Die Bäume an der Strasse
sind alle umgehaut!
Sauerstoff wird immer weniger.
Wir werden uns
die Nase zuhalten beim Atmen,
damit wir nicht so viel verbrauchen.
Ich habe einige Bücher gesammelt,
von Lu Xun
und von seinem Bruder Zhou Zuoren.
Zuerst in einem kleinen Teil des Bücherschranks,
dann in einem großen Rahmen.
Ich hab die zwei Brüder
niemals getrennt.
Ich glaub ihre beiden Seelen im Himmel
haben auch nichts dagegen.
Meine Tochter schreibt zehn Emails
an ihre Doktormutter
dann kommt erst die Antwort:
Keine Sorge,
das ist noch nicht das Schlimmste.
Meine Mutter ist Professorin in Moskau,
meine Tochter vermietet ihre Gebärmutter.
2
Meine Tochter heult,
fürchtet, dass ihre Professorin sich umbringt.
Früher sind sie von Achmatovas Gedichten
auf den 2. Weltkrieg gekommen,
dann auf Stefan Zweigs “Die Welt von Gestern”.
Diese Wütenden und das Gejohle der Invasoren!
Und als eine, die weint,
verehrt sie Achmatova,
aber sie wird wie Zweig
sich die Pistole
an die Schläfe setzen!
3
Meine Tochter schreibt wieder Emails,
rät ihrer Professorin, rasch wegzugehen,
zu einem behördlich bereitgestellten Schutzraum,
aber die Professorin sagt nein.
Sie glaubt nicht an russische Raketen,
sie will den Palast der Kunst nicht im Stich lassen,
in der Sowjetunion eine der drei größten Akademien,
sie will bleiben.
Meine Tochter sagt, bitte malen Sie
eine chinesische Flagge, hängen Sie die vom Fenster!
Die Professorin tippt ein Smiley,
danke,
mein Kindchen,
pass Du auch gut auf,
auf Dich und Dein Kind.
4
Am Sonntag
geht die Professorin mit dem Studenten Viktor
in die Sophienkathedrale.
Viktor sagt,
von heute an
wird er nie wieder Russisch sprechen.
Kind!
Was kann Russisch dafür,
was kann der Kiever Rus für das Ganze?
Meine Tochter erinnert sich,
als sie zuerst auf Ukrainisch unterrichten sollte,
hatte die Professorin oft so protestiert.
Russland überfällt die Ukraine.
Diese paar Wochen
haben sies die ganze Zeit vorbereitet,
die ganze Zeit verleugnet,
dass sie Krieg machen.
Russland überfällt die Ukraine.
Frieden in Europa
ist auf einmal gestrichen.
Viele haben gesagt,
2020 war schlecht,
2021 wollen wir nicht mehr,
2022 wird besser.
Russland überfällt die Ukraine.
Können wir dieses Tigerjahr
streichen?
MW 24. Februar 2022,
auf Chinesisch geschrieben, selbst übersetzt
to write
is a privilege
to read
is a privilege
to eat to drink
to play to work
to dance
to open your eyes
to listen
we need to look out for each other
people need to treat one another
with respect
with dignity
people aren’t cattle
cattle need to be treated well
soil needs to be treated well
we need to respect one another
we need to care for each other
as human people
no matter what
no matter what we say
we believe in
no matter what the government says
we are people
no matter what
every one needs dignity
if we have games
but we don’t have respect
we don’t have dignity
when the games are over
what do we have?
oh yeah, we have guns.
My desk neighbor,
to get ahead of me next term
at the history exams,
bought a roll of toilet paper on Taobao,
printed with the main points of history.
One day when she didn’t pay attention,
I ripped off a square
and ran to the bathroom.
Just when I returned to class,
she who would never leave the room,
flew at me, chasing me
all through the corridor.
I wake up in the morning,
A Yu tells me old Mr. Ren is gone.
Just saw him last year,
he was hale and strong.
I make a sound,
then go out to buy food.
Lifting my head to look at the sky,
a rare clear blue.
You can see how a plane flies by,
a grey blinking light.
Li Yan BIN BIS HEUTE KEIN MÖNCH UND HABS NICHT BEREUT
Als ich 36 war,
wollte meine Mutter, dass ich ein Mönch werde.
Ich hab Frau und Kind nicht verlassen können
und hab der Alten den Wunsch nicht erfüllt.
Ich hab auch gar keinen Antrieb gehabt.
Für Mutter wär es das Höchste gewesen.
Sie war damals 58
und grad vom Qigong des Dorfes der Schwebenden Kraniche
zum Buddhismus gekommen.
Den ganzen Tag hat sie die Hühner aufgescheucht
und erklärt,
sie wird gehen und Nonne werden.
Am Abwasserkanal unserer Schule
sind ein paar alte Männer am Fischen.
Die glauben sicher,
in jedem Wasserlauf gibt es Fische.
Ein alter Herr fragt einen anderen,
ob er heut schon was gefangen hat?
Der Gefragte antwortet sehr deutlich,
Nagel auf den Kopf, hörst du!
“Wie kann da drin ein Fisch sein?
Ich will nur nicht nach Haus!”
Bei einem Verlagstreffen
werde ich als Dichter vorgestellt.
Dann rückt einer zu mir,
will über Poesie plaudern.
Gu Cheng hat seine Frau umgebracht
und Selbstmord begangen,
was sei meine Meinung dazu?
Ich ignorier ihn.
Nachher sieht er mich schreiben,
kommt wieder zu mir,
will über Kalligraphie reden.
Kang Youwei, auch genannt Kang Nanhai,
habe ich seine Schrift studiert?
Er habe gehört, Kang Youwei
habe als alter Mann
ein junges Mädchen
zur Konkubine genommen,
habe sich die Eier
eines Orang-Utan einpflanzen lassen,
sei zuletzt steif gestorben.
Was sei meine Meinung
dazu?
Noch im alten Jahr
ist unsere Mama mit einem Schlag
ins Spital. Sie gibt bald den Geist auf,
hab ich mir gesagt. Könnt ich statt ihr
leiden! Ich möcht, dass sie Frieden hat.
Am 28. vor dem Mondneujahr
hab ich einen Schlaganfall,
muss ins Spital.
Am Neujahrstag
kommt die gute Nachricht
aus der alten Viererbande auf WeChat:
die Mama hats überstanden,
sie ist 87, das war eine Schwelle.
Aber später sagt mir meine kleine Schwester,
die Krankenpflegerin hat vor meiner Mama
gesagt, dass ich auch einen Schlag hab.
Dann ist es ihr wieder schlechter gegangen,
am Zwanzigsten des zweiten Monats
ist meine Mutter gestorben.
Mich haben sie am selben Tag
aus dem Spital entlassen.
Im letzten Sommer
hat sich meine Mutter den rechten Fuß gebrochen.
Ich war Tag und Nacht bei ihr im Krankenhaus.
Das erste Mal beim Urinieren
zieh ich ihr grad die Hose aus,
sie hält sie sich gleich mit der rechten Hand
wieder fest.
Ich sag, Mama,
du hast mich geboren,
wovor hast du Angst?
Dann erst lässt sie langsam die Hand los,
aber sie schämt sich,
legt sich hin, macht die Augen zu.
Vor vier Jahren
in derselben Jahreszeit
hat sie sich den linken Arm gebrochen.
Ich helf ihr duschen im Bad bei ihrem Krankenzimmer,
sie hält sich auf einmal die Brust zu mit der rechten Hand.
