An beiden Seiten der Strasse
sind Platanen gepflanzt.
Als ich klein war,
sind Drachentänzer zum Laternenfest
und verurteilte Todeskandidaten im offenen Lastwagen
durch diese Straße gekommen.
Nachher hat niemand mehr Drachen getanzt.
Und vor der Hinrichtung wird man nicht mehr vorgeführt.
Die Platanen sind noch da,
alle paar Jahre
schneiden sie ihnen
im Winter den Kopf ab.
Voriges Jahr im Dezember
waren sie grad wieder dran gewesen.
Heute fahr ich dort entlang,
die Platanen sind nur noch Stangen,
stehen stramm im kalten Frühlingswind.
Hinter ihnen die Häuser an der Straße,
manche sind abgerissen,
manche warten darauf.
On the seventh day
she spread ash from wood and grass
at the gate
to see if father would leave a trace.
At one in the morning,
there really was a trace in the ash,
it was jumbled
imprints of hoofs.
She had never thought,
her father would come back as a horse.
She stood there alone,
hugging his portrait, and cried.
Under the pale moonlight,
everyone heard
“clip-clop, clip-clop”,
Old Horse running back and forth
out in the yard.
Shanghai, February 10, 2023
Translated by MW in August 2023
Tao Yuanming (365-427) ÜBERQUALIFIZIERT (Schlusszeilen)
Die Himmel weit,
die Menschen breit,
mal hell, mal nicht,
wer hat die Sicht?
Bin gern arm zufrieden
statt müd und gekränkt.
Mit Wagen und Hut nicht anerkannt,
ist schlechtes Gewand eine Schand?
Ich scheitere lieber,
zieh mich gern zurück,
bleib fern von der Welt,
der Preis wär zu groß.
Ci Yu, Juehuan und ich starren auf Regale voll Reispapier.
Herr Wu, der Chef, erzählt, was ihm vor zehn Jahren
der Papiermeister vom Kreis Jing gesagt hat.
Das Xuan-Papier soll man auf keinen Fall
in Folien packen, damit es weiß bleibt.
Es soll offen liegen und von selber vergilben.
Juehuan nickt. Er erinnert sich
an Tuschestäbe aus Huizhou, die er hastig bestellt hat, für den Kalligraphieverein.
Im nächsten Jahr bei der Veranstaltung wollten sie die Stäbe verteilen, aber jeder Stab war in Stücke zebrochen.
Die Tuschehersteller hatten ihnen darauf gesagt,
das kommt davon, wenn man sie ohne jahreszeitliche Alterung
direkt in den trockenen Norden bringt.
Mir fällt ein, wie ich Pu’er-Tee in Yunnan
machen hab lassen
und in derselben Jahreszeit nach Peking gebracht hab.
Jetzt lass ich Pu’er und Weißen Tee
dort, wo er herkommt, ein halbes Jahr liegen,
bevor er transportiert wird.
Mein Mann ist plötzlich gestorben,
mit nur 51 Jahren.
Leute, die ihm nah waren,
meine Mutter, seine ältere Schwester, seine Schwägerin,
seine Nichte, sein geliebtes Kind,
alle haben Angst, nur ich nicht.
Meine Mutter fragt, hast du überhaupt keine Angst?
Ich überleg und überleg, sag langsam,
schon eine ganze Weile
hat er mir nicht in die Augen geschaut.
Liang Yuan KONFUZIUS SAGT, ELTERN KÖNNEN NICHT WARTEN
Jemand fragt mich,
was soll sie machen?
Ihr Vater ist krank,
doch die Behandlung tut ihm sehr weh.
Ich weiß, was zu tun ist,
aber kanns ihr nicht sagen.
Als mein Vater krank war,
hat der Arzt gesagt,
er hat höchstens drei Monate.
Er hat sieben Monate gelebt,
hat aber am Ende nicht essen können,
hat Nahrung und Schmerzmittel am Tropf bekommen.
Mein Vater hat nichts mehr gewusst,
aber wir haben für ihn gesorgt,
er hat noch vier Monate aushalten müssen.
Maowozi are woven shoes
with wooden soles
and reeds on the sides.
We used to wear Maowozi
to get through the winter.
Each pair of shoes
had reed flowers blooming.
They were flowers
walking free.
9/20/22
Translated by MW, Oct. 4, 2022
Xue Ye BLUMEN GEHEN FREI
Maowozi sind geflochtene Schuhe
mit Holzsohlen
und Schilf an den Seiten.
Damals haben wir Maowozi
im Winter getragen,
durch die kalten Tage.
An jedem Paar
war Schilf aufgeblüht.
Die freien Blumen
sind mit uns gegangen.
20. September 2022
Übersetzt von MW im Oktober 2022
Im jadegrünen Lotosgarten
flattern lauter Spatzen zwischen den Blättern.
In meinem Kopf
und in den Bildern die ich kopiert hab
sollte bei Lotos ein Eisvogel sein.
Yi Sha sagt,
hier siehst du Adel und Schuster zusammen.
Volksmusik strebt auch nach klassischem Frühlingsschnee.
Onkel Zhao
sagt gleich
Genau!
Die Schwalbennester in meinem Dach,
heuer sind lauter Spatzen drin.
Zu Mittag
bringt Papa meinen Gedichtband
“Champion”
nach Hause.
Ich juble.
Dann sag ich Papa,
wir gehen zum Großelternort,
zum Familientempel der You
und verbrennen das Buch
für Oma und Opa.
Damit sie wissen,
die Enkelin
die im Stammbaum
nicht stehen hat dürfen,
die hat
was drauf.
Ich schieb mich im Rollstuhl
zum Jokhang Tempel,
ringsum werfen sich Gläubige in den Staub.
Ich beuge die Taille,
lass den Kopf hängen,
die rechte Hand steuert im Schneckentempo,
die linke fingert Gebetsperlen,
ich murmle
Om Mani Padme Hum –
Plötzlich kann ich einem Schlagloch nicht ausweichen,
der Rollstuhl wackelt,
es macht einen Krach.
Ich flieg aus dem Rollstuhl,
lieg flach auf der Erde.
Handflächen auf dem Boden,
dann auch die Knie,
mein ganzer Körper.
Ich schlag mit der Stirn auf und mit den Händen
und kriech wie die anderen
die Straße entlang.
Oben ohne
knallt Tante Zhi ihren Nudelteig.
Ihre flachen trockenen Hängebrüste
schaukeln und schlenkern,
manchmal nehmen sie ihr die Sicht. Sie flippt die Brüste auf ihre Schulter, knetet und zieht,
dann fallen sie wieder herunter.
Vom Radio schallt
Ma Jinfeng in der Henan-Oper Hua Mulan
durch die klebrige Luft.
Tante Zhis Pobacken krachen gewaltig im Takt.
Nach hundert Stufen
riech ich einen starken
Kerzenduft,
der Räucherduft überdeckt.
Im Räucherbecken sind abgebrannte Kerzen,
überhaupt keine Räucherstäbchen.
Am Totentag zum Grab,
Opfergaben hingestellt,
aber da war ein Haufen Totengeld,
was sollen wir machen?
Anzünden –
und wenn wir erwischt werden?
Nicht anzünden –
und die Vorfahren enttäuschen.
Mein großer Bruder, Schwerarbeiter,
sagt, eure Jobs gefährden wir nicht,
ich zünd es an.
Auf dem Rückweg
hat mein großer Bruder, der sonst wenig sagt,
den ganzen Weg geredet.
Vaters kleinen Geheimschrank
haben wir Jungen gemeinsam aufgemacht.
Mit fiebrigem Blick und flinker Hand
hab ich mir wie der Blitz was geschnappt.
Nach dem Brauch im Dorf
verbrennen wir Vaters Sachen vorm Tor.
Das Feuer schlägt hoch,
ich werf hinein, was ich geschnappt hab.
Sie machens genauso,
niemand hat mich gefragt,
was ich mir gegriffen
und wieder verbrannt hab.
Liebe,
wie soll ich das schreiben?
Ich schreib gerne Zeichen
mit ein bisschen mehr Strichen.
Ai, dieses Zeichen,
da ist ein Herz drin.
Aber
die meiste Zeit
ist Zeichen schreiben
besonders wie viele Striche
gar nicht
so
wichtig.
MW Chinesisch im Febr. 2022, auf Deutsch im April 2022
Martin Winter LOVE
Love,
how to write it?
I’ve always liked
to write traditional characters.
There is a heart in the “ai”,
same as in Japanese.
But actually,
most of the time,
writing,
especially wondering
how many strokes,
isn’t
really
that important.
First written in Chinese,
February 2022. Tr. 3/27/22
Du Sishang AM DRITTEN NEUJAHRSTAG REZITIERT MEINE MUTTER DIE ZEHN GEBOTE
Viele Jahre war der zweite Tag im Mondjahr der fröhliche Tag im Haus vom Onkel. Heute ist von der Generation nur meine Mutter noch da. Die Jüngeren sind auch vom Leben enttäuscht. Dieses Jahr am dritten Tag kommen der jüngere Cousin vom Onkel her und der ältere von der Tante her zu meiner Mutter. Wir spielen und trinken wie früher, reden von Politik und Gesellschaft im Land in Sorgen, im Streit. Die 89jährige Mutter sagt plötzlich auswendig die Zehn Gebote aus der Bibel. An der Tafel wirds ganz still. In der kalten sinkenden Sonne spür ich auf einmal ein anderes Licht.
