es nicht wahrhaben
immer wieder heißt es
in allen medien
leider wirklich in allen
diese pegida
diese schläger und waffennarren
die möchtegerndeutschen
seien längst in der mitte
niemand sagt rechtsextreme
bankrotteurepartei
nicht einmal die sozialisten
leider auch nicht der präsident
häupl war konsequent
in dieser frage
und wurde deshalb deutlich gewählt
aber was los ist
will kaum jemand sagen
the smiling one
is well protected
she hangs forever
in a brand-new prison
supported by Nippon Television
visited daily
by millions of people
all of them mortal
no-one cares if they smile
except some of them
for a very short while
on the TV-screen I saw a camel,
soft and fuzzy, getting up from the sand.
tall, soft and fuzzy camel
had just been sleeping. the lamplight,
the people disturbed him. they cuddled him
and he went down on his knees again.
my heart became very fuzzy and furry.
just like the camel was not in the TV-set,
like it was real.
of course it was a real camel.
5/31/15
Tr. MW, 2017/7
Han Dong KAMEL IM FERNSEHER
Ich hab ein Kamel im Fernseher gesehen.
Sanft und weich, aufgestanden vom Sand.
Es hat geschlafen, das Licht von den Menschen,
die haben es gestört. Dann haben sie’s gestreichelt
und es hat sich wieder hingekniet.
Mein Herz ist ganz zart und flaumig geworden,
als wär das Kamel nicht nur im Fernseher,
als wär es wirklich.
Natürlich war es ein wirkliches Kamel.
Bernhard Weidinger Der jüngste Text auf unserem STANDARD-Userblog erschien mit Verzögerung. Grund war der von uns ursprünglich gewählte Titel: “FPÖ: verlässlich rechtsextrem”. Unter diesem Titel, wurde uns von STANDARD-Seite mitgeteilt, könne der Text nicht erscheinen, da Leser*innen “der notwendige Kontext fehle, wenn sie nur den Titel lesen”. Außerdem sei es “Usus in Österreich”, die FPÖ […]
der kopftuchminister
der entzweiungsaußen-
und innenminister
der landwirtschaftsinnungsberuhigungsminister
die familienkürzungsministerin
der nimms-bei-den-ärmsten-finanzminister
so ein schönes programm
ideal
für die kurzen-zeitung
und österreich
die türkei ist eine schande
die eu ist eine schande
österreich ist eine schande
wenn jemand der will
dass mehr leute ertrinken
damit mehr leute abgeschreckt werden
wenn so ein junger tüchtiger mann
unbegleitet
nicht wirklich
wenn so jemand schreit
gegen die türkei
dann hilft das nur
dem türkischen
dem russischen
dem ungarischen
dem amerikanischen
parteifürsten
t
Trà Cổ church was built by the sea.
There was a chicken farm on the beach.
It was called Paradise.
Little things from Paradise
strutting along one by one
right into our shots
till we sat in front of chicken soup,
mumbling like
asking forgiveness.
poetry
is impo
rtant
truth
is impo
tent
or is it
or are you
MW February 2017
REPORT
every report
every detailed incisive report
kind that makes powerful people squirm
is just as important
as any art
any poem
any church, temple
that makes you pause
think
feel
every report
in niederösterreich
tritt ein landesfürst
wie hat er sich nur so lange gehalten?
am eigenen zopf
an der eigenen glatze?
ein berlusconi-mann
wird martin schulz
also eu-parlamentspräsident
oder so etwas
sicher recht gut für die eu-skepsis
nigeria bombardiert versehentlich
ein flüchtlingslager
obama begnadigt
chelsea bradley manning
in seinen letzten tagen als präsident
wenigstens etwas
MW Januar 2017
SONDERANGEBOT
wählt van der bellen!
oder doch
fahnder kläffen?