Ich sag, Mama,
da hab ich getrunken und bin groß geworden,
wovor hast du Angst?
Dann erst lässt sie langsam die Hand aus,
dreht sich auf einmal um
und drückt mich mit der rechten Hand,
legt ihren Kopf auf meine Brust.
In der Minute muss ich weinen.
Von da an, diese Szene dort in der Enge,
bleibt mir im Herzen immer
ein Denkmal.
2021-05-09, Muttertag am Vormittag in Jiangyou
Übersetzt von MW am 1. Juli 2021
Eine Freundin
hat mir
eine Gesamtausgabe
von Lu Xuns Werken geschenkt.
Schön gebunden,
ich war sehr froh.
Es war das erste Mal,
dass mir ein weibliches Wesen
Schriftwerke verehrt hat.
Später hab ich erfahren,
dass sie die gleiche Ausgabe
auch einem anderen Freund geschenkt hat.
Da wars mir dann
nicht mehr so kostbar.
Und ich hab mir gedacht,
wahrscheinlich war das Geschenk
zum Ausgleich,
weil ich damals
mit ihr Essen einkaufen war
und für uns beide bezahlt hab.
Nachher hat sie mir gesagt,
sie hat fünf Gesamtausgaben
an fünf Freunde verschenkt.
Dann hat sie mir ernsthaft erklärt,
„Mir fehlt es nicht an Männern.“
In der Pandemiezeit hab ich was nachgeholt,
die Fernsehserie “Zaun, Frau und Hund“.
Da gibt es den alten Mao Yuan,
der tätschelt seinen Hennen den Hintern
und sagt, heute werden sechs Eier gelegt.
Er hat das Gefühl und die Erfahrung.
Meine Oma hat es genau so gemacht.
Wie viele Eier die Hennen jeden Tag legen,
sie hat es gewusst.
Wenn die Eier mehr waren,
hat sie gewusst, die kommen vom Nachbarn,
da hat die Henne ins falsche Nest gelegt.
Dann ist sie getrippelt mit kleinen Füßen
und hat das Ei hingebracht.
Fenstertag,
heute war Schule,
jedenfalls in Leos Schule.
Nächstes Schuljahr
gibt’s nicht mehr,
die Bildungsdirektion
der Stadt Wien,
der Stadtschulrat,
sagt, es gibt kein Geld
vom Ministerium,
um denen, die es brauchen,
noch Schule zu geben.
Das betrifft uns.
Und noch ein paar Eltern
und Kinder, Jugendliche.
Und Friederike Mayröcker
ist gestorben.
Und heute ist 4. Juni,
Gedenktag für 1989 in China,
nur nicht offiziell halt.
Offiziell hat der junge Oberdissident
von Belarus
alles zugegeben,
im Fernsehen.
Meine Uroma
hat sechs Kinder geboren.
Bei jedem hat sie im Tempel
100 Teigtaschen geopfert,
für die Kinder gebetet,
langes Leben, Gesundheit.
Uroma war Pächterin,
Getreide war knapp,
die Teigtaschen waren
in Daumengröße.
Den Gottheiten waren
die Teigtaschen vielleicht zu klein.
Von den Kindern
ist eines 18 geworden,
das kleinste nur 6,
sie sind alle gestorben,
nur eines von ihnen
ist alt geworden,
meine Uroma.
Feuer machen und Wasser kochen,
seit Opa am Feld nicht mehr arbeiten kann
macht er das jeden Tag.
Auch im Sommer,
der große Herd auf dem Hof
muss ordentlich brennen,
dann sitzt er am Tor, wo es kühl ist.
Ich frage Opa,
so ein heißer Tag,
wieso machst Du Feuer?
Opa lacht und sagt,
er ist es gewohnt.
Die Wohnstätte des Dichters Lu Xun,
an einem bedeckten Tag.
Ich betrete den Hof.
Um zu verstehen,
wo unser Lehrer der Moderne geschlafen hat,
frag ich einen Wächter:
„Wohin ist Süden?“
„Sag ich Ihnen nicht!“
„Wieso?“
„Ich bin Wächter, kein Führer!“
„Ich frag Sie ja nur
nach der Richtung!“
Der Wächter zeigt in eine Richtung:
„Ich sag Ihnen nur,
dort geht die Sonne auf!“
The France I used to like has disappeared, Paris is thronged with people from places very far away from the outskirts of Gaul. The America I used to love has gone back into the movies. Many people who live there now are villains from fiction, Robert Penn Warren, William Styron, Faulkner and Steinbeck. Hemingway characters have been condensed into fairytales. And those bumpkins ridiculed by Thomas Wolfe, they would like to hold the world by its throat as a matter of course. I am thinking of Ellery Queen, Bogart, Jack Nicholson and all sorts of Pacino, standing between shadows and light, DeNiro people. I am not sure whether the lives described by the great Annie Proulx and Ring Lardner have really existed. If it really was like that, then Philip Roth and Salinger, those two masters, they didn’t have it any easier than Bernard Malamud or myself. The Britain I liked and also hated, the world of Dickens, Hardy, Emily Brontë, Evelyn Waugh, also the world of Guy Maddin. Chaplin and Hitchcock, they came from England, no matter if they thought of it as their grandmother‘s home or whatever, that kind of world is gone, no-one can go back to it. Italy, of Umberto Saba’s bitter poetry, of Tornatore’s splendor, Fellini’s ghosts and deities, a world has gone under but another world has not risen. Poor Barcelona, poor Spain, aside from Messi, what else can you make me think of? The bullets shot at Lorca? Thick smoke covers Cervantes and Unamuno. But you are singing, saying what does this have to do with you? As you go north, farther north, everywhere north in the world you’ll run into people drinking forever. They are crawling out of Ibsen, Hamsun, Dostoyevski’s White Nights, Crawling all the way till today until half of what Solzhenitsyn described is gone. I really don’t know if this is a good thing or not. Neither Tolstoy nor Maupassant nor the wisdom of Martin du Gard can advise me. Old Hesse stares into the distance with his Steppenwolf eyes and doesn’t speak. At this time everyone can understand a little why Stefan Zweig and Richard Strauss broke down. Bukowski didn’t care about any of this, he drank a bottle and went on writing. Pasternak screwed up his horse face and stared at a row of trees in the snow. Wandering souls drive their chariots, circling and circling, soundlessly crushing expectations and fear; crushing Nietzsche and Stephen Hawking, actually all of this can be seen to belong to Stephen King. But it’s ok, just be glad it’s still ok, food is eaten, television’s turned on. Ineffective dreams are about to start, about to start again. You will wake up, we will wake up, from utter sadness, wake up to enter indefinite nights, poisoned days. Yes, everything definitely indefinite. Let us clear away this forest, let us see the distance in the past. Not so we can see the past, but so we can see once more the distance we longed for.
Entering a compound, before the houses there is a big tree, they put a fence around it and installed a sign: Old mulberry tree, 150 years. Not many branches with leaves any more. Holes in the trunk are filled out with concrete. 150 years, that means in 1870, this tree was born. It has witnessed some desintegration, war and unrest. But it has kept on living all the way until I happened to come by its side, so it could have this little biography for me to write.
Er kommt frisch von der Uni,
hängt bei seinem Schreibtisch
ein Holzschnittporträt des Dichters Lu Xun auf.
