Covid the chameleon tiger
has chosen summer days in May 2023
to jump at me. Whatever for,
the weather is hot, plants are thriving.
The virus wants to borrow my body.
Is there no better choice? Well, ok.
Go ahead. I know there is a ruin inside me,
must be some other garbage I don’t know about.
That feeling of being roasted on a fire,
if you take out the pain,
it’s very much like being drunk, weightless moment,
soul taking flight.
I have cooked crabs over a fire,
I fried fish and eggs.
Now I am also over a fire,
slowly cooking me till my last breath.
There is a fly,
came in when the food express guy
opened the door.
To kill it or not
maybe requires a UN session.
Little brother comes with medicine,
wants to cook for us.
I push him out the door,
he says “so what if I get it”,
sending himself to the tiger’s mouth.
It throws people to sick beds,
shrinks the economy,
still they crown it with a corona.
New corona,
lord of the future,
man, makes me shudder.
High fever is like riding clouds,
body changing into sweet taffy.
Flames burning, burning
until they consume you.
Who has invented this fabulous thing
over three years ago, no-one admits it.
They are making a big science-fiction movie,
an amazing court case.
For now it’s politics,
ruling, curing, controlling,
coughing and dying, everyone goes through sieves.
Who knows where it comes from,
it goes through your body,
just for a short while, goes no-one knows where.
This back and forth, does it hide any absolute truth,
I can’t sleep at night,
looking for answers.
Brautigan comes
right on time
my book for this sickness
He says at my death, at my death,
what a desperate fellow
May 2023
Translated by MW, May 2023
《布劳提根》
佐我度病的读物
竟然正好是
病中到货的布劳提根
他说我的死上 我的死上
真是一个绝望的家伙
A POEM COMES FLOATING
A poem comes floating
out of my brain
riding a cloud
A chicken a bird
it is what it is
May 2023
Translated by MW, May 2023
《漂过一首诗》
有时一首诗
从头脑中漂过
骑着一片云
一只鸟 或一只鸡
都无碍于它的本质
Sculpture and photo by Tristan Tréhin
FEAR ACCORDING TO AGE
Fear changes according to age.
I was very small,
afraid of the dark.
Afraid of remaining alone in the dark.
I was a little bigger,
could work in the fields.
Afraid of snakes,
needed to clear a path with a sickle step after step.
Then even bigger,
for years afraid of the crazy guy.
He lives in the village where I go to school,
lonely and evil, chasing the women.
Chased me right up to the dormitory,
scared me out of my wits.
Grown up,
afraid of working forever and ever
year after year,
consuming my life.
A few years later,
maybe because of writing,
taking part in poetry meetings:
Fear of missing a train,
of leaving behind my make-up things.
I want to present a beautiful face
at the assembly,
so I wake from dreaming I can’t find my ticket,
I can’t find my make-up, I run back and forth.
Actually
when you want it how could it be there
it is a chase for life
Getting just a little closer
occasionally grabbing a claw or a fin
could knock your teeth out with shock
Like right now
do you see it
That dinosaur
running at you
In my own cook book
there is a page with a dish called “Prajna”,
in brackets (ship).
Cucumber bits, sesame, chili powder,
garlic paste, garlic oil, soy sauce,
oyster sauce, sugar.
From December 2019 until May 2023
When I was infected for the first time
how many things did we go through?
Cities sealed off, roads, villages, apartments,
mouths and noses. Vaccination, testing,
isolation. Containers,
health code. Mobility code. Green code,
red code, orange code. Three colors code.
Big sieve. Daily sieve. Sieve after sieve after sieve…
Ambulance. Crematorium.
Frozen cows and sheep.
Escaping on foot.
If after screaming howling going crazy
crying you don’t figure out the meaning of life
how about learning from master fly?
Going through cracks, ruling the room,
moving at will. Slurps, sucks and bites,
gnaws, chews and licks, swallows and picks,
then suddenly stretching its limbs
dead to the sky.
