Der Hirte Tashi hat die ganze Nacht nicht geschlafen.
Er muss Kühe und Schafe in den Windschutz bringen.
Auf der Schulter hat er ein großes Lamm,
das nicht weiter kann.
Sein ganzer Körper ist silbrig weiß,
Mütze und Haare sind zusammengefroren.
Der Wind ist so stark,
Tashi taumelt über die eisige Erde.
Bevor es hell wird, ist es am kältesten,
er muss die Tiere in Sicherheit treiben.
Die Vorfahren
sind auch heimgekommen zu Mondneujahr.
Auf dem Schnee Spuren, die nicht mehr da sind.
Opas Schneeschuhe mit Strohfutter.
Omas “4-Zoll-Silberlotos” für eingebundene Füße.
Auf dem Schnee
steht eine Zeile:
“Wang Herbstrot, ich …”
Bis zu Mittag
ist der Schnee um die drei Punkte
irgendwie schneller
geschmolzen.
Am Nachmittag komm ich wieder vorbei,
rot und ich sind verschwunden.
Bleibt nur der Familienname Wang
und die Hälfte vom Herbst.
Ich schwing meinen Stift,
hock am Schreibtisch,
blas meinen Chef auf.
Der Neffe bläst die Suona
bei der Hochzeit, beim Begräbnis,
mit vollen Wangen so stark er kann.
Ich sag: “Bläser sein
ist gar nicht so leicht.
Ich blas Kleines groß,
ich blas Schlechtes gut,
ich blas Böses heilig,
bis ganz gute Augen
auf einmal blind werden.”
Der Neffe sagt: “Ah,
Onkel, wenns dus schwer hast,
ich habs sicher schwerer.
Du sitzt in der Stube,
brennst nicht in der Sonne,
spürst keinen Wind,
wirst im Regen nicht nass.
Aber beim frohen oder traurigen Anlass
obs stürmt oder regnet,
ich muss draußen blasen.
Ich bin zwar noch jünger
aber überall zwickts mich.
Einmal in Wuxiang im Tal von den Wangs,
hab in der Nacht bei den Gräbern geblasen,
auf einmal schneits große Flocken.
Mir war so kalt,
ich hab mich ins Grab gezwängt
und hab mich eingerollt bis in der Früh.”
Schnee schluckt die Spuren der Nacht.
Ein Landstreicher
und ein streunender Hund
kauern sich
unter eine aufgegebene Brücke.
Sie haben nur ein bisschen Maisstroh
im kalten Wind.
Sie gehören nicht zusammen,
sind aber schön langsam
nicht mehr vorsichtig,
lehnen sich nur aneinander
um sich zu wärmen.
Im jadegrünen Lotosgarten
flattern lauter Spatzen zwischen den Blättern.
In meinem Kopf
und in den Bildern die ich kopiert hab
sollte bei Lotos ein Eisvogel sein.
Yi Sha sagt,
hier siehst du Adel und Schuster zusammen.
Volksmusik strebt auch nach klassischem Frühlingsschnee.
Onkel Zhao
sagt gleich
Genau!
Die Schwalbennester in meinem Dach,
heuer sind lauter Spatzen drin.
Die letzte Klasse. Daudet. Seine Muttersprache. Chinesisch.
Aber keine Invasoren. Es ist nur.
Er muss in die Rente. Mit seinem Handy
Online-Klasse für Völker in China.
Mit Uighur*innen, Kasach*innen, Hui, Yi und Mongol*innen sprechen. Über
Joyce und Die Toten. Nicht erwähnen,
dass das der Endpunkt ist. Für seine Laufbahn als Lehrender. Nur dass
am Ende der Erzählung Schnee fällt. Dass sie darauf achten.
Schnee fällt überall. Auf die Lebenden und auf die Toten.
Das ist so gut, das will er immer wieder lesen.
Jedesmal spürt er, dieser Abschnitt ist ein Gedicht.
Schönheit des Flusses der durch die Stadt geht mit hohen Häusern am Ufer
Schönheit der Wolken die langsam vorbeiziehen vor Fensterwänden im leeren Cafe
Schönheit von Baumkronen im dichten Wald egal ob von oben oder von vorn
Schönheit des Verkehrs in der Nacht auf der Brücke
Schönheit der Sterne auf dem Bildschirm auch auf dem Bildschirm der Himmel ist schön
Schönheit des Windes den du nicht siehst im Frühling von vorn von oben im Herbst
Schönheit des Regens der prasselt auf Köpfe auf Autodächer der vor den Wischern rasch zurückweicht
Schönheit wenn Ketten am Hals an den Händen im Kopf aufgehen
Schönheit die schwankt vom Licht in der halbvollen Teetasse oder natürlich
auch manchmal im Whiskey
Schönheit der Zeichen die vom Pinsel fließen oder die springen von der Tastatur
Schönheit wenn Poesie verschwindet, und du der Wiedergabe nachjagst
Schönheit von abgeriebenen Holzschüsseln
Schönheit im Traum im Traum sich winden egal in welchem Traum dann steigst du auf und fliegst wieder zurück
Schönheit von Zigaretten die brennen im Nichts und ihre einzelnen Schreie
Schönheit von Katzenspuren im Schnee oder von anderen kleinen Tieren
Schönheit des Kriegs der alles vernichtet
Nein! Scheiß auf den stinkenden Krieg in dem alles nicht mehr existiert
Unterm Zwetschkenbaum
im Tempel Gaofeng sitzt mein Sohn.