Die Vizedirektorin
bemüht sich von Herzen,
belehrt ihn: Wir sind alle junge Menschen,
wenn, dann häng Wirtschaftsleute des Jahres,
wie kannst du deinen Opa
den ganzen Tag ausstellen?
der frauentag
und mein geburtstag
ist derselbe feiertag
so viele jahre
frag ich mich schon
was ist dahinter
gibt es einen
geheimen zusammenhang
erst am 50. geburtstag
kapier ich es ist nichts
besonders hohes und tiefes
vor vielen jahren
am 8. märz
weltweiter feiertag
für alle frauen
vor dem freudigen hintergrund
hat meine mama nicht ausgehen können
sondern schmerzen gehabt
und mich geboren
sowas vergisst man nicht
bisschen nach sechs, noch dunkel, im traum
vom telefon aufgeschreckt. große schwester sagt, zu neujahr
kommen geschenke. meine alte mutter, mitten in der nacht,
steht auf, zieht sich ordentlich an, steckt geld in die taschen,
am arm ihrer zugehfrau die stiegen hinunter, im morgengrauen
schon auf dem weg. das ziel ist beijing,
den sohn besuchen. sie sagt, die großen straßen entlang,
so wird sie hinkommen. die große schwester hält die beiden auf,
zurück zu hause rät sie der mutter, zuerst mit dem sohn zu sprechen.
und so kommt es, ach, sie ist 88, ich bin 59;
eine neue reise hat schon begonnen.
In den 1970er Jahren stand Andrej Sacharow Jahr für Jahr am 7. November am Puschkin-Platz vor dem Denkmal des Dichters im Schnee. Die Silhouetten von Sacharow und von Puschkin haben sich im Schnee überlagert.
Schnee, Schnee fällt am 7. November vor der Statue, eure Figuren, Puschkin und Du aufeinander im Schnee, endlose Stille. Du hörst auf dich selbst, auf den Schnee.
Du stehst im Frost, in der Weite des Schnees. Sonne friert im Wasser, Wasser friert im Licht. Vom Glitzern des ersten Strahls zum Waschen der ersten eisigen Welle.
Du stehst, von Schnee zu Schnee im tiefen Schnee, aus dem Du nicht heraussteigst. Obwohl Wege im Schnee nach Osten und Westen unter Deinen Füßen nicht enden, obwohl
Puschkins Augen wieder auf Deine treffen, sieht er Dich nicht im strahlenden Schneelicht. Was aus dem Schnee kommt, bleibt im Schnee. Im Schnee begraben, Dein Opfer im Schnee.
Von Wasser bleibt in der Sonne nichts über als brennender Glanz, Glitzern trifft aufeinander auf klaren Flächen bis in die Tiefe. Schnee im Licht unverdeckt, Schnee verdeckt nicht,
so wie die Sonne im Wasser jedes Sandkorn herauswäscht, das Licht, das läuft und stürzt aus dem Schnee nichts verschlingt und nicht untergeht im wogenden Strom bis ins Meer. Schnee strömt aus Schnee, Schnee ohne Ufer.
Reinheit am Ende ist auch Vernichtung am Anfang, reiner Schnee wird leicht zu Schneeresten, Schneescherben. Schneetrauer gewandelt und wiedergeboren in Schnee. Schnee flüstert weiter in endloser Stille.
So wie Wasser Sonne zurückbringt, die nicht verwelkt, so bringt Sonne Wasser zurück, das nicht verfließt. Ich hör Deine reine Schwermut im Schnee, ich hör dich, die Dämmerung im Sommer ist die Weiße Nacht.
Oma ist vor vielen Jahren von uns gegangen. Auf ihren hinterlassenen Dingen liegt dicker Staub. Ich frage Opa, warum er nicht sauber macht. Er sagt: „Das sind auch noch ein Dutzend Jahre von ihr.“
Gegen Abend jogg ich am Fluss. Unter einem dürren Zedrachbaum spielt ein weißhaariger Mann Saxophon. Ich setz mich neben ihn auf eine Steinbank, ein bisschen ausruhen. Hör ein Stück fertig, heb unwillkürlich meinen Daumen. „Sind Sie Künstler?“ Er nimmt einen Schluck Tee, „Nein. Als junger Mann war ich Signalhornist. Damals haben die Japsen von dort den Fluss überquert. Das Wasser war ganz rot …“ Ich bemerke, in dem Blumenbeet neben dem Etui für sein Instrument, stecken lauter Räucherstäbchen.
Your poetry’s tubes have been tied. I can tell, your loose tracts have been plugged with a metal ring. Actually, my poetry has cheated too. Before I went out I swallowed a few pills of Viagra. But however I tried, Poetry Periodical, state-owned flagship, you could never get pregnant. My poetry must be lonely for life.
Jemand postet für eine Ausstellung internationaler Gedichte im Viruskampf die Liste der eingeladenen AutorInnen. Der erste Kommentar unten ist die Frage: „Da ist Jian Ming dabei, der ist doch schon voriges Jahr gestorben?“ Noch ein Kommentar: „Wu An ist bald fünf Jahre tot, hast du ihn gefragt ob er mitmacht?“ Ich les weiter und sage nichts. Vor einigen Jahren bei einer Veranstaltung hat eine Sprecherin der staatlichen Künstlervereinigung verkündet: „Der große Dicher Ai Qing [Vater von Ai Weiwei, 1910-1996] wird auch bei uns live davei sein!“ Als ich das gehört hab hab ich kalten Schweiß gespürt. Jetzt passiert mir das nicht mehr. Wenn du mir heute sagst, Konfuzius plant ein Buch der Lieder gegen Corona bin ich überhaupt nicht überrascht.
Corona ist ein Gedicht von Paul Celan. Es hat überhaupt nichts mit Krankheit zu tun, außer vielleicht mit der Krankheit der Liebe. Er hat es in Wien geschrieben, er war in Ingeborg Bachmann verliebt. Es ist ein schönes, ein stolzes Gedicht, ein Gesang an die Liebe. Manchmal helfen Gedichte in barbarischen Zeiten. Ruth Klüger hat Gedichte geschrieben, auch im KZ. Adorno war im Exil. Corona ist ein Gesang an die Liebe. Celan und Bachmann sind nicht sehr lange beisammen geblieben, aber die Zeit im Gedicht gilt noch und hilft solang du es liest.
Hör ihm zu, es gibt eine Aufnahme. Es ist Zeit, dass der Stein sich zum Blühen bequemt. Celan sagt „zum“. Es ist Zeit.
In my sights straight in the distance, a white dove goes through a fire up to the sky. Still it flies, changed into black. Maybe just its shadow, its soul flying. Maybe the ash can keep the shape of a dove sailing on.
The last one of the Flying Tigers is gone. I remember what they said: We fly along the Himalaya valleys and follow reflections from the debris of fallen comrades.
Coming out of People’s Park I run into a shower and hide in the guardhouse at the gate. The grandpa on duty asks for my age and tells me his. He picks up a peanut, chews with a sigh: Today’s society is a good one. In the times of the First Emperor, 66 years, if you’re not dead you’d get buried alive.
Heute ist der 138. Geburtstag
des modernen Autors Lu Xun.
Eine ehemalige Schülerin
schreibt unter ein diesbezügliches Posting
„Heute ist auch der Geburtstag
des Kaisers Qian Long.“
Ich frag überhaupt nicht höflich:
„Ein Kaiser von deinem örtlichen Häuptling
und du gedenkst seines Geburtstags
wofür
wofür
wofür?“
Ich hör alle eintausendvierhundert fruchtbare Flecken
in meiner Provinz
widerhallen
von dieser Frage.
Oma flüchtet,
lässt Song-Porzellan und Jade zurück,
hat meinen Onkel in ihrer Hand.