Houdini the great escape magician
once rode an elephant on the stage
And to prove the power of the mind
in an instant
he made the elephant disappear.
Imagine people’s excitement.
Kids would have wondered before going to sleep
where could the elephant be?
Conan Doyle said it was supernatural,
Houdini said it was just a trick.
Covid der Chamäleontiger
ausgerechnet in Sommertagen Mai 2023
fällt er mich an wozu denn
das Wetter ist Wachsen und Gedeihen
Das Virus will sich meinen Körper borgen
gibts nichts Besseres na gut
bedien dich. Ich weiß in mir steckt eine Ruine,
wahrscheinlich noch Müll von dem ich nichts weiß
Langsam gegrillt werden ist das Gefühl
Ohne das Bisschen Schmerzen
wär ich halt betrunken schwerelos werden
die Seele will fliegen
Ich hab auf dem Feuer Krebse gegrillt
Fische und Eier
jetzt lieg ich auch auf einem Feuer
Werd langsam und sorgfältig ausgedörrt
Da ist eine Fliege
mit dem Essensboten
zur Tür reingekommen
die Frage ob töten oder nicht
kommt vor ein Gericht der Vereinten Nationen
Der kleine Bruder kommt mit Medizin
will für uns kochen
ich schieb ihn zur Tür hinaus
er sagt “krieg ich’s halt”
und liefert sich wirklich dem Tiger aus
Wirft einfach so Leute aufs Bett
lässt ganz klar die Wirtschaft schrumpfen
und wird doch gekrönt
aufs Neue gekrönt
die Herrin der Zukunft
der Schluss lässt mich jedenfalls zittern
Hohes Fieber, Wolken reiten,
der Körper wird Zuckerwatte
die züngelden Flammen
Du weißt nicht bis wann haben sie dich verzehrt
Wer hat das erfunden
vor über drei Jahren niemand gibts zu
wahrscheinlich kommt bald ein SF-Film
ein großer Gerichtsfall
Jetzt schon Politik
regieren kurieren kontrollieren
die Toten die Kranken jeder kommt durch ein Sieb
Wer weiß woher das Virus kommt
es geht durch deinen Körper
Es wohnt kurz darin geht wer weiß wohin
Im Kommen und Gehen, liegt da höchste Wahrheit
das lässt mich nicht schlafen
ich such die ganze Nacht eine Antwort
Mai 2023
Übersetzt von MW im Mai 2023
BRAUTIGAN
Meine Lektüre für die Krankheit
Brautigan ist
ganz pünktlich gekommen
Er sagt mein Tod, er sagt mein Tod,
ein richtig verzweifelter Kerl
GEDICHT KOMMT GEFLOGEN
Manchmal fliegt ein Gedicht
aus meinem Hirn
auf einer Wolke
Ein Vogel ein Huhn
es ist was es ist
ANGST JE NACH ALTER
Ängste ändern sich nach dem Alter
Als ganz kleines Kind:
Angst vor der Dunkelheit
Auf einmal bin ich im Dunkeln allein
Ein bisschen größer:
Alt genug für Feldarbeit
Angst vor Schlangen
Schritt für Schritt mit der Sichel kämpf ich mich vor
Noch ein bisschen größer:
Jahrelang Angst vor dem Verrückten
Er wohnt in dem Dorf auf meinem Schulweg
ein ekliger einsamer Mann
Er rennt mir nach bis zum Schülerwohnheim
ich heul mir die Seele aus dem Leib
Endlich groß geworden:
Angst vor endloser Arbeit
Jahr um Jahr verbrauchen
die Schönheit der Jahre
Noch später:
Weil ich schreibe
ab und zu teilnehme an einem Treffen
Angst den Zug zu versäumen
das Make-up zu vergessen
Weil ich ein schönes Gesicht zeigen will
vor der Versammlung
wach ich dann auf aus einem Traum
in dem ich Tickets und Make-up nicht find
WAHRHEIT
Wirklich
wieso soll sie da sein wenn du sie willst
du rennst ihr ein Leben lang nach
kommst ein bisschen näher
erwischt ein kleines Stück von der Flosse der Kralle
vom Schrecken verlierst du gleich einen Zahn
wie jetzt im Moment
hast du sie gesehen
der Saurier rennt
grad auf dich zu
PRAJNA DIE SPEISE
In meinem eigenen Kochbuch
steht wirklich die Speise “Prajna”,
in Klammer (Schiff).