Meihua Yi EINSIEDLER AUFGESUCHT, NICHT ANGETROFFEN
Wir gehen in die Berge, Hundertjährigen-Suche.
Ein alter Mann sitzt vor der Tür
beim Körbeflechten.
Wir fragen ihn nach seinem Alter.
Der alte Mann sagt, 97.
Als er erfährt, warum wir kommen,
sagt er, ihr seid ein bisschen zu spät.
Seit ein paar Tagen gibts keinen mehr.
Kommt in drei Jahren,
vielleicht könnt ihr dann einen sehen.
Mutter und ihre Schwestern waren 4,
sie war die älteste.
Die jüngste Schwester
war nicht mehr jung und frisch,
sie ist zu den Lius verheiratet worden.
Später
hat sie die Schläge echt nicht mehr ausgehalten,
in einer finsteren stürmischen Nacht
ist sie geflüchtet.
Das war vor über 40 Jahren,
sie ist nie zurückgekommen.
Heute
komm ich vorbei an ihrer Stadt.
Ich schau aus dem Fenster,
schau, was sie hier anbauen,
ungefähr dasselbe wie dort bei uns.
Maisfelder, Reisfelder,
Erdnüsse, Weintrauben, Paprika.
Auf einmal ist mir
viel wohler.
Als ich lesen gelernt hab,
hab ich Omi gefragt,
“Wie heißt du?”
Omi hat Kreide genommen,
auf die Wand geschrieben: Geborene Yuan.
Die zwei Zeichen, die Striche
sehr schön gemalt.
Omi hat halt
nur ein paar Zeichen schreiben können.
Die zwei Zeichen für Geborene Yuan
haben dabei die meisten Striche,
sind am schwersten zu schreiben.
Omi hat diese zwei Zeichen
für ihren Rufnamen gehalten.
Vor dem Familientempel der Chen stehen 8 Fahnenstangen.
Jede Fahnenstange wird an beiden Seiten von Steinen gehalten.
Auf den Steinen stehen die Absolventen der Palastprüfungen von der Song- bis zur Qing-Dynastie.
Auf dem Platz davor liegen 6 abgezogene Föhrenstämme.
Bürgermeister Chen sagt, manche Stangen müssen ersetzt werden.
Ich frage, was ist, wenn jetzt jemand aus der Familie
seinen Doktor macht und so weiter, kriegt er vielleicht eine Stange?
Der Bürgermeister schüttelt den Kopf.
Aber er fügt gleich hinzu, bei der letzten Renovierung vor über zehn Jahren
haben die Ältesten sich besprochen,
falls ein Nachfahre
etwas Höheres wird als Vize-Kreisvorstand,
dann kann man schon darüber beraten.
mein schwiegervater ist fast 80.
benachrichtigung kritischer zustand,
vormund über seine schwere krankheit,
dann normales krankenzimmer,
wir habens geschafft,
heute kommt er
nach hause.
er liegt im schlafzimmer im bett.
manchmal mit offenen augen, manchmal döst er.
meine schwiegermutter sitzt neben ihm,
ruft ihn Jiang Sancai,
Jiang Sancai,
ich bin deine Alte…
ich hör sie von draußen, ganz erstaunt
es ist das erste mal
dass ich hör wie ihn jemand so nennt
es klingt fast wie in der peking-oper,
die junge frau mit dem jungen mann
liebe freundinnen und freunde, liebe leute, liebe sternchen und stars, liebe familie ;),
hier unten ist ein text. bitte weiterverbreiten, wenn ihr wollt. und oder sagt mir was euch einfaellt. wies euch geht. bin neugierig!
gestern hab ich endlich mein buch aus china bekommen. 2020 im herbst erschienen, die buecher gibts dort in buchhandlungen und online, bis mai 2021 haben sich nachweislich ueber fuenfhundert stueck verkauft. das ist wenig dort, aber immerhin, von wien aus gesehen. oesterreichische kunst und kultur. Uebersetzt von Yi Sha 伊沙 und Lao G 老G.
mein chinesisches handy hat keine umlaute, sorry. oder ich bin inkompetent oder beides 🙂
oesterreichische kunst und kultur, also z.b. auch ein gedicht für den toten vierzehnjährigen florian p., den ein polizist in den rücken geschossen hat, als der bub etwas stehlen wollte in einem supermarkt. dieser text ist drinnen, ebenso wie andere aus beijing, die auch kritisch sind. es ist ein gutes buch. (dieser absatz ist ein nachtrag mit umlauten 🙂
der chinesische zoll hat mehrere mal diese chinesischen buecher aus china nicht durchgelassen. aber diesmal war es sehr schnell, nur zehn tage oder so. xiron heisst der verlag, xiron poetry club 磨铁读诗会 ist die reihe, begruendet von Shen Haobo 沈浩波. sichuan wenyi 四川文艺出版社 ist der verlag der die isbn bereitgestellt hat. es gibt ja keine privaten verlage in china. jedenfalls duerfen nur organisationen der provinzen des staates etc. isbns erhalten, die verkaufen sie dann weiter. sichuan wenyi, da faellt mir ein, wenyi kann auch seuche sein, mit anderen zeichen. wenyi im sinn von kunst und kultur in diesem fall selbstverstaendlich.
FINALLY WE HAVE SNOW heisst das Buch, auf Chinesisch 最终我们赢得了雪. eine zitrone. a lemon also kein superhit vorlaeufig vielleicht. auf dem umschlag ist eine zitrone. sollte eine scheibe sein. ist es ja, ist ja ein bild. a slice of lemon a slice of tangerine a ginger cake finally we have snow ein stueck zitrone ein stueck mandarine ein ingwerkuchen endlich haben wir schnee. das ist das titelgedicht.
manche texte im buch sind in beijing entstanden, manche in wien, viele an vielen anderen orten. manche sind sehr kritisch. manche haben absichtlich oder unabsichtlich etwas beruehrt oder erwaehnt, was dann nicht gedruckt werden durfte. die meisten dieser texte spielen nicht in china. es sind nicht so viele. aber es gibt ein eigenes kleines extra-buch dafuer im verlag fabrik.transit, auch letztes jahr erschienen.
im maerz ist ja auch hier in oesterreich ein buch mit gedichten herausgekommen, auf chinesisch und deutsch. BRETT VOLLER NAEGEL 布满钉子的木板子, NPC-Anthologie. neue poesie aus china. 1.Band A-J, 81 Autorinnen und Autoren, mit Sternchen und Stars.
Dieses zweite Buch habe ich uebersetzt, herausgegeben haben es Juliane Adler und ich. Wird fortgesetzt!
fabrik.transit heisst der verlag, www.fabriktransit.net
das buch ist natuerlich auch vom chinesischen zoll abgefangen worden, obwohl keine dissidentinnen und dissidenten dabei sind, nur sternchen und stars, wie gesagt. ein oder zwei sind durchgekommen. aber es wird gehen.
liebe gruesse
euer
martin
(usw)
GESPRAECHE
ich bin jeden tag im gespraech mit china
mein china ist ein dichter kreis
oder ein loser kreis
von gewinnern
von verlierern
von leuten die gedichte schreiben
von freunden
bekannten
unbekannten
das sind die meisten
leute die schreiben
lesen
schuften manchmal
hoffentlich keine schufte
aber faschisten
aber vorsitzende
europaeische sowjetische asiatische ehemals jugoslawische usw
ihre verteidiger mittelfeldspieler
stuermer
die haben alle gedichte geschrieben
jedenfalls viele
frauen eher weniger
oder gibts solche schuftinnen?
was weiss ich
ich bin jeden tag im gespraech
mit meiner sprache
mit unseren sprachen
In der Pandemiezeit hab ich was nachgeholt,
die Fernsehserie “Zaun, Frau und Hund“.
Da gibt es den alten Mao Yuan,
der tätschelt seinen Hennen den Hintern
und sagt, heute werden sechs Eier gelegt.
Er hat das Gefühl und die Erfahrung.
Meine Oma hat es genau so gemacht.
Wie viele Eier die Hennen jeden Tag legen,
sie hat es gewusst.
Wenn die Eier mehr waren,
hat sie gewusst, die kommen vom Nachbarn,
da hat die Henne ins falsche Nest gelegt.
Dann ist sie getrippelt mit kleinen Füßen
und hat das Ei hingebracht.
Unsere Nachbarn renovieren,
die Hofmauer und das Tor werden wie in Europa.
Das Steinlöwenpaar, die sind überflüssig,
sie liegen beim Kieshaufen gegenüber.
Wenn es regnet, sieht man verweinte Gesichter.
Meine Frau sagt, wir sollten mit den Herrchen verhandeln,
die Steinlöwen könnten vor unserer Tür stehen.
Ich sag, das geht nicht,
die Steinlöwen sind schon lange bei denen,
die haben eine Seele.
Meine Tochter und ich, wir stehen im Wind an der Station. Sie nimmt meine Hand, führt sie an ihre Nase, reibt hin und her, legt ihren Kopf schräg, sagt: „Du hast etwas von Omi geborgt.“ „Was hab ich geborgt?“ „Den Knoblauch, nach dem ihre Hand riecht.“ Ich streichle sie am Kopf. „Keine Sorge, wenn Omi zu uns kommt zum Frühlingsfest, geb ich ihr das zurück.“
Frau, Anfang 40, kriegt Krebs und stirbt. „Sie war wirklich ein guter Mensch, macht Sauerkraut für die ganze Anlage. Sogar der alte Wächter am Tor hat geweint.“ Nachbarn seufzen, „Gute Menschen haben kein langes Leben.“ Jemand, der eigentlich nicht religiös ist, sagt etwas gewunden, gute Menschen, die kommen zuerst ins Paradies des Buddha im Westen und habens dort besser.