Die Flüchtlinge drängen sich oben am Berg,
halten den Atem an.
Jemand steckt den Kopf raus und fragt:
Was ist wenn das Kind weint?
Die ganze Gruppe will Oma und das Kind weghaben.
“Wenn es weint, drück ich es tot,
eure Sicherheit ist nicht in Gefahr!”
Sechzig Jahre später frag ich sie,
und wenn der Onkel geweint hätt?
“Dann hätt ich ihn totdrücken müssen.”
and people take photos
and look for demons in their phones
the sun is on the erlauf
and on the boulders
from the last ice age
or from another one,
Toni would know
crushed together sediments
something harder below
darker
something the river couldn’t cut through
paths, basically one secured path
including semi-caves
in the big one we told each other tales
of highway people, robbing
innocent tourists
don’t know if Anton writes anymore
sure hope he does
in his one published story
his class goes through a portal
and there is a wonderful female hero
from another planet
or galaxy or dimension
he’s in a different school now
there was a little bit of rain
in the beginning, when we came down
and started climbing
up on the boulders over the river
in the summer you can work up a sweat, just a little later
there is a cove
with real sand, there are several places
quite good for swimming
if you go in fast, it isn’t cold
you hardly notice once you are pulled
down by the current
not very fast, but once you’re in
you are in, you can come out
at the next little beach.
How old is Austria? .
How do they know, when the plough sends up shards
and they look at them, people were buried not in the war, not from
the prison camps from the First World War
onwards,
one thousand two hundred years ago roughly,
and they were Slavs, from their language. Nothing written
there in the field. They just know,
from one written document saying
the people round a new monastery
one thousand two hundred years ago roughly
were Slavs. Different language
from the bishop and maybe heathens
but there was some sort of arrangement and recognition.
Kingdoms, but not a nation
around one language, not at that time.
Austria isn’t Germany.
We aren’t German, we speak the language but we are Austrians.
History. Baggage. We were born later, all of us, but there are stories.
There was a shop owned by Jews,
in every little town, part of town,
roughly.
Erlauf gorge is a wonderful walk
for almost anyone,
anyone who walks,
it is a different world down below
through the portal
not far from the highway.
MW August 2019
ERLAUFSCHLUCHT
– für Paula, Anton & Toni
Oben Bundesstraße
unten Mittelalter
bis auf die Leute die fotografieren
und Dämonen suchen
in ihren Handys.
Die Sonne liegt
auf der Erlauf
und auf den Felsen
aus der letzten Eiszeit
oder aus einer anderen,
Toni weiß es.
Zusammengepresste Sedimente,
und unterm Wasser
liegt etwas Härteres,
Dunkleres,
wo der Fluss nicht durchkommt.
Pfade, ein befestigter Pfad
mit halben Höhlen.
In der großen Höhle
haben wir uns erzählt
wir sind Räuber
und überfallen
unschuldige Touristen.
Weiß nicht, ob Anton noch schreibt,
hoffentlich tut ers.
In seiner großen Geschichte,
in seinem Buch
geht seine Klasse durch ein Portal
und da ist eine ganz große Heldin
von einem anderen Planeten,
aus einer anderen Dimension
oder so.
Jetzt geht er in eine andere Schule.
Am Anfang war ein bisschen Regen,
wir sind runtergestiegen
und gleich hinaufgeklettert
über die Felsen mitten im Fluss.
Im Sommer wird dir ein bisschen warm,
und in der Nähe
ist eine Bucht mit gutem Sand,
ideal zum Schwimmen.
Wenn du schnell reingehst,
ist es nicht kalt,
du merkst es gar nicht
weil es dich zieht,
hinein und hinunter.
Nicht wirklich schnell,
aber wenn du drin bist
bist du wirklich drin,
du kannst heraus
bei der nächsten Bucht.
Wie alt ist dieses Land?
Wie wissen sie, wenn der Pflug
Scherben aufwirbelt,
und sie schauen einmal hin,
von wann die sind,
nicht aus den Gefangenenlagern
vom Ersten Weltkrieg und später,
sondern tausendzweihundert Jahre früher ungefähr, und dass sie Slawen waren,
von ihrer Sprache. Obwohl keine Inschrift dort ist.
Sie wissen es einfach, von einem
einzigen Dokument, da steht die Leute
rund um ein Kloster vor tausendzweihundert Jahren ungefähr
waren Slawen. Andere Sprache als
der Bischof und vielleicht Heiden,
aber man hat sich irgendwie respektiert
und zusammengelebt für eine Weile.
Awarenreich, Frankenreich und so weiter, aber keine Nation von der Sprache her, nicht zu der Zeit.
Österreich ist nicht Deutschland.
Wir sind keine Deutschen.
Wir sprechen die Sprache, aber
wir sind Österreicher. Geschichte.
Was man herumschleppt.
Wir sind alle Nachgeborene,
oder zugezogen,
aber es gibt die Geschichten.
In jedem Ort war ein Geschäft
das einem Juden gehört hat,
in jedem Ortsteil, ungefähr.
Erlaufschlucht ist eine wunderschöne
Wanderung für groß und klein,
eine andere Welt
gleich dort unten durch das Portal
ganz in der Nähe von der Bundesstraße.
the danube flows
in the evening people sit in the sun
on the southwestern side
in the summer months
there are concerts on the main square
and in the cafés
the views are great from the castle
and from the liberation monument
and cemetery further up
some of the soldiers buried are women
in the summer months
the synagogue is open
as a museum
they have a nice garden
it is a functioning synagogue
all year round
the only one left
they had bigger ones
even after the war
after the holocaust
now this is the only one left
they built a freeway
interstate quality
right through the old city
it’s a functioning freeway
it’s a beautiful city
shabby in places, but proud
somehow still healing
the danube flows
In den Städten wo Panzer parken,
gestern. Ziehe ich drei
Intellektuellen die Haut ab. Auf dem Land
röst & verzehr ich Lebern & Nieren von sechs starken Bauern.
Blutspringbrunnen
verschönern die grünen Verkehrsinseln. Spatzen
fliegen über sonnige Dreschplätze
und sehen Statuen aus Fleisch.
Und Gedichte. Wie Kugeln
die Menschenmädchen erschießen.
Himmelslaternen. Eins zwei drei
Menschenwürste
zum letzten Abendmahl.
Das ist ein Befehl: Applaudiert mir!
In Friedenszeiten
kennt ihr keine Schmerzen.
Bei Nachkriegsprozessen stehen wir ganz vorne,
ich und meine Kunst
ausgezeichnet belohnt.
1991
Übersetzt von MW im Juni 2019
Yi Sha FASCIST ART
I order you: Applaud me!
In the city where tanks are parking,
yesterday. I peel off three hides
from intellectuals. In the country,
I roast and eat entrails of six sturdy peasants.
Fountains of blood
adorn the gardens dividing the roads. Sparrows
fly over the sunlight on threshing grounds
and see statues of flesh.
Also poems. Like bullets.
Mow down human sisters.
Sky lanterns up high, one after the other,
human sausages
for a last supper.
I order you: Applaud me!
In times of peace
you don’t know suffering.