Gurkenstücke, Sesam, Paprikapulver,
Knoblauchpaste, Knoblauchöl, Soyasauce,
Austernsauce, Zucker
SIEBENUNDSIEBZIG MAL GESIEBT
Vom Dezember 2019 bis zum Mai 2023
bis ich erst angesteckt worden bin
was ist dazwischen alles passiert
Stadt eingeschlossen Straße Dorf Wohnung
Mundschutz Impfung Testen
Isolierung Container
Gesundheitspass Mobilpass Grüner Pass
Roter Pass Oranger Pass dreifacher Pass
Großes Sieb Tagessieb Sieb Sieb Sieb…
Rettungswagen Krematorium
Erfrorene Rinder und Schafe
Zu Fuß über alle Grenzen und Zäune…
ÜBER DEN SINN
Wenn Kreischen Brüllen Wahnsinnig werden
Heulen nichts helfen beim Suchen nach Sinn
warum nicht lernen von Frau Fliege hier
kriecht durch jeden Spalt herrscht in jedem Raum
fliegt wohin sie will saugt schlürft beisst und nagt
kaut leckt schluckt und pickt
in einem Moment alle Viere gestreckt
in den Himmel das wars
HOUDINIS ELEFANT
Der große Entfesselungskünstler Houdini
ritt eines Tags einen Elefanten
auf die Bühne
und um Gedankenkraft zu beweisen
ließ er in einem Augenblick
den Elefanten verschwinden
Man stelle sich nachher die Aufregung vor
Die Kinder die vor dem Einschlafen fragen
wo ist der Elefant
Conan Doyle meinte das sei übernatürlich
Houdini sagte es sei nur ein Trick
Nach vielen Jahren
bin ich endlich reingewaschen,
kann ein neues Leben beginnen.
Ein guter Freund begleitet mich:
“Denk daran,
tausend zehntausend Mal,
du gehst raus aus dem Tor
geradeaus vorwärts,
und schaust nie zurück!”
Ich hab zugehört und habs mir gemerkt.
Aber nach dem Rauskommen
wollt ich noch einmal schauen.
War schon sehr weit gegangen,
habs nicht mehr ausgehalten,
hab mich umgeschaut, den Moment,
hab einen Polizisten gesehen,
der hat bei dem Tor eine Tür
aufgemacht, um reinzugehen.
Unser einziger Stolz
ist, dass wir lachen über Leute in Wien,
die gehen mit Bannern auf die Straße
und protestieren ihr Leben sei schlecht.
Wenn unser Leben nicht gut ist,
gehen wir nie auf die Straße,
murren nur wir sind nicht fleißig genug.
Und manchmal halt,
egal ob wir leben,
dürfen wir gar nicht auf die Straße.
19. September 2022
Übersetzt von MW im September 2022
Wir trinken im Wohnheim,
plaudern über seine Vergangenheit.
Er war zwei Mal im Gefängnis,
insgesamt achtzehn Jahre.
Seine ganze Jugend ist draufgegangen.
Die Haftregeln kennt er, zuerst 58, zuletzt 38.
Zwei Epidemien, SARS und Covid 19.
Er ist 42, bereut am meisten, dass er zur Armee ging.
Da war eine Frau in Henan,
die war schon von ihm schwanger.
Sie hat ihn angerufen, sie war im sechsten Monat.
Hat über ein Jahr auf ihn gewartet.
Aber als er draußen war, war sie vergeben.
Das Kind war geboren, eine Tochter.
Sie heißt Ya Jun,
den Namen hat er ausgesucht.