die sonderangebote
sind überzeugend
MW Januar 2017
Liebe Freunde,
Hoffe, es geht Euch gut. Wir vermissen Beijing und China. Maia wird im September 14. Gestern hat sie mein chinesisches Handy genommen und ein Lied immer wieder laut gespielt. Dann bin ich nach Hause gekommen, und wir haben einen Film auf Chinesisch gesehen. Leo war zuerst irritiert, dann hat es ihm auch gefallen. Er ist 11. Hat noch immer Sprechprobleme. Unsere alten DVDs haben Kratzer. Aber nach wie vor ist der Fernseher nicht angeschlossen, nur zum DVD-abspielen. Unsere Wohnung beim neuen Hauptbahnhof ist schön und angenehm. Wir haben auch Freunde im Haus. Aber wir sind eher am Rand. Österreich ist ein reiches, relativ sicheres Land. Aber politisch fühlt es sich ebenso unsicher an wie China. Anders natürlich, weil ich Österreicher bin. Aber nicht besser. Jackie ist Amerikanerin. Sie ist in Wien geboren. Ihre Oma ist aus Niederösterreich. Ausgewandert nach Holland. Interniert in Djakarta. Überlebt, dann Jackies Mutter geboren. Jackies Vater kommt aus Riga. Im Krieg geflüchtet. Später als Soldat zurück nach Europa. Wie gesagt, uns geht es gut. Österreich ist in Gefahr. Ich übersetze und schreibe. Heuer kommen zwei Bücher heraus.
1) Do not read it out or memorize it, do not recite!
2) Only one poem per person!
3) Only one person reading one poem!
4) Do not recite like a professional!
5) No special cell phone status is required while reading poetry.
6) While reading poetry, it is forbidden to kiss, to undress or to munch popcorn.
7) After drinking alcohol, you can read poetry as long as you make out the characters.
8) Besides Chinese Mandarin, please read the characters in any sort of language or dialect!
9) Sexy women with a little bit of perfume are welcome to read!
10) Light music accompaniment is also encouraged.
11) It is strictly forbidden to ask any author to explain any poem in any way!
irgendjemand hat den zettel
mit den öffnungszeiten
der wahlkartenbehörde
runtergenommen
das bezirksamt stellt wahlkarten aus
heute freitag noch
vielleicht bis 2
am sonntag ist wahl
den zettel im lift
tief drinnen im haus
vielleicht wars der wind
wenigstens war er 2 wochen dort
MW Dezember 2016
Ich war bei der Demo gegen Abschiebungen am Samstag, dem 26. November 2016. Mit meinen Kindern. Eine solche Demo war nötig, finde ich. Wäre schon lange nötig gewesen. Hätte besser und breiter unterstützt gehört. Ob der Zeitpunkt des ersten Adventsamstags und die Route durch die Mariahilferstraße falsch waren, weiß ich nicht. Wichtiger wäre gewesen, überhaupt eine große Demo zu machen. Überhaupt ein großes Zeichen zu setzen. Ein Lichtermeer vielleicht. Hauptsächlich gefehlt hat eine breite Unterstützung, das Mitmachen vieler verschiedener Organisationen und Personen, die mit Flüchtlingshilfe zu tun haben. Weiß nicht, wer schuld war oder nicht. Jedenfalls war die Stimmung insgesamt nicht so gut wie bei anderen Demos, größeren und kleineren, bei denen es um Ähnliches ging. Leider. Aber wir, die dabei waren, und jene, die trotz allem versucht haben, eine möglichst große Demo zu machen, hatten recht. Ein Zeichen setzen gegen Abschiebungen bestens integrierter Menschen, die schon gut Deutsch können, in die Schule gehen etc. Gegen Abschiebungen von Menschen, die genau dafür qualifiziert wären, die besten Österreicher zu werden, die sich alle nur wünschen können, die guten Willens sind. Wir hatten recht. Jede und jeder hat recht, der oder die darauf hinweist. Christian Kern sollte es tun. Michael Häupl. Alle, die für Alexander Van der Bellen sind. Also auch Vranitzky, Busek und so weiter. Alle, die guten Willens sind. Dann hätten wir einen Cordon Sanitaire, wie in Frankreich. Am Ende hätten wir dann eine deutliche Mehrheit gegen jene, die diesen Staat und dieses Land bedrohen. Viellicht würden das sogar Niessl, Schüssel und Pröll einsehen. Wenn jemand Asyl verdient und bereits in Österreich integriert ist, warum soll er oder sie nach Kroatien? Was genau geschieht mit den Kindern, Jugendlichen, Frauen und Männern, die abgeschoben worden sind? Warum steht das nicht in Dem Standard? Geschweige denn in anderen aktuellen Medien, abgesehen vielleicht von der Wiener Zeitung? Oder habe ich es nur nicht bemerkt? Steht es vielleicht in der Tiroler Tageszeitung, hört es jemand auf Radio Stephansdom? Jedenfalls glaube ich trotz allem, wir hatten recht, zu demonstrieren. Und viele haben versäumt, mehr gemeinsam zu tun. Ich auch, wahrscheinlich.