Er bückt sich,
nimmt ein paar abgefallene Blüten
und ruft:
“Schneeflocken sind tot!”
Ich deute ihm,
er soll leiser sein.
Der kleine Kerl steht vom Boden auf,
reißt die Maske runter
hängt sich an meinen Hals
und flüstert:
“Hast Du Angst,
dass der Berggeist
hört, wenn ich zornig bin?
Und diese Leute,
die immer knien,
warum können sie nicht
einmal heulen und klagen?”
Heuer schneit es sehr spät.
Heut früh ist die ganze Stadt weiß.
Ich geh mit Mama zum Morgengebet,
in der Kirche sind nur ein paar alte Frauen,
die murmeln mit gesenkten Köpfen.
Eine Alte steht da
mit großen Augen und weißen Haaren.
Sie schaut mich an, stumm.
Dann sagt sie, ich seh wie ihr Sohn aus.
Sie sagt, ihr Sohn sei vor ein paar Tagen gestorben.
Sie sei hier, um zu beten.
Sie wolle mir ein Geheimnis anvertrauen.
Sie macht ein geheimnisvolles Gesicht.
Ich beug mich zu ihr.
“Heute ist ein Weißes Begräbnis!”
Sie schaut sich um
und schließt die Augen.
Mir kommt es so vor, als wollte sie sagen,
“Gott ist gestorben.”
Ich schau in mein WeChat
und ruf aus dem tausende Meilen entfernten Süden
meinen Vater an.
“Bei Euch ist es so schön,
alles weiß,
wie als ich klein war,
möcht gleich zurückfliegen!”
“Dein Großonkel ist gestern abend gestorben,
gefrorener Boden, die Strasse ist eisig,
es ist niemand da, um den Sarg zu tragen.”
Stille Klause in Zhanjiang, Januar 2022
Übersetzt von MW im April 2022
Zwei Tage verhüllt und verrührt Himmel und Erde der gelbe Wind,
das ist der Sandsturm, der Staub und der Smog.
Am dritten Tag erbarmt sich der Regen,
zuerst einen Tag Nieseln,
dann einen Tag mäßiger Regen,
dann drittens Schneeregen.
Nach dem Mittagessen weht dichter Schnee,
zu Mittag drehen alle die Scheinwerfer auf.
Und am vierten Tag klarer Himmel zehntausend Meilen.
Auf einem Hang Pfirsichblüten am Föhrenwald.
Vor elf Jahren hab ich mit lahmem Fuß
13 Stämme gezählt.
Jetzt zähl ich dreimal, es sind vierzehn!
Mein Hirn war elf Jahre lahm!
Das Qinling-Gebirge
im silbernen Schnee.
Kleiner weißer Weg,
eine Wildspur
schräg darüber.
Im Reif am Wegrand
ein Haufen Müll.
Trinkflaschen, Esstaschen
wirr durcheinander.
Snow has fallen,
the compound is clean and still.
A cat slinks out
along the wall
looking for something.
It is very light,
but the sound-sensitive lamp
above the door
goes on.
In diesem Winter
ist Xi’an ein Märchenland,
kalt und still.
Menschen werden zu Höhlenbewohnern,
verkriechen sich brav in warmen Löchern,
draußen ist Schneesturm.
Vor jeder Höhle steht ein Eisbär
unter einem Schirm
und verschmilzt mit dem Hintergrund.
nach dem schnee
fällt das laub langsam herunter
vogelnester werden ganz sichtbar
in den platanen am strassenrand
da sind drei oder vier
ungefähr gleich grosse künstliche nester
At the beginning of the 1990s,
this town where I am
didn’t celebrate Christmas.
The college I teach at,
the foreign studies university, did.
Every class had their parties,
students and their foreign teachers.
Christmas carols in foreign languages,
wafting out from the classroom windows,
singing in harmony with the snowflakes,
whether it was snowing or not.
I stopped and listened,
feeling culture and beauty
closing the fresh wound in my heart.
Am Anfang der 1990er Jahre
hat die Stadt wo ich war
Weihnachten nicht gefeiert.
Die Uni wo ich unterrichtet hab,
eine Fremdsprachenhochschule, schon.
Parties in jedem Fach, jedem Jahrgang.
Studenten mit ausländischen Lehrkräften
singen in Fremdsprachen Weihnachtslieder.
Es weht aus den Fenstern des Lehrgebäudes,
klingt in Harmonie mit dem Schnee,
ob es schneit oder nicht.
Ich bleib stehen, hör zu,
spür Schönheit, Kultur,
das heilt meine frische Wunde im Herzen.
Übersetzt von MW am 24. 12. 2021
Merry Christmas! Click on the link to read more poems by different authors in Chinese.
im ersten jahr mittelschule mit 12
in der nacht hats geschneit
in der früh muss ich
sechs oder sieben kilometer gehen
den berg hinunter zur schule
ich habe keine gefütterten schuhe
meine großmutter nimmt große bambusblätter,
wickelt die alten gummischuhe,
die ich trage,
wie man reisdreiecke wickelt,
und bindet sie fest mit spagat.
das gehen war mühsam
durch den schnee auf dem berg
aber als ich ankomm in der schule
ist mir den ganzen tag warm.