At post-war trials, first-tier war criminals,
me and my outstanding art
receive their rewards.
auf der chinesischen erde
unter allen reisezielen
hierher hab ich mich bis jetzt nicht getraut
aber als chinese
muss ich es mir
einmal anschauen
wenn ich ein großer dichter sein will
muss ich mit großen augen
hinstarren bis mir die augen rot werden
an der chinesischen klagemauer
lass mich weinen
2018
Übersetzt von MW im Dezember 2018
南京大屠杀遇难同胞纪念馆
伊沙
在中国的哭墙下
让我哭
这是华夏大地上
所有景点中
我最不敢看的
但是身为中国人
一生必须
看一次
身为中国大诗人
必须双目圆睁
直至双目淌血
在中国的哭墙下
让我哭
Yi Sha NANJING-MASSAKER
als chinese
geschichtlichen fakten gegenüber
bring ich sie von geburt mit
und in den genen
also halt ich mich vorsichtig
fern von diesen sachen.
fotos, filme, memoiren;
ich bin ein feigling mit gebrochenem herzen.
Was ich am schwersten schlucken kann:
Zweihundert japanische Teufel führen
fünfzigtausend chinesische Kriegsgefangene
ans Jangtse-Ufer und schlachten sie ab.
Fünfzigtausend Tauben trotten mit gesenktem Blick,
nicht einer wird Falke und fliegt ins Nirvana.
what does it mean to be human?
what does it mean to be alive?
means you’re not dead yet.
means you can ask superfluous questions.
goddammit, every animal knows
what it means to be an animal.
right?
our children are growing up
discovering love
they always had love, but
any animal knows this is different.
they are bewildered by their own bodies.
again, this has gone on for a while,
it just grows more acute,
and again, every animal knows.
goddammit,
what a luxury question.
what does it mean
to be mean?
not the golden mean.
everyone knows what it means to be mean.
he’s in the news
and on the news every day.
to be human
means to have rights.
doesn’t it?
1947, UN-declaration,
two people from China
worked on it.
Animal rights.
Post about dying whales,
you’ll get 1000s of likes,
about people, oh well.
I want to call this poem
stupid question.
Thank you!
Now go forth and profligate,
or whatever.
MW April 3, 2019
ALWAYS ONLY THE CULTURE
always
always only
always only the
always only the culture
always only the culture
always only the cultural
revolution
always only the cultural
revolution
since 1966
always only the cultural
revolution
always only the cultural
revolution
always only the culture
always only the culture
always only the
always only
always
not the famine
but
but still
but still also
the tens of millions
starved to death
but
but still
but still also
but still also
the terror
the totalitarian
terror
“totalitarian” is in dictionaries
and in chinese search engines
china is hardly
mentioned at all
as neighbor of the soviet union
and in art
in the art
of the cultural revolution
always only the culture
always only the culture
hannah arendt
died in 1975
before the end
of the cultural revolution
in the last edition she saw
of her seminal work
origins of totalitarianism
at least in the german edition
she mentioned china
in the cultural revolution
hardly anyone mentioned the famine
always only the culture
always only the culture
but
but still
but still also
the terror
the terror
pinochet
pol pot
kissinger
who downed more
who did more
who bombed more
1979, democracy wall
in beijing
since 1979
capitalism
reigns supreme
the party reigns supreme
through capitalism
or the other way
through kaputalism
or the other way
everything demolished developed
and demolished again
or the other way
of course only in china
but
but still
but still also
always only the culture
always only the culture
always only the
always only
always
always
MW March-April 2019
IMMER NUR DIE KULTUR
immer
immer nur
immer nur die
immer nur die kultur
immer nur die kultur
immer nur die kultur-
revolution
immer nur die kultur-
revolution
seit 1966
immer nur die kultur-
revolution
immer nur die kultur-
revolution
immer nur die kultur
immer nur die kultur
immer nur die
immer nur
immer
nicht die hungersnot
oder
oder doch
oder doch auch
die zig millionen
hungertoten
oder
oder doch
oder doch auch
der terror
der terror der
totalitären herrschaft
“totalitär” gibt es in wörterbüchern
und in chinesischen suchmaschinen
china wird dabei höchstens
ganz wenig gestreift
als nachbarstaat der sowjetunion
und in der kunst
der bildenden kunst
der kulturrevolution
immer nur die kultur
immer nur die kultur
hannah arendt
ist 1975 gestorben
also vor dem ende
der kulturrevolution
in der letzten auflage ihres hauptwerks
ursprünge und elemente totalitärer herrschaft
erwähnt sie china
in der kulturrevolution
kaum jemand sprach damals von hungersnot
immer nur die kultur
immer nur die kultur
oder
oder doch
oder doch auch
der terror
der terror
pinochet
pol pot
kissinger
wer hat mehr
wer hat mehr
wer hat mehr bombadiert
1979 war die mauer der demokratie
in peking
seit 1979
regiert der kapitalismus
die partei regiert
mithilfe des kapitalismus
und umgekehrt
mithilfe des kaputtalismus
und umgekehrt
es wird kaputt gemacht und neu gebaut
und wieder kaputt gemacht
und umgekehrt
20 years ago I wrote my first Chinese poem.
It was in Chongqing. “Wanbao, wanbao!”
That’s what they cry, all over China. Every afternoon.
“Evening news, evening news!”
Evening paper, every town has one.
Some have morning papers, those are called Zaobao,
most of them.
“Get your evening paper!”
Anyway, “wanbao, wanbao!”
could mean late retribution. Bào, what comes back, gets back,
a report. Wan, late. Zao, early.
“Wanbao, wanbao!”
Chongqing was the wartime capital.
Jiefang bei, liberation monument, is the city center.
It’s not from 1945 or 1949,
it’s from the 1930s or so.
Most people don’t know exactly.
Emancipation column. One of my students called it that.
Kang Di, think it was her.
Emancipation in German means women’s lib.
“Emanzipationssäule”.
I was teaching German.
Women’s Liberation Monument.
Women’s Rights Monument.
She didn’t know emancipation means many things.
Didn’t want to correct her.
Another essay was about marriage.
Were they really so conservative, our elders,
when they married a stranger,
when they slept with a stranger they had never seen before?
Good question.
Good essays, especially the girls, the young women.
“Wanbao, wanbao!”
In Beijing it sounded more like “wanbo!”, although Beijing supposedly
is where Mandarin comes from.
“Wanbao, wanbao!”
Chongqing is a hilly city. No bicycles. What did they do, back in the 1960s,
1970s, ’80s, when no-one had a car?
They had porters, for the steep slopes with the stairs,
I guess they’re still there.
“Bang-bang”, people for hire.
They bang on their tools, bang their tools together.
Bang-bang are men, but there are women porters.
Hong Ying’s mother carried sand, rocks and gravel.
Daughter of Hunger, her most famous book.
Daughter of the River in English, it was a bestseller.
Hungry Daughter, Ji’e de nü’er.
That’s right, they have a “ü”, just like in German,
and like in Turkish. Ürümqi, city in China,
nowadays governed like North Korea.
Many re-education camps. They had prisons in Chongqing,
Liao Yiwu was in there,
another famous writer from China.
Didn’t know him then. But Chongqing is about war and imprisonment.
Lieshimu, that’s the address
of our university. We taught German and English.
Two universities, one foreign languages,
the other law and police. Law and politics. Yes, they are not separated.
“Wanbao, wanbao!” No zaobao in Chongqing,
although I’m not sure now.
Lie-shi-mu, Martyr’s Grave.
Geleshan, Gele Mountain, right behind our college,
other side of the train tracks.
Someone was murdered there, some gambling debt.
Students died, one or two every few months.
Nice walks on Geleshan, very peaceful, really.
“Wanbao, wanbao!” Every city in China.
Nowadays people have cell phones,
but there are printed newspapers and magazines.
And printed books, there is no crisis.