In einer Idee ein Held, in einer Idee ein Verräter.
In einer Idee lebt der Vater, die Mutter gestorben, in einer Idee.
In einer Idee, das leere Blau.
In einer Idee, der Himmel ist nicht leer.
In einer Idee kommt der Mond, die Sonne sinkt in einer Idee.
In einer Idee die Ehefrau, in einer Idee die Geliebte.
Der Tempel in einer Idee.
Der Massagesalon.
So bevorzugt von oben,
was kann da noch werden?
Das Stück Land
rechts von Vater und Mutter
will mich fressen.
Eines Tages
sperrt es sein Maul auf
und schluckt meine Asche.
Erst hebt sich
sein Bauch,
dann kann es langsam
verdauen.
The old lady has no children with her. Several men pick up their strength to straighten her curled up body, I hear her bones creaking. They wash her and wrap her in linen. She was bow-legged, so those men all together push her into the coffin, bones rattling again. They keep the coffin in a cool spot. As they come out and lock the door, an elder hands out dark chicken eggs from the old lady’s coop and reminds them to come again for the interment in a few days.
Er kommt aus Weifang zurück, stellt mir drei Leute vor die Weifang regieren. Ich kenn sie überhaupt nicht, kenn nicht mal die Namen, sag nur Zheng Banqiao war dort im Amt. Er fragt, seit wann ist der pensioniert? Mir verschlägts die Rede.. Der Zheng ist nachher nach Yangzhou, sag ich dann, hat Bilder verkauft und davon gelebt. Oh, sagt er, das war ein Qing Guan, sauberer Beamter. Ja, sag ich, das war er, Qing Guan, denk ich mir, Beamter der Qing-Dynastie.
Mutter ist vor einem Jahr dorthin gegangen. In wessen Hof fällt die Blüte, wer weiß. Ich weiß noch, Opa hat wahrsagen können. Er hat gemeint, Mutter hat Glück. Na dann fällt sie sicher zu guten Menschen.
12. August 2020 Übersetzt von MW im September 2020
In solch einer Nacht seh ich den Meister mit abgeschnittenem Ohr, er wirkt eher schäbig, im niedrigen Zimmer geht er auf und ab, Hände auf dem Rücken. So sind die Farben auf uns gekommen, stärker noch als Sonnenblumen.
In diesem Moment stopft er meine Knochen in wirre Striche, die gehen direkt durch meine Wohnung. Ich merk ganz genau wie das Ohr runterfällt.
Frei und befreit ist fast unmöglich unter den Menschen. Frei und befreit, der Friedhof dort, das ist eine Stadt, die ist schön ruhig. Frei und befreit, wenn ich das höre, kommt mir oft vor, es kommt von dort.
Bai Li kommt aus Österreich zurück und sagt, der österreichische Dichter Martin Winter hat viele Jahre in China gelebt, hat aber doch nicht sehr viel gelernt. Zurück in Wien in der U-Bahn ohne Direktüberwachung kauft er sich eine Karte.
2. März 2020 Übersetzt von Martin Winter im Juli 2020
Als er jung war hat er sich das Phoenix-Fahrrad im Brautpreis nicht leisten können und deshalb seine herzensgeliebte Xiao Fang nicht gekriegt. In mittleren Jahren hat sein Sohn als Mittelschüler mitgemacht beim Fahrraddiebstahl, wurde bei einer Großfahndung verhaftet, zu Gefängnis verurteilt. Als alter Mann lernt er, mit dem Smartphone den Barcode zu lesen, um ein Fahrrad zu leihen. Sieht Räder überall auf der Straße, lacht und lacht und weint.
Dieses Seidenraupental wählt eine Seidenfrau. Die Erwählte egal ob sie Fee oder Göttin genannt wird war immer schon nicht sehr weltlich. Sie ist ein schönes und sanftes Mädchen, bekommt gut zu essen und gut zu trinken, aber sie darf nichts mit Burschen haben, sie darf nicht heiraten. Bis sie den Kriterien nicht mehr entspricht, oder bis sie stirbt. Dann wählt man eine andere.
Im Süden der Stadt, zwei weiße Schaumkugeln vom Isoliermaterial, aus dem Dach herausgespült durch den Regen, kleben an der großen Abtrennungs-Glasscheibe des Wächterhäuschens der Wohnhausanlage. An der Ausfahrt der Kellergarage auf den nassen weißen Planen, die hat das Mädchen zurückgelassen, die in der Früh umgezogen ist, da liegen umgekehrt drei Kapokblüten, heruntergeworfen im Regen seit gestern Nacht. Genau wie blutrote Azaleen, ein Kuckuck der Blut spuckt. In der leeren Garage vibrieren und hallen immer noch Schritte des Mädchens verwirrt hin und her.
7. Juni 2020 Übersetzt von MW im Juni 2020
Han Yu, geboren in den 1970er Jahren in Xi’am, Ingenieur bei einer staatlichen Firma in der Provinz Kanton (Guangdong). Liest und schreibt moderne Gedichte seit den 1990er Jahren. WeChat-Name: daritty 《新诗典》小档案:寒雨,70后,陕西西安人,国企工程师,旅居广东。90年代开始喜欢现代诗歌阅读和创作,偶有诗作在网络发表。微信号:darltty
Early morning in the horseshoe-shaped forest, finally the flock flies in again. They are in high spirits, talking excitedly. Walking quietly up to the tree, Moses, where is he? They tell me, Moses has waded through the Red Sea, left Egypt already. Tears flow to the tip of my nose.
3/23/20 Translated by MW, June 2020 Hu Bo MOSES
In der Früh im hufeisenförmigen Wald kommt der Schwarm endlich geflogen. Sie reden aufgeregt und diskutieren. Leise geh ich bis vor den Baum. Moses, was ist mit ihm? Sie sagen mir Moses ist schon durchs Rote Meer, hat Ägypten verlassen. Tränen auf meiner Nasenspitze.
23. März 2020 Übersetzt von MW, Juni 2020
Hu Bo, geboren am 19. Juni 1961 in Dalian, aufgewachsen in Tianjin. Lebt in Taida. Volksschüler im Fach Alltagssprache-Poesie seit Mai 1999. 《新诗典》小档案:胡泊, 1961年6月19日生于大连, 天津长大。有诗入选《新诗典》感谢伊沙, 感谢所有帮助我的诗人. 现居泰达, 我是口语诗中小学生从1999年5月开启
Der Sohn meiner Kusine kommt aus Wuhan zurück. Sobald ich das erfahre, schärfe ich ihm am Telefon ein: Er soll mindestens ganze sieben Tage zuhause bleiben. Aber am nächsten Tag in der Früh steht er vor der Tür. Er kommt als Motorradchauffeur seiner Mama. Sie bringen ein lebendes Huhn. Außerdem einen kleines rotes Kuvert, Taschengeld zu Neujahr für meine Tochter. Es ist Mondneujahr, meine alte Mama will unbedingt, dass sie bleiben und mit uns essen. Ich bin überhaupt nicht froh, spiel mit der Tochter im Schlafzimmer. Meine Frau kommt herein, sagt ich soll rauskommen. Sie sagt, der Sohn der Kusine schaut eh ganz gut aus. Ich beiß die Zähne zusammen, komm ins Wohnzimmer und begrüße sie. Dann schluck ich meine Sorgen hinunter, setz mich mit meiner Kusine und ihrem Sohn zum Frühstück.
Someone has told me I should use my profession and set up a stall on the ground Maybe I could make over three hundred thousand per month, much more than with regular work at the hospital. I am moved at heart, but tangled up too. Should I give shots at my stall, or should I tell people their fortune or should I interpret their dreams? Stupid! It’s TCM, stupid! I have to offer Traditional Chinese Medicine! If anyone says I am doing it wrong, I call the cops and say he slanders and insults TCM.
They are valiant fighters against the virus, cheering for Wuhan, writing poetry for the Yellow Crane Tower, painting Professor Middle South Mountain, the national expert. They are so well-versed in Peking Opera, trailing long sleeves across their eyes, which means they are crying.
ach wie gut, dass niemand weiß, dass ich kurz allen angst machen wollte dachte sich kurz noch vor kurzem
würden sie flüchtlinge aufnehmen auch nur fünf oder zehn aus solidarität im rahmen der eu würd ich ihnen glauben da sie es nicht tun glaub ich ihnen nicht egal was sie sagen
wir halten uns an abstand halten ich hoffe wir alle solang es nötig ist glaubt jemand das würd nicht funktionieren mit einer virologin als bundeskanzlerin?