An einem Fluss innerhalb der Stadt
auf einer Lichtung in einem Wald
seh ich eine Lampe mit einem Schirm
die ist von einer Freundschaftsstadt im Nachbarland,
ein Geschenk an diese Stadt.
Sie ist schon sehr alt,
geliebt und beschädigt
und nach der Versöhnung,
was wird noch wieder gut?
Ich war klein.
Eines Tags hat es groß geschneit.
Ich hab draußen vor der Tür
einen Schneemann gebaut,
mit schwarzen Knöpfen
als Augen.
Am nächsten Tag in der Früh
bemerk ich ein Knopf ist weg,
als wär er ganz von selbst fortgeflogen.
Ich will grad rufen „Einäugiger Schneemann!“,
hab noch nicht „ein“ gesagt,
da halt ich mir schon
den Mund zu.
Denn neben mir
steht
groß und ernst
mein einäugiger Vater.
Rehe sind wieder da,
in Paaren, in Herden.
Dieser Wald gehört eigentlich ihnen,
ich bin nur eine Zeit lang zu Gast.
2020-11-24
Shi Jian, geb. 1962 in Beijing, ging Ende der 1980er Jahre nach Kanada zum Studium, arbeitete dort, ging Ende der 1990er Jahre in die USA, arbeitet in einer internationalen Firma. Schreibt seit 2020 Gedichte in Alltagssprache, hat in Tianjin eine internationale Ausstellung von Photographie und Poesie mitorganisiert. 《新诗典》小档案:石见,1962年生于北京,八十年代末去加拿大多伦多留学工作,九十年代末去美国,于跨国企业任职体验设计总监,曾经从事的工作有纪录片编导、翻译、服装设计师及色彩设计师。
2020 年开始写口语诗,并翻译诗作,是国际跨界诗人沙龙成员,摄影作品和诗作曾经参加2020年中国天津摄影周先锋诗人跨界影展。喜爱旅行、摄影和茶。
Komme in ein kleines Land,
Flussufer endlos am Abend,
Sträucher mit Blüten, in Wellen nach außen
wie Wolken
wie Schnee.
Ich zwick den Bub in die Arme, Beine,
er hat hat sehr wenig an.
Dein Papa hat schon
Bleistifte und Hefte
in deine Schultasche gepackt.
Wir sind am Äquator,
auf der Südhalbkugel.
Kommen wir zweimal im Jahr,
feiern wir zweimal Neujahr.
Zweimal im Halbjahr
heißt zweimal zwei Neujahr.
Und Hitze zu Neujahr!
Übersetzt von MW im März 2021
Hai Qing, geb. in den 1960er Jahren, Avantgarde-Dichterin, Erzählerin, Fotografin. Fabriksgedichte 1986-1996. Zahlreiche Publikationen in mehreren Sprachen. 《新诗典》小档案:海青,六零后先锋诗人,写小说,摄影。诗作发表或入选《新世纪诗典》,《当代诗经》,《山东文学》,《当代传世诗歌三百首》,《诗探索》,《流派诗刊》,《中国诗影响》,《中国当代诗经》(韩国,双语),《中国女诗人先锋诗选》2018年,2019年卷,《舌尖上的诗——中国口语诗年鉴·2019》等选本刊物,及多个公众号。部分诗歌被翻译成英,韩,德语等。有工厂组诗《大俗的年代——1986—1996》。纽约新世纪出版社出版,中文无限制长诗诗集《梦境》和中韩双语诗集《花落的方式》。
Sechs Lehnsessel auf der Terrasse
im kalten Wind,
der Winter kommt,
sie ziehen den ersten Schneemantel an;
sitzen ordentlich, säuberlich aufgereiht
um den schneebedeckten Steintisch
zur großen Winterbesprechung.
Die Sonne sinkt in eine
riesige weiße Wolke
wie ein leuchtender Schnabel
der den ganzen Himmel mitschleppt
südwärts über die Schneefelder
dann hineinstößt ins Yin-Gebirge.
Die Nacht wird geboren, das Nachtgestein
die schwarzen Bäume
der Vollmond
ein unausgebrütetes
Ei.
29. November 2020
Übersetzt von MW im Februar 2021
Kleine wilde Chrysanthemen
springen überall auf.
Aber sie überstehen
den ersten Winter nicht.
Wenn die Schneeflocken blühen und den Himmel erfüllen
stickt Mutter Faden für Faden
rote gelbe lila blaue Blumen
in unsere Polsterüberzüge
von uns vier Kindern,
jede voll aufgeblüht.
Großer Schnee, großer Schnee, der kleine schwarze Hund, hast Du ihn weiß gemacht?
2021-01-24 Übersetzt von MW im Februar 2021
Wei Shitong, weiblich, geb. 2014, Kindername Doudou, kommt aus Tianshui in Gansu. Mag Malen und Schreiben, geht in die erste Klasse Grundschule.《新诗典》小档案:魏诗童,女,2014年出生,小名豆豆,甘肃天水人。喜欢画画和写字,现就读于天水市实验小学一年级三班。
On the green levee at dawn
three white sheep appear
turning their lovely heads
and in a daze I seem to see
a moving grassland.
Amazed at this site in front of me
I walk closer to see
two girls
walking three snow-white dogs.