strongman, he is not a bird
strongman, he is not a plane
what is strongman all about?
strongman makes it strong for you
strongman, he makes all the shots
strongman, he makes all the drinks
strongman, he makes every sauce
strongman, chairman get along
strongman makes you extra strong
makes you swallow his strongsong
don’t tell me you didn’t know
The cemetery is up on the hill
not far from the madhouse and worse
in the war but a beautiful park.
The cemetery has a beautiful view
on western Vienna, where I grew up
and half of the city.
Cemeteries are beautiful places
cultures of memory. Beautiful stones;
what happens if no-one pays?
Who has a flag, who has an eagle;
which fatherland did he fly and die for
in 1938?
We have two graves, with my mother or father
we visit three. Two years ago my grandmother died,
we were very close.
Who is and who isn’t down in our grave?
The one with our name,
every family has several names;
places and sites, countries and questions.
Up on the hill close to the entrance,
down and secluded not very far.
Vienna has many beautiful hills
and a beautiful river
and many waters and many souls.
Rest in peace. Thank you.
Halloween in Budapest
Do you need to call out the ghosts?
Do you need to call out the ghosts?
In Parliament
Brightly lit along the Danube
Do you need to call out the ghosts?
In Vienna
In Budapest
In many cities
Many, many towns
thousands of towns
thousands of thousands
brightly lit along the Danube
Dohany Synagogue
Greatest in Europe
Status Quo Synagogue
By Otto Wagner
On Rumbach Street
Actually many buildings are left
All over Europe
Yes, there are Jews
In Budapest
Yes, there are people
Do we need to call out the ghosts?
Everyone knows
Along the Danube
Behind the Parliament
Greatest in Europe?
It’s very big
Behind the Parliament
Along the Danube
They lined them up
Several places
Along the Danube
Just a few months
Hungarian Fascists
Finally able
1944
Fall ’44
German troops everywhere
Last few months of the war
Until the first month of ’45
Here in this city
Everyone knows
Hungarian Fascists
Established the ghetto
They passed laws against Jews
In Parliament
In 1920
Basically everyone knows
1944
Hundreds of thousands
in a few months
Around 600,000
Killed in Auschwitz
Along the Danube
Behind the Parliament
Several places
Szabadsag ter
On Freedom Square
There’s a new monument
For the victims
It says
German occupation
Doesn’t say that in German
Doesn’t say that in English
Any other language
For the victims
Only these words
Even in Hebrew
Only the victims
Victims of German occupation
Written in Hungarian
Only in Hungarian
Erected in secret
Protests from the beginning
Pebbles, chairs,
a few wires, photos
pebbles with names
and so on
Everyone knows
Over 300 Million
Hungarian money
Erected in secret
Law passed in Parliament
December 31st, 2013
Protests from the beginning
Szabadsag ter
Liberty Square
Halloween in Budapest
Do you need to call out the ghosts?