MW April 2020
FREE WILLIES
we live we die we cry we fly we try
MW April 2020
FREUDE
Freude ist einfach Freude Freiheit ist hoffentlich Freiheit Freude ist tief wie ein Traum Verschwunden war gottseidank nicht tot Glück ist einfach Glück
MW April 2020
自由了
喜悦 就是喜悦 自由 但愿是自由 喜悦深 如梦 失踪没有死 谢谢上帝 幸福 就是幸运
2020年四月底
WIRKLICHKEIT
In Wirklichkeit ist es immer wie jetzt. Halt nicht auf einmal, doch in der Schwebe, ein bisschen versetzt. In Wirklichkeit ist dein Leben nicht fest, sicher ist gar nichts, egal was wer sagt. In Wirklichkeit bist du Tanz und Musik. Wir sind was sich dreht oder steht und jemanden sucht solang es noch geht.
MW 1. April 2020
《疫情》
其实一直都这样, 只不是一块儿, 比现在还悬, 对很多人 生活没把握
其实无论谁怎么说 现在真实一点
其实你是舞蹈 旋旋的音乐 停还找人 如果行
2020.4.18
CORONA
Actually it’s always like this for many people. You live from one day to the next. Only now it’s a big deal for the whole world for a while.
Actually it’s always like this for many people. You live from one day to the next. You have to stay in or avoid the police. You need your neighbors, but you are afraid. You could get infected any day any hour, and you need each other.
Actually life isn’t fixed, nothing’s secure, whatever they say. Actually you’re at a dance. Turning, turning and then slowing down. Standing, maybe looking for someone, if it still works.
It was a beautiful time, it was a fucking bad time. We supposed-to-be-educated youths went off to exams and more than half fell through. If I had managed to fill in those two blanks, I would have survived. Who was Cao Xueqin? Who was Qin Keqing?
Forward to now, Cao wrote Dream of the Red Chamber, everyone knows. Qin Keqing, she’s one of 12 beauties in the mystery novel, the one most tight with Sister Feng. In that blank space, I drew a cow turd. In the space for Cao Xueqin, because I was mad, I wrote he was the third little girl of old Cao in our backyard.
2/10/20 Translated by MW, May 2020
He Jin, orig. name Jin Weixin, Muslim Hui nationality, born in the last lunar month of 1956. Published a story collection, one book of poetry and one book of essays. Poems and stories appeared in anthologies. In January 2018 he founded the poetry magazine Xiao Shi Jie (Small Verse World). He lives in Jilin city. 《新诗典》小档案:何金,原名金伟信,回族,1956年腊月出生。著有小说集《沉默的星空》、诗集《身体的宣言》、随笔集《平民天堂》。作品收入《中国口语诗年鉴》(2019年卷)、《中国回族文学通史·当代卷》。2018年1月创办《小诗界》诗刊,现居吉林市。
Die ältere Generation der Familie, die geben ihm einige hundert Yuan, das darf er nicht ablehnen zum Mondneujahr. Als sie gegangen sind, nimmt er die Sprühflasche mit Alkohol und desinfiziert jeden einzelnen Schein.
Ich sag oft ich leb von meinen Zeichen, in Wirklichkeit hab ich bis heute nur wenige Blätter verkauft. 100 Yuan scheint schon zuviel. 88 66 Zustellung inklusive fragt auch niemand an.
Nicht nur in New York lässt dieser Alp, dieser Wachtraum so viele Menschen niederfallen und nicht wieder aufstehen. In den Nachrichten rauchen Gewehrläufe, wenn du darin einen Hebel zu sehen meinst hast du noch nicht den Angelpunkt, kannst keinesfalls angehen, was der Instinkt der Scham in den Menschen verbirgt.
Jemand fragt mich auf Wechat ob ich in New York noch U-Bahn fahre.
Ich sag es dir, ich sitze wochenlang auf meinem Sessel und bin Gedanken dicht auf den Fersen. Ich bin es längst müde, ins Handy zu steigen und im Netz zu surfen.
Die U-Bahn-Karte in meiner Lederjacke möcht ich sehr gern in die Hand nehmen, aufladen, durchstecken. Das Problem ist, dass ich auch so jeden Tag meine Karte steche und nicht ins Leben einsteigen kann und wann hört das auf.
Zum Glück ist mir eingefallen, die allererste Erinnerung in der Kultur das muss der Schamane sein oben am Berg, der Himmel und Erde anruft, mit aller Kraft und ganzem Herzen.
28. März 2020 Übersetzt von Martin Winter am 1. Mai 2020
Dreamt of our translator’s editing thing, our jour fixe at Vienna Literaturhaus. Not a fixed day, actually, but every few weeks, except in the summer. Someone brings a text, already translated, and people make suggestions to improve certain parts. I don’t always go, but it’s a good tradition. Now I went again in my dream, Brigitte was there, a few other people. It was a little awkward, but I wasn’t sure why. Had I missed the memo? Gradually I remembered it is virus time, this isn’t allowed and I am dreaming. But in the deeper levels of dreamland, it seems the virus doesn’t exist or maybe not yet.
MW April 2020
FREE WILLIES
we live we die we cry we fly we try
MW April 2020
Thanks to Andrew Field!
WIRKLICHKEIT
In Wirklichkeit ist es immer wie jetzt. Halt nicht auf einmal, doch in der Schwebe, ein bisschen versetzt. In Wirklichkeit ist dein Leben nicht fest, sicher ist gar nichts, egal was wer sagt. In Wirklichkeit bist du Tanz und Musik. Wir sind was sich dreht oder steht und jemanden sucht solang es noch geht.
MW 1. April 2020
《疫情》
其实一直都这样, 只不是一块儿, 比现在还悬, 对很多人 生活没把握
其实无论谁怎么说 现在真实一点
其实你是舞蹈 旋旋的音乐 停还找人 如果行
2020.4.18
CORONA
Actually it’s always like this for many people. You live from one day to the next. Only now it’s a big deal for the whole world for a while.
Actually it’s always like this for many people. You live from one day to the next. You have to stay in or avoid the police. You need your neighbors, but you are afraid. You could get infected any day any hour, and you need each other.
Actually life isn’t fixed, nothing’s secure, whatever they say. Actually you’re at a dance. Turning, turning and then slowing down. Standing, maybe looking for someone, if it still works.
MW April 2020
MOON
the moon is hanging out in isolation
the moon is hanging out in isolation behind the clouds over flowering trees it’s getting cold again
MW March 2020
《月亮》
维马丁|伊沙 译
月亮 被孤立地 高悬在外
月亮 被孤立地 高悬在外 在云层后面 越过花木 天又冷了几分
2020年3月
1 POEM/DAY
One poem per day takes nothing away, I want to say. But everything takes time, every drug, every mask, every care. So one poem per day could take away whatever else you would have had. But then you could hear it again, whatever you do, if it was good.
MW March 2020
GRINDING
The world is grinding to a halt. So are we all madly in love? Or have we come to our senses about the climate between each other? About working together? We don’t have a choice. And we don’t have a choice in hoping it will soon be over. And we still let them set our clocks.
When I was small, when I was frightened, my mother always gently stroked my neck and said, „Hug, hug, hug the neck, fear must go away.“ She said it three times, my fear disappeared.
Now, when my child is afraid, I do what my mother did, holding, hugging, saying the words three times around and the crying has stopped.
Die Gassen der Konzessionsbezirke erforscht, die Gelbe Kranichpagode bestiegen… Damals hab ich jedes Jahr die Kirschblüten in der Uni Wuhan betrachtet. Hab viele Freundschaften geschlossen, unvergessliche Tage erlebt.
Frühling 2020, Wuhan abgeriegelt.
Freunde arbeiten im Krankenhaus, Spuren von Mundschutz auf den Gesichtern. Studenten von damals, heute Beamte in Wuchang. Mit jungen Freiwilligen zusammen, manche sind selber Freiwillige, liefern für Krankenhäuser, überlassen ihre Schutzanzüge den Ärzten, die sie nötiger brauchen. Manche Freunde schicken mir Fotos zum Heulen.
Ich bin in Tokio, schau täglich online, was in Wuhan los ist, lese das Tagebuch der Schriftstellerin Fang Fang.
Zum dritten Monat im Mondkalender blühen die Kirschbäume der Uni Wuhan. Blütenblätter wehen einsam.
An einem bestimmten Tag in der Zukunft bei der Eröffnung der Olympiade wird es dann ein Team geben mit einer Fahne hoch in der Luft und einem N95 Mundschutz darauf?
Am Drachenrückenberg gibts heuer keinen Drachentanz. Wir bitten zwei Taoisten, mit Mundschutz, an der Kreuzung lesen sie aus den heiligen Schriften, mit dem Rücken zur Lehmmauer mit der Viruswarnung. Sie verbrennen Totenpapier und Feuerwerk, und die Bauern beginnen zu pflügen.
All sorts of bands
and flowers and strands
and lines and motifs
lie intertwined
beneath the old church
of Santa Eufemia.
Take a close look,
they are dancing,
the lines and so on.
A big Roman house
with courtyards and tiles
all over the floors.
A dance of the seasons.
They say Summer is missing,
or maybe it’s Spring,
holding Winter’s hand,
like Autumn does
on the other side.
Winter is wrapped in blue,
around the head too.
Crooked lines come out
above the head.
Is it a fool?
They say it’s grass,
maybe reeds.
And there is a shepherd,
the second big mosaic,
also with a pan-flute.
Two storeys above
is the old city.
This city below was the western capital
of the Byzantine empire
among other things.
Then there is Dante,
buried in a mound
overgrown with green leaves
all-year round
in 1944 and 1945,
German hell-hounds were loose.
Maybe one year
his bones were in there,
the shape of the mound
reminded me of an old poetess
in China in Xi’an, formerly Chang’an,
the old capital.