Nach über einer Stunde ist er aus dem Schnee 300 Meter tief im Abgrund auf die Straße geklettert. Ein Bagger ist gerade vorbei gekommen. Er hat die Hand mühsam gehoben, mit abgefroreren Fingerspitzen. Der Bagger hat Schnee geräumt. Er hat ihn zu einer Radarstation in der Nähe gebracht. Bei dem Unfall haben am Ende 28 von 44 überlebt. Auf dem Bagger hat er erst erfahren, der Fahrer ist hierher geschickt worden, um Schnee zu räumen, aber er hat den Bagger davor überholt. An einem Abend über 20 Jahre später stellt der Bruder die Bierflasche hin, nimmt ein paar Finger ohne Nägel zum Mund und bläst als wär die Schneedecke noch nicht geschmolzen.
16. August 2020 Übersetzt von MW im September 2020
In den 1970er Jahren stand Andrej Sacharow Jahr für Jahr am 7. November am Puschkin-Platz vor dem Denkmal des Dichters im Schnee. Die Silhouetten von Sacharow und von Puschkin haben sich im Schnee überlagert.
Schnee, Schnee fällt am 7. November vor der Statue, eure Figuren, Puschkin und Du aufeinander im Schnee, endlose Stille. Du hörst auf dich selbst, auf den Schnee.
Du stehst im Frost, in der Weite des Schnees. Sonne friert im Wasser, Wasser friert im Licht. Vom Glitzern des ersten Strahls zum Waschen der ersten eisigen Welle.
Du stehst, von Schnee zu Schnee im tiefen Schnee, aus dem Du nicht heraussteigst. Obwohl Wege im Schnee nach Osten und Westen unter Deinen Füßen nicht enden, obwohl
Puschkins Augen wieder auf Deine treffen, sieht er Dich nicht im strahlenden Schneelicht. Was aus dem Schnee kommt, bleibt im Schnee. Im Schnee begraben, Dein Opfer im Schnee.
Von Wasser bleibt in der Sonne nichts über als brennender Glanz, Glitzern trifft aufeinander auf klaren Flächen bis in die Tiefe. Schnee im Licht unverdeckt, Schnee verdeckt nicht,
so wie die Sonne im Wasser jedes Sandkorn herauswäscht, das Licht, das läuft und stürzt aus dem Schnee nichts verschlingt und nicht untergeht im wogenden Strom bis ins Meer. Schnee strömt aus Schnee, Schnee ohne Ufer.
Reinheit am Ende ist auch Vernichtung am Anfang, reiner Schnee wird leicht zu Schneeresten, Schneescherben. Schneetrauer gewandelt und wiedergeboren in Schnee. Schnee flüstert weiter in endloser Stille.
So wie Wasser Sonne zurückbringt, die nicht verwelkt, so bringt Sonne Wasser zurück, das nicht verfließt. Ich hör Deine reine Schwermut im Schnee, ich hör dich, die Dämmerung im Sommer ist die Weiße Nacht.
The woman inside pushes with all her might but cannot open the door to her man outside, whose eyebrows are white. He pulls up his legs from the snow and tries to walk on. Looking back he sees on the roof how his wife climbs out of the smokestack. The whole Northeast has added three feet.
From the foot of the mountain all the way to the top no trace of a person, no sound of a bird. Mighty snow made the world very silent. Sky and earth deserted. I hoped to find a companion, even a stranger. But in the season for fires, no furnace was lit. Alone going up, alone coming down, I could only trace my own footprints.
12/3/19 Translated by MW, May 2020
Lan Bing, orig. name Zhao Ruili, from Tianshui in Gansu. Teacher, member of the Half Past Five Poetry Society. 《新诗典》小档案:蓝冰,本名赵瑞丽,甘肃天水人,教师,五点半诗群成员。
Gestern hat es den ganzen Tag geschneit und weiter bis jetzt,
schaut aus als wird es noch weiter schneien.
Ein Mädchen mit Brille
und Mundschutz sitzt im Schnee im Pavillon.
Neben ihr sind keine Fußstapfen,
auch auf den Parkbänken liegt der Schnee ganz perfekt,
wahrscheinlich sitzt sie schon lang.
Sie schaut in ihr Handy.
Dann
lange Zeit
hält sie den Kopf ein bisschen tiefer,
schaut auf den Boden.
Nachher
seh ich, dass ihre Schultern zittern und ihr Kopf auf- und niedergeht.
Sie weint.
Eine Zeit
wird die Kopfbewegung stärker,
sie hält sich mit einer Hand den Mund unter dem Mundschutz zu.
Zur selben Zeit
geht ein Mann in Trainingshosen
mit einem vollbepackten Einkaufswagen am Pavillon vorbei.
Ein Strauß Sellerie schaut heraus,
in den stillen Schneeflocken zittern die Blätter.
Mit 14 Jahren, Mittelschule.
Drei Tage kein Wasser, kein Strom.
Nordwestwind heult.
Dann Schnee, dichte Flocken.
Guo Hongying von unserem Wohnheim
hat ein Waschbecken mit Schnee vollgeschöpft.
Ein paar von uns zusammen,
wir haben uns mit Schnee das Gesicht gewaschen,
dann abwechselnd vorm kleinen Handspiegel
schneeweiße Creme aufgetragen.
Es hat geschneit.
Der alte Liu der keine Frau hat
baut im Hof einen Schneemann
mit einer roten Mütze.
Jemand geht vorbei und sagt
bei Herrn Liu
kommt eine Frau dazu.