“Wanbao, wanbao!” Late reports, late reports.
From the guns. Or whatever.
Karma. Shan means good, doing good.
A Buddhist word. Shan you shanbao,
doing good has good returns.
Wouldn’t that be nice?
But teachers believe it, teachers and parents,
again and again, otherwise you go crazy.
They went crazy too, war and famine,
all the way till 1961, ’62. When Hong Ying was born.
No, also 1969,
Cultural Revolution, like civil war.
Shan you shan-bao,
good deeds, good returns.
“Shan you shanbao, e you e-bao.”
E like in Urgh! Like something disgusting, that’s what it means.
Ur yow ur-pow, something like that. But more like b.
Eh yow e-bao. Yes, “e” like ur. “You” like yo-uw.
Shàn you shànbào, è you èbao.
Do good for good returns, do bad stuff for bad returns.
Not that it doesn’t come back, time isn’t ripe.
That’s how it goes on.
You throw the boomerang, boomerang doesn’t come back,
they tell you wait, it’ll come back.
Karma.
And so I wrote a Buddhist newspaper poem.
Bu shì bu bào, shíhou wei dào.
Wei like in Ai Weiwei, “ei” like in Beijing.
Wei means not yet, that’s his name. Really.
“Wei” like the future.
His father was the most famous Communist poet
of the People’s Republic. Imprisoned in the 1930s,
maybe in Chongqing. Then again under Mao.
Exiled to Xinjiang, North Korea today, re-education camps.
Desert, somewhere between Dunhuang and Ürümqi,
what was the town? It’s a big city now.
Ai Weiwei grew up in a hole in the ground, with his brother.
They are both artists. Anyway, where was I?
Bu shì bu bào, shíhou wei dào.
Not that it doesn’t come back, time isn’t ripe.
Emancipation monument.
MLK day, I have a dream.
They had to memorize the whole speech,
in schools in China, 1970s.
Maybe earlier too, maybe till now.
Good deeds, good returns.
Bad deeds, bad returns.
The Chinese Dream.
Not that it doesn’t come back.
Zao you zaobao, wan you wanbao.
Morning has morning papers, evening has evening news.
Early deeds, early returns.
Late deeds, late returns.
Late returns after gambling.
Famous party secretary, famous police chief,
they are in prison now. Or one is dead?
Killed a British guy, now they imprison Canadians.
Anyway, my poem.
Wanbao, wanbao!
Wanbao, wanbao!
Zao you zaobao,
wan you wanbao.
Bushi bu bao, shihou wei dao.
Actually the saying goes on, the Buddhist Karma.
Once time is ripe, everything comes back.
You don’t need to say that. People know.
mit drahtlosen kopfhörern
tret ich in das schweigende museum
eindringlich hör ich im rechten ohr
frau Bao
als wär sie direkt neben mir
sie ist unsre junge führerin
in wirklichkeit ist sie manchmal vorn
manchmal hinten
manchmal nah dann weiter weg
aber sie hat tränen in ihren augen
das hat sich nicht geändert
It was in 1999,
last year of the 20th century.
The poet Ma Lan
with her American husband,
a Yale professor,
came to visit old Chang’an.
At the Small Wild Goose pagoda
in the teahouse Scented Snow Sea
we had a good meeting.
The Yale professor
of Chinese literature
had a point of view
that opened my eyes
and resonated in my heart,
I had been thinking about this for years.
He said, “In the May Fourth era,
those writers who studied in Japan,
why were they so dominant?”
Today, I am finally in Japan
and I carry this question,
roaming the coast and mountains of Honshu.
Let me think,
let me think it over,
I have enough time to think of an answer.
What was it,
what was it here,
that made them
bury themselves in their work,
lay their life on the line,
fight for truth,
plead for the people
and become the backbone of modern China?
Sometimes you can go back in time.
You go back to a house,
you go back to a beach,
you go back to picking blueberries.
You used to find many other small berries,
behind the house left from Soviet times.
They used to spy on the whole town from that house.
Not tall, rather long,
converted for tourists.
That house is gone now,
hope they left the woods alone.
Sometimes you can go back in time.
Trees would have swayed,
wind would have blown
almost the same in grandmother’s time.
I’m sure the sunset was just as beautiful
through war and holocaust and deportation.
Sometimes you can go back in time.
Grandmother’s house is here,
you sang the songs from grandmother’s time
on the big stage with thousands and thousands.
Zile is here,
your relatives will always be here.
Sometimes you can go back in time.
We were here five years ago
and before,
when the kids were small
and fit in a bicycle carrier.
We rode rented bikes and walked through the woods
to the tip of the peninsula.
Very nice there,
hope they preserve it.
Housing from the 70s maybe,
other historical memories
including 1990.
Independence,
rediscovery of your inheritance.
A precarious future.
Sometimes you can
go back in time.
alle menschen sind f
alle menschen sind ff
alle menschen sind fff
alle menschen sind fffr
alle menschen sind fffrr
alle menschen sind fffrrr
ei!!!
geboren
als vogel,
als wild.
alle haben dieselben würdenträger
und die gleichen rechten
von geburt an. nicht wahr?
alle sind mit vernunft begabt
und mit gewissen,
außer dem innenminister.
sie sollen einander begegnen
in brüderlichkeit. ach ja. 1948.
nach dem krieg
nach der shoah
auch zwei chinesen waren dabei.
muss man die menschenrechte erklären?
muss man oder frau die menschen erklären?
wahrscheinlich schon immer in jeder familie
in jedem dorf oder haushalt
jeder und jedem
an jedem sonn-und feiertag,
an jedem werktag.
Der offene Brief von der Sprachkunst ist sehr gut. Gestern hab ich ihn gelesen und gedacht, jetzt möcht ich doch etwas schreiben. Vorgestern hab ich mir die Rede das erste Mal herausgesucht, angeschaut, angehört. Sehr, sehr sehr gut. Sehr, sehr wichtig. Selten. Nicht feig, wie er selbst sagt. Das ist in Österreich schon viel.
Er wollte nicht reden, das glaube ich ihm. Weiß nicht, wer das auswählt. Aber wenn er redet, sagt er, macht er es sich nicht einfach. Das glaub ich ihm auch. Österreich hat ein unheilvolles Bedürfnis nach Harmonie. Klingt mir selbst zu pathetisch, wenn ich das sage. Oder ist es auch Kalkül? Es ist vielleicht beides. Sag etwas Positives. Etwas Konstruktives, Aufbauendes. Das hat Köhlmeier dann im Interview auf ORF2 gemacht. Ich glaube schon, dass er glaubt, was er sagt. Er will es tun. Er will Herrn Schrecken beim Wort nehmen. Natürlich, das sollten wir alle, Politiker beim Wort nehmen.
Wenn du es ernst meinst, bin ich bei dir. Sagt Köhlmeier. Ich will dir erst einmal vertrauen, sagt er. Wenn du sagst, die Partei muss sich ändern. Soll ich mir jetzt die Rede von Herrn Schrecken bei diesem Deutschnationalen Ball heraussuchen? Ich mag keine Videos. Ich mag auch keine Podcasts. Youtube ist etwas Tolles, auch etwas Demokratisches, aber ich mag es nicht. Ich mag Musik auf Platten. Kassetten. Filme im Kino. Reden live, ab und zu. Trete gern selber auf. Genommen werden, ausgewählt werden. Wer hat Köhlmeier ausgewählt? Danke! Tausend Dank! Ich könnte nicht sagen, ich vertraue Herrn Schrecken. Ist das eine Schwäche von Köhlmeier, wenn er sagt, dass er vertrauen will? Vielleicht nicht. Es ist nur im Interview. Die Rede war und ist sehr, sehr, sehr wichtig.