Cai Wenji was her name.
Her mound is much bigger,
and very well kept,
much in contrast to all the graves
of famous male poets.
She was politically very important.
Back in Ravenna
in winter
wrapped against the cold
we move on
to our next monument.
MW December 30, 2019
NEON
Neon reigned in 452.
No, this was the year
they built the mosaics
the wonderful dome
under bishop Neon.
It’s the Orthodox baptistery.
Much more elaborate
than the Arian one
across the old city.
Each apostle is named.
Most have a beard.
Simon looks like a woman.
The Arian dome
has only one throne
and here there are four,
they are all empty too
but there are also four books
in between, the four gospels.
Blessed are those whose iniquities
and sins are remitted,
says one inscription.
MW December 30, 2019
IVORY THRONE
The ivory throne
was for Bishop Maximian,
550 or something.
Joseph and his brothers.
Jesus feeds 5000 people.
The annunciation,
the water test
for Mary’s virginity.
What was that exactly?
Carved panels in different sizes
all around the back and on the sides.
Blank parts in between,
maybe panels are missing.
Ebony covered with ivory.
Somewhere in the museum
with Saint Andrew’s chapel,
wonderful mosaics.
Then in the afternoon
Saint Apollinaire in Classe.
Classe was the harbour
of the Roman fleet
and the main port
until the ninth century.
The church is huge,
and there were more,
there is a museum
in the sugar factory,
closed in 1982.
The sea isn’t far.
MW December 30, 2019
SAN VITALE IN RAVENNA
You know right away
you are in a place of worship.
In this way it’s like the Alhambra.
At least I hope the Alhambra retains it,
haven’t been there for 38 years.
A sense of awe
and exultation,
no matter how many people,
how many tourists.
Very big, very grand, spacious.
Filigree columns, needlework stone.
Very very high, many arches.
Mosaics.
Some of the best ones
in this splendid city.
A sacred place.
Stay.
The whole city is sacred.
Drink,
try to retain
some of this beauty.
Mein Volksschullehrer
ist mit 52 an Gehirnblutung gestorben.
An seinem dritten Todestag
haben wir in der Stadt jemanden für eine Inschrift beauftragt.
In dem großen Haufen von Material
hat er keine Auszeichnung
durch Vorgesetzte gefunden
und deshalb hat er aus meinem Entwurf
die vier Zeichen für
„von großem Verdienst und hochangesehen“
gestrichen.
Dort wo meine Familie herkommt,
er ist so alt wie ich,
wurde mit 2 Jahren von Menschenhändlern hergebracht,
spricht gut Mandarin,
lebendiger Blick,
ein Gesicht wie der junge Runtu bei Lu Xun,
aber mit den Augen vom alten Runtu.
Macht den Mund auf und schimpft im Henan-Dialekt.
Ich nenn ihn Onkel,
aber er ist auch in der sechsten Klasse.
Papa sagt,
als er hergekommen ist,
hat der kinderlose alte Onkel
aus meiner Familie
ein großes Fest veranstaltet,
eine Zeremonie.
Alle Nachbarn brachten Geschenke.
Papa hat dreißig Yuan
als Geschenk gegeben.
Ich frage Papa
warum dreißig Yuan
und keine Anzeige bei der Polizei?
moon calendar, tenth month and first day, midnight
at the crossroads, still a few heaps of burnt paper
swaying in the cold wind
a beggar comes and kneels down, both knees on the ground,
makes a bow
to the rest of a fire
to light a cigarette
Wang Wei’s Grave.
Key research zone,
No entrance!
Something with aviation.
Wang Wei up in heaven
smiles at the foreigner
who brings a child
under his tree,
the gingko he planted,
father & son hiding under their hoods,
stealing close
to his stone
to read his poetry
in language from far, far away.
Written in Chinese on April 13, 2019
on location, a factory site near Xi’an.
Translated in Mai 2019
No matter how time
goes back in a circle
in Chinese style,
you have just one life.
Once you are awake
you can’t go back to sleep.
Once you have stood up
you can’t kneel down again.
Once you start learning
you can’t play dumb.
Once you start flying
you cannot go down.
February 2019
Translated by MW, Febr. 2019
Yi Sha MONDNEUJAHRSSCHWUR
egal wie die zeit
wird wie sie war
im chinesischen kreislauf
du hast nur ein leben.
sobald du aufwachst
darfst nicht mehr schlafen.
sobald du aufstehst
darfst nicht mehr knien.
sobald du aufgeklärt bist
kannst nicht mehr dumm spielen.
sobald du fliegst
kannst nicht mehr landen.
the owner introduces us
to their merlot
he is a christian
he says this red wine is Jesus’s blood
at this I hear from outside the windows
the vines all around on the hillsides
raising their gnarled hands, chanting together:
no, it’s our blood!
12/18/18
Translated by MW in January 2019
Shen Haobo EIN CHATEAU BEI BORDEAUX
der chef stellt uns vor:
der merlot
der chef ist ein christ
er sagt der wein ist das blut des herrn
da hör ich von draußen
die weinstöcke rufen auf allen hängen
sie heben ausgemergelte hände:
“nein, unser blut!”
It was in 1999,
last year of the 20th century.
The poet Ma Lan
with her American husband,
a Yale professor,
came to visit old Chang’an.
At the Small Wild Goose pagoda
in the teahouse Scented Snow Sea
we had a good meeting.
The Yale professor
of Chinese literature
had a point of view
that opened my eyes
and resonated in my heart,
I had been thinking about this for years.
He said, “In the May Fourth era,
those writers who studied in Japan,
why were they so dominant?”
Today, I am finally in Japan
and I carry this question,
roaming the coast and mountains of Honshu.
Let me think,
let me think it over,
I have enough time to think of an answer.
What was it,
what was it here,
that made them
bury themselves in their work,
lay their life on the line,
fight for truth,
plead for the people
and become the backbone of modern China?
a date with three beauties
we’re having a meeting
in an elegant café
all the way to the evening
I suggest
we have dinner together
to celebrate
7/7, lunar calendar,
night of lovers
the three are incensed
and refuse with one voice
our meeting is
immediately adjourned
8/17/18
Translated by MW, Sept. 2018
Shen Haobo 7.7. NACHT DER LIEBE
bin mit drei schönen frauen
verabredet
in einem eleganten
café. unsere konferenz
dauert bis zum abend.
mein vorschlag,
dass wir zusammen essen
zur feier des festes,
das fest der geliebten im mondkalender,
wird von allen dreien
mit einem mund
entrüstet abgelehnt.
die sitzung wird sofort
abgebrochen.
aus ihrer hand kann man sehen
die letzten jahre haben sie zuviel flüssige seife verwendet
in ihren linien ist auch
klares wasser doch ohne fische
wie soll ich sagen
gottseidank wohl kein lobbyist
kein angler nach vermögensanteilen
ganz klares wasser
heißt also für sie
streben sie nach innerer klarheit
das problem ist
die linien sind einfach zu sauber
ich kann überhaupt keine spur verfolgen
Across the road from Tokyo Prince Hotel
in a train station basement
I ate a pasta I had never tasted
outside of my family’s home Matoushan
deep in China.
The flour is ground, dried in the sun,
beaten into a dough, pressed into strings,
these are dried again.
To the sound of the big village drums,
the pasta is born in a fine-tuned process.
It’s very resilient, every bite fills your mouth
with the scent of the grain.
I left home when I was 14,
had all sorts of pasta, sweet sour spicy,
strong kinds of taste, made very fast,
so the scent of my hometown
went very far away in the distance.
Never thought I would find it at this moment in Tokyo.
Above there are trains arriving and leaving,
producing a rhythm of deep and high notes
very much like the drums
of Matoushan.
In einer Pause von unserem Wettlesen
geh ich mit Jiang Erman auf die Toilette.
Auf dem Weg
sagt sie dauernd
Ungerecht!
Ungerecht!
Keine Gleichberechtigung!
Die Männer können das Klo besuchen,
wo Li Bai hingegangen ist!
Aber wir Frauen nicht!
wenn meine tochter teigtaschen isst
braucht sie essig
und zwar dunklen reisessig
eine halbe schüssel voll
sie beugt sich hinüber
nimmt mit stäbchen einen jiaozi
knabbert ein eck ab
dass ein bisschen die füllung rausschaut
dann geht der jiaozi
in der essigschüssel tauchen
wenn er voll saft ist
wird er vorsichtig aufgehoben
und in den lange wartenden mund geschoben,
ganz wie bei papa!
Shi Ran WIR RENNEN NOCH IMMER VATERS ERWARTUNGEN NACH
beim blättern in vaters manuskripten
fällt mir ein wie enttäuscht
er uns angeschaut hat
kein dichter darunter
als mein kleiner bruder, der jüngste
an die uni gekommen ist
hat vater geseufzt
so viele kinder
keiner wird arzt
heute schreib ich
aus interesse
doch noch gedichte
meine kleine schwester die lange bei medien war
steigt plötzlich um auf chinesische medizin
aber jetzt hat uns vater
schon zehn jahre verlassen
Vater und meine zwei Onkel,
meine zwei Cousins von den zwei Onkeln und ich.
Sechs Mann von unserer Familie
im Kampf auf dem Friedhof.
Unsere Gegner sind jedes Jahr
zum Gräbertag, zum Geisterfest
zu Neujahr im Mondkalender
das Grab vom Opa,
die Gräber von drei Großonkeln,
von Oma und Opa auf Vaterseite.