Das ist der Endpunkt
meines Streifzugs durch Wien
auf der Straße zwischen
Russendenkmal und Schönbrunn
rast eine Rettung laut auf mich zu
mir gibts einen Stich: sicher ein Patient
mit dem neuen Lungenvirus aus China!
Vor einem halbem Monat
hättest du nie gedacht
jeder Schritt nach vorn
heißt es folgt hinten ein kleiner Bösling
dass eklige Worte
die ganze Zeit mitgehen
Vor einem halben Monat
hättest nie wissen können
wenn du weggehst musst du grad weg
wenn die Pest beginnt
Ich muss bei meiner Familie sein
red jetzt ja nicht vom Heimatland
nach dieser Reise
sind mir die positiven Speichellecker
die von selbst gerührt sind noch ärger zuwider
Lungenvirus in Wuhan, Panik in China
In meiner Gruppe auf meinem Schirm
auf meinem Weg zurück in mein Land
hab ich Angst in den Knochen
die nicht unbedingt nötig wär
heut in der Früh
in unserer Wohnungsherberge in Wien
im anderen Zimmer schreit Yi Sha
durch die Verbindungstür:
„Alkohol wirkt gegen das Coronavirus!“
Haha! Ich muss lachen:
„Letztes Mal bei SARS waren Raucher im Vorteil,
dieses Mal überleben die Trinker!“
Jedes Mal bin ich ein Glückskind.
22. Januar 2020
Übersetzt von MW am 23. Januar 2020
Jetzt hab ich gehört
Alkohol hilft gegen
den Wuhan-Lungenvirus
jetzt bin ich so froh
Wenn sonst jemand mich als Trinker bezeichnet
bin ich nicht amüsiert
wenn jetzt jemand sagt ich sei ein Trinker
lach ich mich ins Fäustchen
22. Januar 2020
Übersetzt von MW am 23. Januar 2020
《酒鬼也有好处》
白 立
刚听到有人说
酒精有抵御
武汉肺炎的作用
我一下子就乐了
平日里有人说我是酒鬼
我会不愉快
现在谁说我是酒鬼
我会偷着乐
Bai Li JEDER HAT EINE ERBSÜNDE, GANZ OHNE AUSNAHME
Als wir jung waren, haben wir jeder einen Ochsen geblasen,
das heißt wir haben geprahlt.
Unser größter Ochse, das war:
Wir sind die Staffelträger
des Kommunismus.
Yi Sha
Auf Wiedersehen, Morgenröte in Wien! Auf Wiedersehen, schönste teuerste Stadt des Planeten! Auf Wiedersehen, vielleicht in fünf Jahren, oder früher oder später; hoff nur, wenn ich älter bin, werd ich noch besser.
In the early 1990s
the city I live in
didn’t celebrate Christmas.
The college I teach at did,
a foreign languages campus.
It was more like each class had it’s own party,
students and their foreign teachers
singing foreign Christmas carols
into the air from the classroom building
and into the sky looking for snowflakes
to sing with in harmony.
I would stop and listen,
feeling the civilization and beauty
patching my still raw wounds inside.
Dreamt I was trying
the biggest criminal case
in all of China.
The face of the guy was a blur,
man or woman, you couldn’t know.
But it was so much money,
so many lives
whirling like blood-red snowflakes
in this dream.
Big snowfall in town.
In an acupuncture clinic,
five doctors in white
sit around drinking tea.
No patients at all.
Outside it’s white far and wide.
One of the white-coats
builds a small snowman
on the window sill
and sticks a needle
in the snowman’s butt.
The white-coats are laughing,
each gets a needle in,
finishing their
work for the day.
majorca feels like taiwan
makes me homesick
at one in the morning
some kind of scent, maybe jasmine
rain
we arrive in a rainstorm
lots of rain next day
tired
sky isn’t dark but it rains
and now there is sun
just a little
and it still rains
then it stops for a while
almost
MW October 2018
MAJORCA 2
first snow has fallen
somewhere in the mountains
it’s still october
we hear it on german island news
in a supermarket
also a tree has fallen somewhere
and caused some damage
half of the supermarket is wine
a pirate statue among the bottles
the roman ruins have a good timeline
local culture peaked around 600 bc
then came the romans
then came keith richards
and diego maradona
in between came the arabs not to forget
we ate pizza at the same place
it was really good
after keith or was it ron wood
came everyone else
wifi still doesn’t work
in our apartment
the air-condition-heating
gives me a headache
the air outside must still be wonderful
two girls swam in the pool downstairs today
maybe the rain stopped for 5 minutes
people swam at the beach
of port alcudia
there was a lifeguard
in a raincoat
it’s a beautiful island
MW October 2018
MALLORCA 3
just a little bit of sun
in the afternoon
on our last day
yesterday we climbed the local hill
hope the goats are ok
a little goat slipped and fell
running from us
got up no problem, mama was waiting
I discovered a bird sanctuary
right next to the big local supermarket
maia carved a pumpkin
jackie cooked a good dinner
we had fun, the four of us
I was sick in the night
and in the morning
Leo too, now he’s fine
we are in the hotel
everyone says the rain is too much
at least it’s not like in the east
people died from the floods
here it’s normal I guess
more or less
we have to pack
and leave early tomorrow
when it’s still dark
als ich frisch verliebt war
wollt ich immer reden
und hab mir geschichten ausgedacht
für meine freundin
eine geschichte
spielt in xinjiang
also im fernsten westen
ein fernbus
hat eine panne
kein dorf in der nähe
schon gar kein geschäft
an der landstraße
aber ein schneesturm
am nächsten tag
wird der bus gefunden
fahrgäste und fahrer
sind eisfiguren
nur ein liebespaar hat überlebt
denn dieses pärchen
die haben sich die ganze nacht
im schneesturm so fest umarmt
und einander gewärmt
meine freundin hat es geglaubt
sie hat immer wieder gefragt
und dann, und dann?
was war denn das weitere schicksal des paares?
der hintergrund der geschichte
war natürlich die zeit
der sechziger oder siebziger jahre
Am Kopfende von Vaters Bett läutet das Seniorenhandy,
es ist ein früherer Nachbar.