There are people enough
In Budapest
In many cities
Many, many cities
Towns and cities
All over Europe
Brightly lit along the Danube
Everyone knows
Actually many buildings are left
All over Europe
Halloween in Budapest
Do we need to call out the ghosts?
Everyone knows
Halloween is for kids
We have kids in Vienna
Kids like to dress up
For Halloween
Let them have fun
Nothing wrong
Halloween
My daughter knows
Austrian Fascists
Ghosts are alive
Zombies are real
Wish it was all
Pumpkins for kids
Halloween in Budapest
Greatest town
Along the Danube
Since Roman times
Basically
Everyone knows
wish I could write a noble poem
a prized noble poem
a swedish prized noble poem
a norwegian prized noble poem
pricey and noble
like norwegian beer
everything becomes pricey and noble
unless global warming
comes fast enough
MW October 2016
last week the brazilian author ricardo domeneck wrote a noble commentary on Facebook that actually sounds a little dylanesque, partly. masters of war, yes. dynamite. 伊沙 has a great little nobel dynamite poem. from 1992. 今年的文学諾貝爾得主有一首 Masters of War,我有一首 “X&Y”, 伊沙翻譯成《一搭一挡》。講尼克松和他的外交部长、大陸前领導和他的首相等等。墙上還有“毛”字,因為伊沙1991年一首小詩。 we had a reading here in vienna on Oct. 15 in our new housing close to the new central train station. we have a library downstairs. run by people from our house, we are there often. open to other houses, gudrun and peter built a stage, and we have theatre. and we had a bob dylan night a few months ago. masters of war is a little like my poem X&Y. x was cruel/ butt is sore/ y was able/ and suave./ both loved culture/ both destroyed/ hundred million/ butts are cold. written march 2007 in beijing. yes, nixon and kissinger, mao and zhou, maybe there is a pair like that in brazil? only six or seven swedes in over 100 years of a great swedish prize for literature is actually not very much, is it? wonder if ricardo brazil/domeneck/africa ever read tomas tranströmer. oh well. pity this busy monster manunkind/ not. progress is a comfortable disease:/ your victim (death and live safely beyond) plays with the bigness of its littleness …[…] pity poor flesh and trees, poor stars and stones, but never this fine specimen …. listen: there’s a hell/ of a good universe next door. let’s go. there must be some way out of here, said the joker to the thief …
yes, the music of jimi hendrix. dylan is honored as tip of the iceberg, should be chuck berry and many others at the same time. preferably african brazilian women. yes, manunkind maybe doesn’t always deserve something poor ricardo doesn’t always get, maybe. pity. oh yes.
I see your true colours
shining through.
I see your true colours
and that’s why I hate you!
So do be afraid…
Show your colours
says the candidate
the right-wing candidate.
Is it Trump?
Is it Le Pen?
Is it Erdogan?
Putin?
Orban?
Maybe someone in Britain?
Show your true colours!
If this person wins
Austria is the ugliest place
in the Murky Way.
MW September 2016
FLAGGE ZEIGEN
flagge zeigen
steht auf dem plakat
des deutschnationalen
für die 3. wahl
für den zweiten termin
der 3. wahl
seit april
zum präsidenten von österreich
flagge zeigen
sagt der deutschnationale
der mit den nazis in der partei
welche flagge
will er denn zeigen
die der republik österreich?
im ernst, welche flagge?
Martin Winter, born 1966. Poet, translator. Studied in Vienna, Taipei etc. Worked in China etc. Writes in English, Chinese, German
Martin Winter, Dichter und Übersetzer. Studierte Germanistik und Sinologie, verbrachte 15 Jahre in China und Taiwan. Schreibt Gedichte auf Deutsch, Englisch, Chinesisch.
Mit einer Grafik der chinesischen Künstlerin Wang Qi 王琦画
Format: 14 x 20,4 cm
Seiten: 332
Fertigung: 1 s/w-Abbildung, Broschur
Preis/€: 15,00