Letztes Jahr
ist Vater zum Gegner übergewechselt,
unser Hauptmann ist im neuen Grab.
Ich zieh aus zum Kampf
und spür sogar etwas wie Stolz.
Einer unter den Feinden
gehört mir allein.
Die Mühle für Tofu-Gelee ist verrostet,
die Elstern am Nussbaum
stellen sich noch stumm.
Kinder hoffen immer auf Gäste,
erst dann gibts was Gutes.
Alles knapp in der Stadt und auf dem Land,
aber der Gast kommt beim Bauer zuerst.
Klebreisbällchensuppe kochen die Eltern,
Klebreisbällchen sagt niemand,
bei uns wird Wasser zum Trinken gekocht.
Der Gast bekommt Speck,
von Speckfleisch spricht niemand,
wir brennen Feuerholz.
Der schwarze Vogel oben am Strohdach
kräht früh genug wieder vom Pech.
Sterben ist leicht, das weiß jeder,
der auf dem Land war durch diese Zeit.
in der früh nehm ich eine kiste tsingtao-bier
vom sechsten stock hinunter zum entsorgen
unten komm ich erst drauf
drinnen ist eine flasche noch ungeöffnet
während ich überleg schwappt das bier hin und her
wegwerfen widerspricht den gebräuchen
der arbeiterschaft
nicht wegwerfen, soll ich mit einer flasche bier ins büro gehen
lieber noch einmal überlegen
und dann doch brav mit einer flasche der preisgekrönten marke
den arbeitsweg antreten
Went back to Hunan in early August,
to change my family registration,
so I can officially live in Xi’an.
Ran into an old guy from my clan,
who said, kid,
this time you rip out your roots when you go.
In Xi’an first day back
for my first meal, walked into
Great Leap’s Spinach Noodle House,
oil-sprinkled pasta.
Local people call them
Soul Returns Home.
8월 초에 湖南성에 있는 고향으로 돌아가
정식으로 나의 호적을
陕西성 西安에 이적하였다
집안 어른 한 분이 말했다
너 이놈, 괘씸하구려
인젠 뿌리까지 뽑아 가져가
西安으로 돌아 온 당일
첫 식사는
跃进 오리지널 시금치 면점에 들러
油泼면을 한 그릇 먹었다
섬서 사람들은
이것을 回魂면이라 부른다
An Qi WHY GUAN YU DOESN’T PRETEND TO GIVE HIMSELF UP TO SUN QUAN
each day at dusk
ma has a video chat with me
she refused WeChat at first
but my younger sister set it up
ma falls in love with it
she says it’s cheap, monthly 70 yuan
and she sees me every day
now she has a new job
reports from listening to Three Kingdoms
my sister sends her two chapters per day
finally old ma isn’t bored anymore
her life is the fate of the heroes
today she tells me
Guan Yu gets caught by Sun Quan
they will cut off his head
but he is too stupid
he doesn’t pretend to give up
why won’t he capitulate?
she asks me three times
I can only say
I don’t know
gestern war mondfeiertag,
mondfeiertag war heuer recht spät.
15.8. im mondkalender.
oft ist es ende september,
paar tage vorm nationalfeiertag.
nationalfeiertag in der volksrepublik,
staatsgründungstag 1. oktober,
proklamiert 1949
vom tor des himmlischen friedens.
also nicht in taiwan,
dort haben sie am 10.10.
nationalfeiertag.
mondfest ist nahe bei den paraden.
stillgestanden!
rührt euch!
stillgestanden!
alle augen nach vorn
auf das gold!
das ist ein gedicht von yi sha.
wàng qián kàn,
alle augen nach vorn auf das geld.
das war die parole
seit den 80er jahren.
yi sha schreibt in xi’an.
xi’an hat früher chang’an geheißen,
es war sehr lange hauptstadt,
viel länger als peking.
also sehr viele mondfeiertage.
vielleicht auch paraden?
jedenfalls hauptstadtparaden
vor 1000 jahren
vielleicht vor 1300 jahren
erste millionenstadt auf der erde
vielleicht sogar größer als konstantinopel
aber noch ohne panzer.
also kein platz des himmlischen friedens.
keine demonstrationen von millionen.
yi sha hat in peking studiert,
ende 1989
ist er nach xi’an zurückgekommen.
mondfest hat nichts mit paraden zu tun.
mondfest ist für die familie.
man steigt auf eine höhe,
bringt essen und trinken,
alle sehen den mond.
man denkt auch an die, die nicht dabei sind
die dazugehören
und vielleicht den mond sehen können.
mondfest ist überall
in vietnam und in japan
in korea, norden und süden,
in malaysia, auf den ryukyu-inseln,
auch auf hawaii.
ich glaub eher nicht bei den tibetern,
aber doch bei mongolen
obwohl die mondkuchen
oder das allgemeine verschenken
von diesen kuchen mit zetteln drinnen
angeblich gegen mongolen gewirkt hat.
mondkuchen gibts in vietnam und korea,
auf okinawa und den ryukyu-inseln.
in japan sonst gibt es sowas wie knödel.
wir haben zwetschgenknödel gegessen.
zwetschgenknödel aus topfenteig
von meiner mutter.
also ohne mondkuchen
aber mit großeltern und zwetschgenknödeln.
wir haben auch an andere gedacht,
die anderen großeltern
die vielen freunde
alle denen mondfest vielleicht etwas sagt.
alles gute an alle!
auch an nitram retniw!
meine tochter glaubt das muss eine frau sein
sehr verdächtig
vielleicht eine verhüllte
das ist in österreich jetzt verboten
der mond hat sich gestern nicht dran gehalten
bitte lest nitram retniw von hinten
er wünscht euch alles gute!
ich bin noch klein
oma starrt in den stammbaum und seufzt
bei papa bricht unsere linie ab
jedesmal wenn sie so traurig ist
möcht ich dass mir ein penis wächst
im traum ist mir einer gewachsen
er ist in meiner hose
aber er wird und wird mir nicht steif
sie haben ein altes theater abgerissen
sie haben einen ahnentempel demoliert
sie haben den hof ausradiert, wo der urgroßvater geboren wurde
wo sein urenkel hochzeit halten wollte
sie haben das ganze dorf abgerissen mit dreihundert haushalten
und stammbäumen von 400 jahren
und die alten gräber die keiner mehr kennt
sie wollen ein vergnügungsviertel errichten
sie wollen ein kaufhaus erbauen
und noble wohnhäuser
das kann ich verstehen
was ich nicht verstehe
tut was ihr halt tut
aber dass ihr hier wo das dorf der familie shen war
ein großes schild hinstellt
“slumviertel-umgestaltung”
ihr stößt leute nieder
und spuckt auch noch drauf
Kleine Füße
und die kunstvoll
bestickten Schuhe
welche die Frauen
selbst herstellten
galten als
Schmuck und Stolz
der chinesischen Frau.
Bei den chinesischen Frauen
zeigte das wiederholte Verbot
des Füßebindens
durch den manschurischen Kaiser
keinerlei Erfolg.
Gebundene Füße
wurden somit
in Zeiten der Fremdherrschaft
zu einem nationalen Zeichen
des Chinesentums.
Als reine
Frauentradition
brach die Mutter ihrer Tochter
ab dem Alter von etwa fünf Jahren
erstmals die Füße.
Genauso wie
die Herstellung von Textilien
galt es als wichtige Fertigkeit
die Mütter ihren Töchtern
in den sogenannten Inneren Gemächern
vermittelten.
Museumsführer 2013, Übersee-Museum Bremen.
Auswahl und geringe Modifikation eines Verbs:
MW Oktober 2016
June Yang (Yang Yujun) NACHT MACHT MEIN HAUS ZUM PALAST
Nacht macht mein Haus zum Palast.
Narben und Schäden leuchten und strahlen.
Schwellen aus Jade, Mauern aus Seide, Dach als Glasur.
Jenseits der Großen Mauer,
tief im sonnigen Süden,
weit im Westen der Sage,
das oströmische Reich.
Länder und Völker kommt mit Tribut, tausend Arten von Schrift,
lauter Blüten und Kräuter.
Lass mich spielen summen singen,
folg dem alten Qu Yuan,
folg Bo Ya mit der Zither,
Xi Kang dem Musikdissidenten im Bambus,
folg Jiang Kui aus der Song-Dynastie;
dem Tang-Kaiser mit seiner tragischen Liebe,
dem gefangenen Kaiser Li Yu.
Alle Röhren und Saiten,
Schattenduft, Zwetschken blühn;
Pavillon, Turm, Terrasse, Lusthaus im Garten.
Die süßesten Lieder,
die Seitengebäude.
Kein Fürst geht verloren im eigenen Palast,
nur ich verirr mich.
Mancher Fürst sank in Schrift und Gesang und sein Reich ging perdü,
das wird mir nie geschehen.
down by the mountain wall
empty pig trough
sun drinks the water
donkey pen stands next to the trough
no donkeys at all
my mother sits weaving in her own house
her loom rattling on, rattling on.
she weaves and she weaves and she looks at the mountain
there is a woman who says from the wall
“red red rose, time for death, death is good.”
In my dream
they hung me up,
dipped a whip in cold water
to beat me,
so I should confess.
Their question
was tricky:
“Why do you write poems?”
I told the truth:
“I don’t know.”