Mutter plaudert ein bisschen mit ihm.
Er will Vater sprechen.
Mutter sagt, mein Vater sei draußen spazieren.
Der Nachbar sagt, draußen liegt Schnee.
Mutter sagt, der Schnee macht ihm nichts.
Der Nachbar sagt, es ist kalt.
Mutter sagt, das macht ihm auch nichts.
아버지의 침대 머리에 있는 노인용 휴대폰이 울렸다
예전의 이웃이 걸어왔다
그는 엄마와 몇 마디 인사말을 주고 받고
아버지를 바꿔달라고 하셨다
엄마는 아버지가 밖에 산책하려 나가셨다고 말씀했다
이웃은 밖에 눈이 내린다고 말했다
엄마는 아버지가 눈을 두려워하지 않는다고 말했다
이웃은 밖이 엄청 춥다고 말했다
엄마는 아버지가 추위를 타지 않는다고 말했다
die seele wandert wie ein kamel
manchmal trinkt sie sehr viel
manchmal bleibt sie durstig
sie ist sicher langsamer
als eine schnellbahn
unsere seelen
sind noch in kärnten
Two students write essays
on two people with depression.
A drop-out student and
a teacher who committed suicide.
In my days of course
our essays had no such contents
or focused on any such people.
But also in my 24 years teaching writing
they are the first two.
If you say there’s no progress at all
I’ll get fucking angry.
You guys way up there
you raise your arms high
and cry out in sorrow
for the fate of our nation.
I am responsible for little steps
and some tiny progress.
In Mao times
I think every work unit
had a loose woman.
They have been rehabilitated
since then and in literature
they are not vilified any more
(including my writing).
But where my parents worked,
the zoology department where I grew up
they also had
a broken shoe as they say.
Young male students in tow
throughout the years.
Snatching for foreign novels
just like my mother,
and for Today magazine when it was new.
When I distributed First Line
I gave her bulk copies.
Upper body forever up high,
lower body forever laid low.
More than anyone she lived modernity.
But she had fate at her neck,
for a bad woman bad mother bad wife
there could be no mercy.
My father has visited the department
and brought news about her.
Her husband is ailing,
both sons died from drugs
and she’s going crazy.
After she gets on she keeps watching
a video on her phone.
In the video she sees herself
presenting a show in a mall.
She follows herself to learn her own words,
her voice loud and clear.
She gets close to the door beforehand
waiting to get off.
But when the bus stops
she is very focused on memorizing.
The bus drives on, then suddenly
she cries out,”Driver, stop the bus!”
The bus doesn’t stop.
Her face lights up with a radiant smile.
“Sorry! sorry!
It was my fault! My fault! …”
January 2018
Translated by MW, Jan. 2018
《商场主持人》
她是这辆公交车上
最漂亮的女人
上车后一直拿着手机
在看视频
视频里也是她
在主持一个商场秀
她随着她在背主持词
声音朗朗
她早早来到车门前
等待下车
车到站时
她却背得正起劲
车开出一段后
她忽然叫道:"司机,停车!"
车没有停
一抹灿烂的笑容绽满她的脸
"对不起!对不起!
怪我!怪我!怪我⋯⋯"
2018/1
Yi Sha SNOWFOETUS
Snow has fallen.
All these beautiful snowmen,
they are all over my social media.
In flower beds by the door to my classrooms
I see a tiny and very ugly overturned
aborted embryo.
Purple Jade Garden,
the compound I live in,
has three ways of entrance:
east, middle and west.
Only at the west entrance
they’ve set up a sign with a clock.
Looks like the official time of the compound.
As I’m writing this poem,
it is Tuesday, January 9, 2018, 10 pm exactly.
The time on the sign
is Wednesday, January 10, 2018, 3:20 am.
I have been living here for nine years.
All this time we’ve been ahead of Beijing,
5 hours and 20 minutes.
In these nine years, property management has changed four times.
The clock hasn’t changed.
In these nine years I’ve been afraid
of looking too much at that clock.
Thank god this summer we’re moving.
im xijing-spital
im großen ambulanzgebaude
im großen gedränge
schreit ein mittelalter dicker:
“ich bin kein arzt,
ich bestimme über ärzte!°
ich muss laut lachen
und spüre
man kann ihm verzeihen
sicher hat ihn ein arzt
in den zustand versetzt
Intellectuals of our generation!
Let’s not try to hoodwink the children.
In Albanian movies
we saw kissing and hugging for the first time.
In Romanian movies
we saw the first woman in a bikini.
In North Korean and Vietnamese movies
we saw the cruelty of war,
but they also had romance and song.