Bei Youtube kommt man vom Hundersten ins Tausendste, auch wenn man sagt, Herrn Schrecken hör ich mir sicher nicht freiwillig an. Aber gleich neben der Köhlmeier-Rede ist die von Arik Brauer. Auch schön. Auch sehr persönlich. Wenn er sich erinnert, an das Kriegsende in Wien. Am Flötzersteig. Hinauf zum Steinhof. Schrebergärten, wo sich Arik Brauer versteckt hat. Als sechzehnjähriger Jude. Noch ein Kind, vom Aussehen und von der Stimme. Ein schöner Sopran, sagt er. Sehr, sehr sympathisch. Das ist Österreich. Wien. Diese Sprache. Jüdisch gefärbtes Wienerisch. Selten. Sehr sehr kostbar, unsere Sprache. Es tut weh. Das Erinnern. Es ist sehr schön. Auch dass er gleich sagt, die meisten Leute haben sich nicht befreit gefühlt. Die Frauen. Die Leute in den Trümmern.
Die Demokratie. Ein zartes Pflänzchen. Man passt auf die anderen auf. In Europa. In der EU. Die Ironie, mit der er das sagt, ist auch sehr schön.
Die Einwanderung, sagt er, sei schuld. Am Rechtsruck. Die Einwanderung aus arabischen Ländern, wo so viele Leute die Juden zurück ins Meer werfen wollen. Da fühlt er sich bedroht. Sagt er. Von der Einwanderung. Die Einwanderung sei schuld am Rechtsruck, auch in Polen, Ungarn und so weiter. Das sagt er dann im Interview. Und Ex-Bundespräsident Ernst Fischer sitzt konsterniert dabei. Fischer war Flüchtling, im Zweiten Weltkrieg. Es tut weh. Die Kameras zeigen, wie die Politiker schauen. Das ist sehr gut.
Arik Brauer wird ganz besonders geliebt und bejubelt. Auch von der Regierung. Und Arik Brauer verbeugt sich mehrmals und schüttelt Herrn Schrecken freudig die Hand.
Welche Einwanderung? Es gibt nach wie vor keine Araber in Polen. Oder in Ungarn.
Welche Einwanderung? In Polen gibt es viele ukrainische Gastarbeiter. Stalin hat ja die Ukraine und Polen nach Westen verschoben. Also dort, wo die ukrainischen Gastarbeitern teilweise herkommen, war vorher Polen.
Wandern die Gastarbeiter ein? Manche, wenn sie können. Glaube ich.
Noch einmal, es gibt keine Einwanderung aus arabischen Ländern in Polen, Ungarn, Tschechien, Slowakei. Überhaupt keine. Vielleicht ein paar ganz wenige SyrerInnen, die es doch irgendwie geschaftt haben. Arbeit. Heirat. Wenige. In Polen ganz sicher noch viel weniger als in Ungarn. Geographie.
Warum sagt Arik Brauer so einen Blödsinn?
Soll ich es analysieren? Warum fallen die Leute auf Schrecken herein?
Es ist alles sehr kompliziert. Sagte Sinowatz, sagt Arik Brauer. In der Demokratie, in Europa. Das ist ja das, was so weh tut. Dass er so gut redet. Bis auf den Blödsinn, bis auf den Schrecken.
Jetzt könnte ich aufhören. Warum fällt jemand auf Schrecken herein?
Moslems gibt es mehr als früher. Muslime. In Österreich. Türken. Tschetschenen. Innen. Frauen. Frauen, Männer, Kinder. Viel mehr Muslime als Juden. Dass es beides gibt, Muslime und Juden, in Österreich, ist sehr, sehr wichtig. Musliminnen, Jüdinnen. Identität. Gehört zu uns, seit über hundert Jahren. Seit ewig. Seit immer. Österreich ist Europa.
Unlängst war im Standard ein Kommentar, der an das Arabische im Römischen Reich erinnert hat. Einige Kaiser, aus Syrien und so weiter. Lukian. Etwas bei Lukian. Europa gabs nie ohne Araber.
Harmonie. Hab ich jetzt auch Harmoniebedürfnis?
Moschee und Kasino. Eines meiner besten Gedichte. Chinesisch, ursprünglich. Geschrieben in Malaysia. Handelt auch von Singapur. Da gibt es Fotos. Wie ich Moslem spiele. Sozusagen. Es war sehr schön.
Jetzt hab ich doch sehr viel geschrieben. Kein Gedicht. Einmal. Friede sei mit Euch, mit uns. Amen.
In Luang Prabang im Menghe-Hotel abgestiegen,
dann Abendessen im Sichuan-Laden.
Kellner sind hautsächlich Teenagerinnen.
Die Chefin aus Yibing erklärt:
In Laos gibt es überhaupt keine Altersbeschränkung,
also sei das keine
Kinderarbeit.
International Poetry Week in Xichang.
At Zhaojue Center,
main auditorium,
Qinglang Lihan holds his speech.
Speaks of Akhmatova
and her tragic fate,
as when her first husband
Gumilev was shot
for “counterrevolution”.
Right after this
a high school student
from the Yi nationality
in modern dress
jumps on the stage.
He stands there contorted,
staring with rage,
spitting his words:
“You fart-head poets,
faced with the people’s misery
you are unable to raise your pens
and demand justice!
Then you run away
to a small place
to talk about counterrevolution…”
We are all baffled,
don’t know what to do
or what just happened.
Later
when our bus
drives through the town on our way out
I see that high school student
alone
on the street,
still foaming
and puffing.
Like a lonely
walking bomb.
October 2017
Translated by MW, 12/31/17
Yi Sha EINSAME BOMBE
Xichang, Internationale Woche der Poesie.
Im Zhaojue-Center
im großen Saal
Qinglang Lihan trägt vor
über Anna Achmatowas
bitteres Schicksal.
Ihr erster Ehemann
Nikolai Gumiljow
wird wegen “Konterrevolution”
erschossen.
Gleich nachher springt
ein Mittelschüler
aus dem Volk der Yi
in moderner Kleidung
auf die Bühne.
In verzerrter Haltung,
mit zornig aufgerissenen Augen
gibt er spuckend von sich:
“Ihr Hundefurz-Poeten,
könnt keinen Stift gerade halten,
vor dem Elend der Leute
verlangt ihr keine Gerechtigkeit!
Dann kommt ihr in die Kleinstadt
und redet von Konterrevolution …”
Wir sind alle baff,
völlig ratlos.
Nachher
fährt unser Bus
durch die Kreisstadt davon,
und ich seh den Schüler
allein auf der Straße,
immer noch zornig
gehen und schnauben.
Wie eine einsame
wandelnde Bombe.
ein freund vom volk der yi
erzählt mir sie wählen
chinesische namen
aus modischen wörten
und so war da ein kind
das nannten sie
sozialismus
wenn essenszeit war
hörte der ganze ort
eine mama rufen
die schrie und schrie:
sozialismus!
komm heim zum essen!
die japaner sind gekommen
auf ihrem kriegsschiff
die japaner sind weggefahren
auf ihrem kriegsschiff
aber einen hund
haben sie hier gelassen
der hund war herumgelaufen
vor verschiedenen imbisständen
hatte seine pfoten gefaltet
und wie ein mensch um fressen gebettelt
dann ist er zum hafen gerannt
um auf die japaner zu warten
die japaner sind nicht zurückgekommen
mein patenopa
hat den hund aufgenommen
viele jahre später
während einer politischen kampagne
hat ihn jemand angezeigt
und der hund war der beweis
für seinen landesverrat
18. September 2017
Übersetzt von MW im Dezember 2017
I was a teacher in Zhuozhou,
took the whole class to Zhoukoudian
to see Upper Cave Man.