The leather lashed as heavy rain,
thicker, harder.
Really couldn’t stand it,
so I roared, “Pain! …”
A miracle happened,
the rain stopped.
in der nacht
geh ich raus aufs klo
sehe
die schaukel
an der weinranke
schwingt noch
mondlicht
sitzt
und freut sich
2015
Übersetzt von MW im Januar 2016
馬非 《小时候》
夜半
出门小便
看见
挂在葡萄架
的那具秋千
还在晃荡
月光
优哉游哉
坐在上面
2015
Ma Fei IN DOUBT
Some people say this country
resembles a public toilet.
Some go further and say
it is a latrine.
I am not of the same opinion.
Whenever I enter such a latrine
I feel I am going to
spit out all my entrails.
In real life
I don’t feel this
all the time.
2015
Tr. MW, 2016
Ma Fei ZWEIFEL
manche sagen dieses land
gleiche einem pissoir
andere meinen sogar
es sei eine latrine
ich hege nicht dieselbe meinung
auf einer latrine
hab ich immer das gefühl
ich spucke alle innereien heraus
sonst im leben
ist das
nicht immer so
Dog poems,
even if they are good ones,
I’m not going to write them,
after my wife said,
“once our son
has left for college,
we’ll get a dog too.”
2016
ENTSCHEIDUNG
hundegedichte
auch wenn sie gut sind
werd ich nicht schreiben
nachdem meine frau gesagt hat
“wenn unser sohn
weit weg auf der uni ist
dann nehmen wir
uns auch einen hund”
my feeling against The People
comes from my childhood,
from the movies I saw.
those guys on the screen
they always killed
in the name of the people
one time they shot
the father of a girl I was fond of
the girl was so desperate
she saw no way out
drowned herself in the river
2016
DAS VOLK
meine abneigung gegen das volk
kommt aus den filmen
aus meiner kindheit
auf der leinwand
haben sie immer
im namen des volkes
leute getötet
einmal
wurde einer erschossen
der war der vater
eines mädchens
das ich gern hatte.
sie war untröstlich
sah keinen ausweg
und ging ins wasser
Concerning the end of a tv drama,
I had an argument with my wife,
it got rather intense.
The revolutionary cadre,
about to take leave from this world,
trembling while reading his file,
secretly printed out by his son,
saying: “You all take a look,
my whole life is blameless
not one little blemish!
I am happy, I am content.”
Then he dies with a smile.
And I ruined it and said:
“He should have been in agony!”
obwohl man sagt
leben ist endloses ertragen
manchmal kann man es nicht mehr halten
würd ich nicht schreiben
für umleitung sorgen
müsst ich explodieren
obwohl ich durchs schreiben
erst richtig erfahre
leben ist endloses ertragen
This summer in Xiaozhai in Xi’an,
on a pedestrian bridge.
A friend from college,
my former girlfriend,
she took my picture but didn’t know it.
Only later she went through her mobile.
She sent it to me, then I realized,
we had been there at the same time,
but missed each other.
She took a photograph of a beggar,
I was in there by accident.
You can see on the photo,
I passed the beggar,
gave him no money.
2015
Tr. MW, 2016
Ma Fei VERPASST
im grad erst vergangenen sommer
xiaozhai in xi’an, eine fussgängerbrücke
dort hat mich meine frühere freundin
und studienkollegin fotografiert
sie hat es zuerst nicht gewusst
später in ihrem handy hat sie mich entdeckt
mir das foto geschickt dann habs ich erst gewusst
wir waren gleichzeitig am selben ort
und haben uns ausgerechnet verpasst
sie hat einen bettler fotografiert
mich dabei zufällig auch aufgenommen
auf dem foto sieht man
ich geh an dem bettler vorüber
und geb ihm kein geld
Tu Youyou received her Nobel
in Stockholm
Biology prize or Medicine prize
and thanked them
on China Central Television
they didn’t air her for long
but I started sweating
I was afraid
the speaker would blurt out:
“This is another victory
for the working masses’ wisdom
of the Chinese people.”
If it was a victory for Chinese medicine,
I guess
that would be ok.
an einem tag
unterwegs
im bus
beim abendlichen spaziergang
haben drei leute
wie ausgemacht
mich dasselbe gefragt:
“da ist etwas in der luft,
es stinkt, riechen sie das?”
ich sag jedesmal
“meine nase ist entzündet”
wie ausgemacht
haben alle drei nicht nur neid im gesicht
sondern antworten auch noch dasselbe:
“entzündete nase haben ist gut!”
tief in meinem traum
hat mich jemand leise erwähnt
ich spitz die ohren
hör nur einen satz
aber das ist genug:
“dieser kerl ma fei
ist ziemlich stolz.”
ich bin gleich erleichtert
und kicher sogar
das war gute nachrede
jedenfalls
für einen dichter
ich glaube nicht
dass der schornstein
der hinter der statue
des dichters Du Fu
in dem ort wo er lebte
fröhlich paffend
schwarze wolken ausstößt
böse absicht ist
im gegenteil
er meint es gut
es ist eine aktion
er will kontrastieren
kontrastieren und stärken
die sorge des dufu
um sein ganzes volk
dieser klassische ausdruck
das ist ihm gelungen
2016
Ma Fei ART PIECE
I don’t think
the smokestack
spouting
clouds of dark smoke
behind Du Fu’s statue
in the town where he lived
was put there with ill will.
On the contrary,
I think it is well-intentioned.
It is a performance,
they want to contrast and emphasize
Du Fu’s great sorrow
for the land and the people
that classic expresssion
it shows very well
April 15, 2016 in Vienna. #Schutzbefohlene *
Spring is a wonderful season,
trees spilling their green.
Some are cut, some are planted.
Downstairs across they are planting a park,
used to be train tracks.
Last year we had refugees at the station.
Spring is a wonderful season.
They said it was 90,000 people or so
in all of Austria,
mostly in a few months,
who wanted to stay in this country.
Ten times more went on to Germany.
So many people wanted to help.
Train workers, even police.
Volunteers, often more than enough.
We live in the neighbourhood.
My daughter Maia went down to play with the refugee children.
After a while she knew the volunteers.
It was safe.
The refugees staid down by the station.
Some people from our house took in refugees.
There was discussion to use the shop,
the empty shop downstairs in this new house,
for refugee quarters.
Just for the winter.
That shop has bathrooms and everything.
But then they closed down at the station.
It was in December.
They took them with buses, they said, from the border.
On to Germany.
If you said you wanted Germany, they let you in.
They were building a fence.
So in December, the station was empty.
Maybe Mid-December.
No quarters in our house.
But people still coming in.
Coming up through the Balkans, used to be Yugoslavia.
In early January we played Tarot down in the library.
We have a library in our house.
And we play cards, for a few pennies.
On Friday nights.
We have had readings, and even theatre.
Gudrun and Peter, they built a stage.
Downstairs in the big common room.
We had a night reciting Bob Dylan.
Down you masters of war.
But then in January, there was Cologne.
In Cologne at the train station, on New Year’s Night.
Hundreds of women harassed.
Raped, one or two.
Many foreign men there at the train station.
Not enough police, or police doing nothing.
We should discuss this, one of us said.
We had been playing cards.
What is there to discuss, there ‘s not much in the news.
Maybe social networks did play a role.
I want to discuss this.
These refugees becoming a problem.
What is there to discuss, there’s not much in the news.
These refugees becoming a problem.
A discussion is stupid, without any facts.
So one of us went away in a huff.
Later I was away, I was in China.
In southern China, a poetry trip.
From southern China to Southeast Asia.
Self-organized.
The year before they went to Vietnam.
Wrote some good poetry.
Vietnam wars in the background,
including China attacking Vietnam.
And other stuff, daily life.
Morning routine.
This year I went with them through Southeast Asia.
Poets from all over China. 16 or 17.
One or two guides.
Guides of Chinese extraction.
Thailand, Singapore. And Malaysia.
Then back to Nanning, to southern China.
Poetry meetings, almost every night.
Sometimes more.
One time in the airport.
Plane was delayed, nothing better to do, call a poetry meeting.
Poems written there on the road.
Yi Sha has this dream, before every border.
Dreaming they won’t let him through.
Normally he writes down all his dreams.
Makes for good poetry.
But not this time, he was afraid.
Only when we were safe in Malaysia.
They had a crackdown, in Kuala Lumpur.
There was an attack in Indonesia.
Muslim majority in Malaysia, too.
If the father is Muslim, the child has to be Muslim.
Not Chinese or anything else.
It was not like this before.
At least according to our guide.
They have elections and a Sultan.
Or they call him a King, at least in Chinese.
It’s a beautiful country.
Tribes in the woods.
Our guide lived with a tribe for a week.
For a project at university.
She was very young, has a small child.
She speaks Fukien Chinese.
Mandarin with the tourists, of course.
Liked to talk about sex.
Malaysian men with many wives.
Just a few Muslims, who can afford it.
On February first, I came back to Austria.
Refugees still coming, though not so many.
News had been shifting.
Creating a climate against refugees.
We put a limit on loving our neighbours.
That was a poster.
The foreign minister, he’s very young.
The interior ministress.
She’s not there any more now, she’ll become governess.
Governor of Lower Austria.
And the candidate.
Their candidate for Federal President.
President is just a figurehead here.
Like in Germany.
In Germany, he is elected in parliament.
So he is from the majority party.
He or she.