Tell the children
only in our socialism
first you’re dirt poor then you starve to death.
oma hält eine schale voll schnee,
geht in den schuppen, kocht ihre suppe
manchmal gibt es nicht viel zu essen, dann kommt die schneeschaufel.
noch einmal schnee in den reis,
es ist guter schnee, gut für drei mahlzeiten.
langsam werden wir großgefüttert.
das war in meiner kindheit.
wenn ich jetzt wieder hinkomm,
schaufelt oma mit hundert jahren
noch immer schnee.
schnee kommt zu ihr,
wie ihre kinder und kindeskinder
aus weiter ferne.
beijing
returned to frost once again
from the plane
I see a thin cover of snow
like a white
chessboard
who wants to play with me?
nobody
I and the sun
a blood-red sinking sun
stare at each other
across the board
11/26/15
Tr. MW, January 2016
Shen Haobo SCHACHBRETT AUS SCHNEE
peking
kehrt wieder zurück in den frost
aus dem flugzeug seh ich
eine dünne weiße schicht
ein weißes
schachbrett
wer will mit mir spielen?
niemand
ich und die
blutrot sinkende sonne
über dem brett
starren einander an
Night of continuous rain.
Rain digging a well
in winter quite a few years ago.
Many years after,
temple bells of Nagoya in whirling snow
dig up the rain in my ears from the well
from that winter.
Then cherry trees bloom.
Then far away in China
fallen leaves wake up in front of a temple.
the bitter winter has arrived
snow and rain all over china
I have cooked a bowl
of white rice from the south
I post it to my friends
telling them
this is our snow
Tr. MW, Febr. 2016
3A SCHNEE AUS DEM SÜDEN
der strenge winter kommt heran
schnee und regen fegen durch china
ich koch eine schale
weißen reis aus dem süden
schick das foto an freunde
sag ihnen
das ist der schnee
aus dem süden
eigentlich kenn ich dich nicht
aber
in dem büro bei meinem studentenheim
war deine tanzgruppe mit welchen von meinem jahrgang
im jahr 15 ganz früh alles liegt noch im frost
eine dünne schicht schnee
am tag 10 nach dem frühlingsfest
plötzlich
viele leute wuseln in panik in eine gasse
brandneue werkstatt, beschichtetes blech
erstickender rauch im engen raum
dein körper ganz klein auf einer tragbahre
ein paar schneeflocken treiben
ein treibendes nieseln
ununterbrochen fahren die wagen
hin und her auf den straßen
alter kerl aus sichuan
pflegt ein grab eines kanzlers der song-dynastie
abgesehen davon dringt keine nachricht heraus
in huichuan an der kreuzung
weint jemand
andere flüstern
noch jemand schreibt für dich:
mädchen — was ist mit dir?
Auf dem Bus an einem Tag mit viel Schnee
stehen zwei Kinder hinter mir,
eingestiegen im besseren Viertel.
Aus ihrem Gespräch
weiß ich sie wollen Schneebrillen kaufen,
von Prada und im Restaurant neben Prada
etwas einschaufeln.
Sie kommen von
Brillen zu Luxuswagen,
dann zu tausend-Dollar-Handys.
Ich seufze schon.
Die Reichen haben gern ihren Willen.
An der Station “Zweite Technik-Straße”
sehen sie jemanden telefonieren
und einer sieht sogar,
der Mensch mit dem Handy
verwendet ein Apple 6.
Und so planen die beiden Kinder
einen Raubüberfall.
Die Ausführung, die Flucht,
etwaige Verfolgungsszenarien,
wie zu reagieren ist –
mit bestechender Logik,
sie denken an alles,
sind wirklich begabt.
Vorbei an der früheren Adresse
der 1. Grundschule Hoch-Neu,
sprechen sie von früheren Mitschülern.
Das Mädchen So-und-so sei zwar hübsch
aber vom Dorf;
der Schüler So-und-so
ein armer Teufel,
die besten Noten nützen ihm gar nichts.
Jetzt dreh ich mich um,
sie sind von einer berühmten Schule in Uniform,
einen halben Kopf größer als ich,
ungefähr 16, 17.
Aus den sauberen Gesichtern
blitzen Durchtriebenheit
und kühles Blut.
Sie schaffen es sicher
auf die beste Uni.
Ein paar Semester in Europa, Amerika
und Doktorabschlüsse.
Ich hab keinen Zweifel
sie werden zu Stützen des Staates
und zucken nicht mit der Wimper
wenn es ans Töten geht.
One call
One pine
One snowy path
The wind in the pine
The pines on the square
The crows in the air
The snow all around
The monument. To end the war.
As futile as easter.
Quite lasting, you know.
The sun from afar.
This post is from Yi Sha’s Sina blog. Iron Lion’s Grave 铁狮子坟 is the bus stop at the east gate of Beijing Normal University 北京师范大学。 White Snow Black Crows Bai xue wu ya 《白雪乌鸦》 is the title of a novel by Chi Zijian 迟子建 that came out in 2012, about a plague outbreak in Harbin 100 years ago that claimed over 60.000 lives. Didn’t know about this novel when I first saw the poem, only after I had translated it. Don’t even know if Yi Sha thought of the novel when he wrote the poem. There was some sarcasm on Weibo about the “new” aircraft carrier in the last two months. Pictures of dilapidated schools in the mountains without even benches to sit on, but the national aircraft carrier is introduced. See also this post by Chinaavantgarde. I recently translated Spring Snow 《春雪》,another poem by Yi Sha that was printed in the Neue Zürcher Zeitung.