On our way back by bicycle,
I sang a song,
Zhang Chu’s “Yellow Earth”.
When I was finished,
my students applauded me,
raising their hands.
And so they fell in a heap
on the road.
Don’t be a teacher!
Kids are just way too pure at heart.
The only war I know
to be called great
is not the Trojan War
nor the Soviet Union’s Great Patriotic War
nor our eight-year Resistance Against Japan
but rather that recent thing between China and India
induced by border friction.
Like children play house, they throw rocks at each other,
fall down a few times,
then just call it quits.
Zero casualties on both sides.
2017
Translated by MW, November 2017
Ma Fei GROSSER KRIEG
Der einzige große Krieg
den ich kenne
ist weder der Trojanische Krieg
noch der Große Vaterländische Krieg der Sowjetunion
noch unser achtjähriger Verteidigungskrieg gegen Japan
sondern unlängst der Streit zwischen China und Indien,
verursacht von Spannungen an der Grenze.
Wie Kinder, die spielen und Steine werfen,
ein paarmal hinfallen, dann einfach heimgehen.
Verluste auf beiden Seiten sind null.
5oo jahre glauben
500 jahre reformation
sieben jahre gar nichts mehr glauben
jedenfalls in österreich
jedenfalls an österreich
außer im widerstand
im kz
im himmel
also 493
oder was
aber
evangelisch
ist so minderheit in österreich
dass man/frau/kind
sowieso gedenkt
oder nicht
vater hat noch gegen japaner gekämpft
und einen granatsplitter behalten
wir haben ihn nicht operieren lassen
als er noch auf der welt war
jedesmal auf dem friedhof
verbrennen wir für vater
ein schmerzmittelrezept
der regenbogen von dem du erzählst
wie schön ist der am ende?
ich hab eine landesfahne gesehen
die sah wie ein urinstreifen aus
in dem schach das sich grad noch ausgeht
in meinem leben
hab ich dir geholfen
meine türme zu schlagen
ah!
du sagst mich quälen die farben
du sagst ich kenn nur den glanz
von licht und finsternis
ich sterb unter bunten lichtern
der großstadt
und starr immer noch auf wahr und falsch
ewig unverständlich
im vorbestimmten schicksal
fällt mein letzter blick
auf meinen großvater
ein farbenblinder bauer
der hat in seinem leben
blutrotes korn eingefahren
On Day of National Shame
sirens sounding three times
under my balcony
in the neighboring courtyard
a small car starts to wail
– acupuncture reaction?
wailing and howling
hasn’t stopped yet
When granddad was small,
herding cattle and sheep was in fashion.
When papa was small,
the fashion was playing war games.
Charge!
Peng peng peng!
Our fashion now
is raising hamsters
and raising turtles.
In our class,
every boy has a turtle,
every girl has a hamster.
Me, I have both.
I like hamsters and turtles.
할아버지께서 어렸을 때
소나 양을 방목하는 것이 유행이었고
아빠가 어렸을 때
전쟁놀이를 즐기는 것이 유행이었다
돌격
따따따따
우리는 현재
햄스터나 거북이를 기르는 것이 유행이다
우리 반에서
남자애들은 대부분 거북이를 키우고
여자애들은 햄스터를 기른다
난
햄스터도 기르고
거북이도 키운다
wo waren damals die normalen leute?
fragt ein kleines kind
bei stephan eibel erzberg
als der vater kz-namen vorliest
mein großvater war bei der partei
fahrdienstleiter im waldviertel
möglichst weit weg vom krieg
er hat einen freund versteckt
einen roten
samt seiner familie
mein anderer großvater war in wien bei der feuerwehr
wurde deshalb spät eingezogen
ausgebildet als polizist
an die front geschickt
in gefangenschaft an krankheit gestorben
mein vater weiß nicht viel mehr
wird nicht viel mehr wissen
obwohl er weiß was die deutsche armee
und polizei an der ostfront gemacht hat
der großonkel ging nach australien
wer immer konnte aus der familie
einer musste leute erschießen
in der nähe von wien
der war später gaga
fuchsgasse hinter dem westbahnhof
dort ist mein vater geboren
die wohnung war von einem juden
meine oma ist fast verhungert
1945
als verrückt eingeliefert
dort waren alle normalen leute
an all diesen orten
waldviertel, bahnhof, ostfront, kz
erschießungskommando
in gigritzpatschen
dort waren alle normalen leute
(English version and explanations see China Change)
STRESS!
Morgens hass ich die USA,
zu Mittag Südkorea,
am Abend Japan.
Ich bin sehr beschäftigt mit Taiwan und Singapur.
Dann träum ich von Vietnam und den Philippinen.
Montag gegen Südkorea,
Dienstag gegen Japan,
Mittwoch USA,
Donnerstag unabhängiges Taiwan,
Freitag aufmüpfiges Hongkong,
Samstag undankbares Tibet,
Sonntag fromme Uighuren.
sie haben ein altes theater abgerissen
sie haben einen ahnentempel demoliert
sie haben den hof ausradiert, wo der urgroßvater geboren wurde
wo sein urenkel hochzeit halten wollte
sie haben das ganze dorf abgerissen mit dreihundert haushalten
und stammbäumen von 400 jahren
und die alten gräber die keiner mehr kennt
sie wollen ein vergnügungsviertel errichten
sie wollen ein kaufhaus erbauen
und noble wohnhäuser
das kann ich verstehen
was ich nicht verstehe
tut was ihr halt tut
aber dass ihr hier wo das dorf der familie shen war
ein großes schild hinstellt
“slumviertel-umgestaltung”
ihr stößt leute nieder
und spuckt auch noch drauf
strongman, he is not a bird
strongman, he is not a plane
what is strongman all about?
strongman makes it strong for you
strongman, he makes all the shots
strongman, he makes all the drinks
strongman, he makes every sauce
strongman, chairman get along
strongman makes you extra strong
makes you swallow his strongsong
don’t tell me you didn’t know
NICHT ÜBERRASCHT – 江湖海 Jianghu Hai
5月 24, 2020Jiang Huhai
NICHT ÜBERRASCHT
Jemand postet für eine Ausstellung internationaler Gedichte
im Viruskampf die Liste der eingeladenen AutorInnen.
Der erste Kommentar unten ist die Frage:
„Da ist Jian Ming dabei,
der ist doch schon voriges Jahr gestorben?“
Noch ein Kommentar:
„Wu An ist bald fünf Jahre tot,
hast du ihn gefragt ob er mitmacht?“
Ich les weiter und sage nichts.
Vor einigen Jahren bei einer Veranstaltung
hat eine Sprecherin der staatlichen Künstlervereinigung
verkündet: „Der große Dicher Ai Qing [Vater von Ai Weiwei, 1910-1996]
wird auch bei uns live davei sein!“
Als ich das gehört hab
hab ich kalten Schweiß gespürt.
Jetzt passiert mir das nicht mehr.
Wenn du mir heute sagst,
Konfuzius plant ein Buch der Lieder
gegen Corona bin ich überhaupt nicht überrascht.
März 2020
Übersetzt von MW im Mai 2020
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