Jiang Xuefeng
IM FUTIAN-TEMPEL GEBOREN
Ich bin im Futian-Tempel geboren.
Das heißt nicht, dass ich von Geburt an
ein Mönch war.
Der Futian-Tempel ist am Futian-Deich,
ein Tempel aus der Song-Dynastie.
1965, in meinem Geburtsjahr,
hat man die Mönche hinausgetrieben.
Wer nirgendwo hinkonnte und noch zurückkam,
konnte höchstens für Schüler die Glocke läuten,
nicht die Klapper schlagen, den hölzernen Fisch.
Der Futian-Tempel wurde die Futian-Volksschule,
mit meiner Mutter als Direktorin.
Die große Buddha-Halle war ein Klassenzimmer,
was ringsum zum Kloster gehörte,
dort wurde Korn angebaut für die Schule.
Am Kindertag, dem 1. Juni,
für jeden zwei Dampfbrötchen aus dunklem Schrot.
Ich wurde im Schlafsaal geboren,
gleich rechts wenn man in den Tempel hineinkommt,
abgetrennt aus dem Fastengebäude.
Ich weiß noch, vorm Fenster waren Gemüsebeete.
Saubohnen, Gurken, Auberginen,
alle noch nicht so gut geraten wie ich.
Vorletztes Jahr war ich wieder dort,
ein alter Mann hat mich gerufen, wie damals als Kind.
Ein Herr Lei, damals der Dorfparteisekretär.
Er hat den tausendjährigen Osmanthusbaum zerstückelt.
Seine Tochter hat Pestizide genommen,
seine Frau ist verrückt.
Er ist jetzt Laienbruder.
Ich bin im Futian-Tempel geboren
und der einzige Mensch auf der Welt,
der für ihn ein Gedicht schreibt.
Aber bis jetzt hab ichs auch nicht geschafft,
den Osmanthusbaum wieder lebendig zu schreiben.
Übersetzt von MW im November 2017