Yi Sha became well-known in the 1990s for acerbic remarks on other poets. He has been widely criticized himself. Spring is a time of hope. The Chinese moon year begins with Spring Festival, the biggest holiday of the year. Typically for Yi Sha, this poem sounds rather mundane, laconic and depressing, dashing most expectations connected with poetry. The line “For suicides tomorrow morning” is a little truncated in my German version that was printed in the Neue Zürcher Zeitung (see image). “Für die Selbstmörder von morgen” makes a better rhythm than “Für die Selbstmörder von morgen früh”. In English I wasn’t tempted to leave out the morning. But you could say “dear god/for suicides in the morning/ let it snow once more.” In German there is something like a rhyme within the first two lines. When I was prepared/ To stride into spring/ it snowed again. Does it sound better this way in English too? You decide.
Why did I pick this particular poem? I didn’t pick it for publication. Andreas Breitenstein at NZZ (Neue Zürcher Zeitung) likes to print poems whenever he can wrangle a little space in any particular day’s edition. They have to be short. I had translated another poem by Yi Sha about snowfall in 2008. Mr. Breitenstein liked it, but it was too long. So I looked through Yi Sha’s collection Niao Chuang 尿床 (Wetting the bed), published in Taiwan in 2009. It’s a very nice edition. Huang Liang 黃梁, a critic in Taiwan, has brought out two ten-volume Series of Mainland Avantgarde Poetry 大陸先鋒詩叢, in 1999 and 2009. A great resource. I just picked some of the shortest poems in there.
Das tal ist angefüllt mit schnee so sieht es aus am vormittag um sieben wird es langsam hell um acht uhr geht die sonne auf um vier uhr sind die berge rot der runde mond kommt gross und grau.
Wir fahren heut zurück nach wien es war ein wunderschöner tag ein boot im ossiacher see den grossen wörthersee entlang das licht war einfach ideal und manchmal gibt es auch noch schnee.
6 on the beach near the northern tip of the island in the danube at vienna, march 20, 2012
island
the danube flows
vienna starts
somewhere downstream.
the island goes
a couple miles
or maybe four.
they have an ice-cream stand today
with buttermilk and radio.
i came to see the cherry trees.
they’re fast asleep.
they need another month or so.
in april we may still have snow.
the cherry trees are from japan.
i went there 19 years ago.
it was before i knew my wife.
i went by boat.
it took two days.
and almost everyone was sick
except the crew.
a boat from china to japan
in january, in ’93.
the plum trees bloomed among the snow.
in february, when i was there.
it’s nice and warm.
the danube flows.
a month ago the cherry trees
and rhododendrons were in bloom
in taiwan, just a month ago.
it was quite warm. we even swam
in mountain streams.
and austria had lots of snow.
today they read for liu xiaobo
they have a day for poetry
when spring begins, from the un
the 18th was for prisoners
in china and america.
for prisoners of politcs.
they have a day for everyone.
the danube flows.
i brought my son to therapy.
he goes to school. there’s progress now.
he speaks much more.
our daughter doesn’t read a lot
but on the whole we’re doing fine.
the danube flows.
this city is a crying shame.
they say it’s very beautiful.
a neonazi gets a third,
a little less.
a rightist. just like hungary.
a little bit more affluent.
it’s not quite spring
a bird is singing in a tree
above the snow
the children eat
or clear away for joy and play
all close to home
i didn’t get you anything
when i was small there was this store
and there we would get violets
or tulips something colourful
to bring your mom or grandmother
and that was all.
an einem verschneiten tag
spritzt matsch auf der strasse
einmalig auf dieser welt
brüllend wie sonst
ein polizeiwagen
flott unterwegs
und sehr unterhaltsam
in seinem kleid
ganz gleich wie er drängt
das kriegt er nicht runter
auf einmal ganz gleich
nicht zu unterscheiden
von anderen autos
sie schleichen daher
wie leichenwagen
das macht ihn nervös
von seinen rädern
spritzte der schmutz
auf den der vorbeikam
den stapfenden zeugen
dem kamen die tränen
es dachte der dichter
an die poesie
die sei doch wie schnee
in beziehung
zum wagen des staates
Übersetzt von MW im Februar 2008
Draußen ist Schnee
Der Schnee treibt und fliegt
Der Schnee streicht gern durchs Land wie ich
Streicht über die Erde und fühlt auch die Reue
Draußen ist der Schnee der Fremde
Draußen ist Schnee
Schnee und Regen, die steigern einander
Der Regen weint recht gern, wie du
Der Regen hat die Welt durchschaut
Draußen ist der Schnee des Auslands
Draußen ist Regen ist Schnee
Schnee und Regen hörst du wehen
Auf den Dächern der Fremden
Auf der gesperrten Straße am See
Draußen in Regen und Schnee stürmt der Frühling
Draußen ist Regen ist Schnee
Schnee und Regen fallen schneller
Platzregen in deinen Augen
Schneesturm wie auf meiner Stirn
Draußen sind Regen und Schnee, die reichen in frühere Leben
“Vereint und getrennt in rasendem Wirbel”(1)
Wir wagen den Abstieg, und werden wir Schlamm
Auf die Heimat, die sündige Erde
So kamen wir zurück im Traum …
MW Übers. Okt. 2009
(1) Lisao, Vers 205, Uebers. Peter Weber-Schaefer