In Austria, everyone votes for the President.
Everyone should.
Everyone is automatically registered, every citizen.
Nowadays you can vote in advance.
Local district office.
Ballot per mail, or there at the office.
That guy for limits on loving your neighbour won’t make it.
He’s trailing far behind in the polls.
But his policies are federal policy.
They let that happen, the Social Democrats.
They are the majority.
But they let it happen, they are just like the rightists.
News had been shifting.
These refugees becoming a problem.
Some Social Democrats work with the Rightists.
Those other Rightists.
That Freedom Party.
Some Neo-Nazis.
Some Neo-Nazis cling to this party.
Some were just Liberals.
In the 1980s they were for joining the European Community.
Anyway now they are shameless Rightists.
Austria should not be ashamed, they proclaim.
Including old Nazis, including SS.
And Social Democrats think they should work with them.
But they are trailing, the Social Democrats.
Maybe their candidate will fall behind,
though not as far as the one with the limits.
They are far behind, both of them.
Three candidates are in front.
Front-runner is from the Green Party.
They always were for refugees.
And there is a woman.
Not from a party.
A former judge.
Liberal views, for the economy.
Definitely not from the Left.
Those two were leading.
But Freedom Party candidate is closing up.
No, he doesn’t say we are all Germans.
Though he says many things.
Austrians first, don’t be ashamed.
Don’t be ashamed of anything.
Works better than just talk about limits.
So I’ve voted already, ten days in advance.
I’m afraid.
That Freedom guy is worse than Trump.
Similar causes why they are so popular.
Austria is very small.
President is just a figurehead.
But I’m afraid.
Austria becomes Hungary.
Headline in Switzerland, two days ago.
Rightist government, fences.
Italy protesting, not only Greece.
Against Austria, in the EU.
EU has been weak.
Rightist reactions in Eastern Europe.
Rightist rhetoric against refugees.
From Social Democrats, some of them.
EU is weak, was very weak in the Yugoslav wars.
Mid-April sun is shining outside.
Spring is a beautiful season,
trees spilling their green.
Some are cut, some are planted.
Downstairs across they are planting a park.
Martin Winter
April 15, 2016
*Schutzbefohlene means people placed under protection. It is the title of a play by Elfriede Jelinek, the Austrian author who won the Nobel prize for literature in 2004. She wrote the play in 2013. It was performed, by refugees, at University of Vienna on April 14, 2016, when a group of rightists stormed the stage. They sprayed red paint and reportedly injured performers, including children. I wrote the long poem above on Friday morning, April 15. I had not been at the performance and knew nothing about the incident before my text was finished. But I think my text works as background reading, at least.
martin winter LASST FA UND MI UND IHR TEAM NICHT MEHR ARBEITEN
lasst f und m und ihr team nicht mehr arbeiten
steckt sie in einen lastwagen
schmuggelt sie durch bis nach nordkorea
dann lasst sie stehen
ganz ohne papiere
vielleicht noch ein erdäpfelgulasch
eine portion powidltatschkerln
ein paar buchteln
platzki
dann sollen sie sich durchschlagen
mit versteckter kamera
die wird wahrscheinlich bald konfisziert
also gleich ohne
und ohne handy
vielleicht ein bisschen chinesisches geld
oder ist das zuviel
an mindestsicherung
Xiang Lianzi HOW TO STICK GOLD ON A BUDDHA IN THAILAND
Dodging the rain to get into the temple,
an attendant hands me a small piece of
gold foil.
I think this is like in the shopping centres;
they hand you a discount sticker at the entrance,
so I stick the gold foil next to my heart.
“You cannot stick gold on yourself!”
I am reminded,
you have to stick gold on the Buddha.
Wherever something is wrong,
where you don’t feel well,
you put the gold on that part of the Buddha,
and pray for protection.
So I take the foil from my chest
to rub it on him at the same spot.
On the battlements of Malacca,
our guide told me (she is Malaysian of Chinese extraction)
there is a provision in their constitution:
Malaysian Muslims can have four wives
and screw them at once any way they please.
But Chinese can’t do that,
she said with a smirk.
But then Chinese men must use their cannons,
I told her at once.
people are slow here
says our guide
you have to get used to them
then it’s dark in a jump
and the moon climbs very fast
to her highest position
guess she is happy
to serve Chinese tour groups
so these few years
she runs faster and faster
January 2016
SLEEPING PALACE
actually the palace is very still
tourists stream in and out
serious people stay in their pictures
the palace is sleeping
in history
Bangkok, January 2016
IN THE EMPORIUM OF PRECIOUS STONES
In the emporium of precious stones
there is a smoking room,
looks a bit like a prison.
Men who need separation
quietly gather,
with their heavy hearts
just for a short spell;
then go on buying things.
January 2016
TRANSVESTITES IN THAILAND
“Some are half-demon,
half-demon, half human.”
I am sure our guide is a man.
He is open-minded, just like his country.
“We in China this, China that …”
I wish his China was a real country.
MW January 2016
VACATION
Let us go diving into the deep.
Last year in August
someone in Tianjin
said one thousand people had died.
He was put in jail.
Let us go diving.
Elections this year in Taiwan,
first female president.
Let’s go now, let’s go.
These few days
someone gave an interview
voice of freedom or something.
Said the city he lived in
was not free,
autonomous region was not autonomous.
Let us go diving now.
He got fourteen years.
He wasn’t the first.
Let’s go now, go.
There’ll be other things
planned for the afternoon.
January 2016
SHE HAS TO BE PERFECT
In Singapore
we have a new guide.
Her name means “swallow”.
She explains about their laws.
Sounds a bit like Thailand
talks about Buddhism.
“You have to be careful,
you can’t just sit down anywhere.”
We get in very late
but we still call a reading.
Across the street from the hotel
you can sit outside,
you can even smoke.
Long as you don’t toss the butt.
When you order a beer,
one bottle per person may be too much.
Where is the moon?
In Singapore
she obeys the law to the letter,
otherwise they beat her behind.
She steps out of the clouds
in her most perfect poise.
January 2016
POETRY READING IS GOOD
Poetry Reading’s good,
Poetry Reading’s good.
In our New Poetry Canon, people’s dignity is high.
System clique’s in the dregs,
state-sanctioned writers scurry with their tails between their legs!
January 2016 (to the tune of Socialism Is Good)
MOSQUE & CASINO
Mosque and casino
both have Adam and Eve.
The casino in Singapore
at the Botanical Garden
greets you with Dali and with Botero.
Botero’s sculptures Adam and Eve
at the gate of the casino.
What would the artist think of this sight?
Art is a rather ambivalent thing.
Poetry makes you a better person?
The mosque in Malaysia’s government district
is a sight to behold.
I am folding my hands.
An old lady asks me if I am a Muslim.
I just bow and keep silent,
so she lets me go in
and helps me taking pictures.
She sees I don’t know how to pray
so she gives me a folder and tries to explain.
There’ll be prayer time in forty minutes.
Men at the bottom, women up there.
She hopes I can make it.
The folder says
Adam and Eve were also Muslims.
Adam was the first Prophet.
The Mosque has Quran editions in English.
I flip through a section.
Allah bestows many signs on mankind.
Sleep is also a sign,
along with creation
and languages and different colours.
We haven’t had enough sleep on this trip.
Soaring up with my eyes,
I think being a Muslim is good.
I know why it’s forbidden to make any idols.
Half an hour later we are drinking beer.
I am still a believer
in beauty in art.
Poetry and art are signs of Allah.
January 2016
HEROES’ MONUMENT OF MALAYSIA
Was it a glorious thing when they died?
Did they go to war
for peace and freedom?
In World War I
In World War II
In civil war
they hardly had any choice.
In 1966
Malaysia’s prime minister had them erected
a park of monuments.
They already had one from World War I.
With names from Europe, also from India.
Probably officers.
To make this park for all those who died,
all those who gave their lives in the wars.
In 1966.
I was born in that year.
Maybe this monument
was a good idea.
January 2016
COMING BACK FROM ABROAD, LADEN WITH TREASURE
Coming back from abroad, laden with treasure.
Thanks everybody!
Thanks to Rong Bin,
to Niu Yihe, to 3A.
Thank you, Li Zhenyu.
You said my diarrhoea
was as fast as my poetry.
Thank you, Benben.
You made me eat Durian.
Thank you, Jun Er.
You bought me beer.
Thank you, Xiang Lianzi,
you offered me coffee.
Let’s all thank Jiang Tao
helping us to get back on the bus.
Thank you, Gao Ge
you helped me smuggle pillows.
Thank you, An Qi,
you helped me buy a mattress.
Thank you, Ru Ye,
we slept in one bed,
you recited erotic poetry for me.
Thank you, Xing Hao.
You sang praise to my body hair.
Thanks everyone for beautiful poetry.
Let’s say thanks to our guides,
A Fu and A Ping, Ms. Yan, Ms. Chen –
and on our last day
Mr. Chen, who had studied in Canada.
They taught us how to speak,
how to say thank you.
Kap kun ka – your credit card is empty.
Dai ni ma kan xi – take your mom to a theatre.
Our guides taught us history
and facts about Chinese minorities.
The Chinese platoon #93
in the Golden Triangle.
The Singapore Church of The Law.
Their story of independence.
The state of Malaysia,
elections and tribes.
Thank you, Yi Sha!
We had so many readings.
We broke every record.
We come back from the south,
laden with treasure.