[Jun bedeutet Armee]
Aber sie hat nicht seinen Familiennamen.
er ist eingesperrt im verhörraum,
sieht mich stehen am fenster, ich starr in den pechschwarzen himmel
er fragt, ob es sterne gibt,
ich sage, nein
er reibt sich die glatze mit der linken hand,
dann mit der rechten,
sagt, in der nacht als ihr mich hereingebracht habt,
da war der himmel
noch voller sterne
Die Vögel im Tiergarten
leben in einem riesigen Käfig.
Darin gibt es einen künstlichen Berg.
Geier und Eulen
sitzen auf ihren eigenen Klippen,
wenn sie disputieren,
lachen sie
über einen Adlervogel,
der schaut nur ewig
in einen abgetrennten Himmel.
Im Warteraum
schaut mich eine Frau lange an,
auf einmal kommt sie zu mir.
Großer Bruder, eine Frage, kennen Sie mich noch?
Ich schüttle den Kopf. Die große Schwester von Soundso Ping, sagt sie,
vor über 20 Jahren bin ich zu Ihnen gekommen,
mein kleiner Bruder ist, wie Sie wissen,
dann statt zum Tod zu lebenslänglich verurteilt worden.
So viele Jahre sind meine Eltern und ich
die ganze Zeit auf dem Weg zum Gefängnisbesuch gewesen.
Die Fabrik daheim ist auch schon weg,
verkauft worden, wir haben Geld gebraucht.
Papa ist auf dem Weg zum Gefängnis gestorben,
Mama auch bald danach.
Ich selbst bin immer noch allein.
Mein Bruder war verrückt und hat jemanden umgebracht,
aber er lebt noch, nur unsere Familie ist schon gestorben.
Ich will sagen, hätte man ihn gleich zum Tod verurteilt,
wärs vielleicht besser gewesen.
Aber ich halt mich zurück.
I saw a small monkey
escape from its cage
on Monkey Mountain
by climbing big trees.
He walked for a while
on the perimeter wall,
looking back to the cage.
He saw no other monkeys following,
so he returned
the same way.
Mama Liu
lebt von Mindestsicherung,
sie kauft Kirschen,
nimmt eine nach der anderen in die Hand,
kauft 50g
Sonnenblumenkerne,
wählt jeden Kern
einzeln.
Sie streitet mit jemandem
ebenso gründlich,
stößt ein Wort
nach dem anderen
heraus.
Die junge Kassierin sagt,
seit Mama Lius
Sohn im Gefängnis ist,
ist seine Frau mit dem Enkel weg,
hat einen anderen geheiratet.
Onkel Liu ist
in den Fluss gesprungen.
Sie hat jetzt viel Zeit,
die kann sie sich
vertreiben.
I wrote this poem in response to photos of a lawyer in China, reunited with his family after years in detention. That was one year ago at the end of April. Liao Yiwu wrote a poem, and I wrote mine in response. I wrote the poem in Chinese and in German, later also in English. When I posted the Chinese version in China, many people thought the poem was about the end of the first Covid lockdown in Austria. That’s okay. Poetry is poetry. Freedom, let’s hope it is freedom. Heartfelt thanks to Farzaneh Dorri for the Persian translation!
Xing Hao AUF DIE NACHRICHT ICH MACH EINE KUNSTAKTION AM KULTUR- UND SPORTPALAST-PLATZ
Die große Tochter reagiert am schnellsten: – Opa, wenn du uns blamieren willst, gib vorher das neue Handy zurück, das ich dir gekauft hab!
Die jüngere Tochter reagiert noch stärker: – Opa, du machst wirklich Probleme, am besten du hörst überhaupt auf zu malen!
Meine Frau hält sich eine Weile zurück, wirft dann boshaft ein: – Lasst ihn doch, lasst ihn verrückt spielen! Wenn er verhaftet wird, geht ihn keiner rausholen!
A book manuscript of 360,000 characters is relased with him, he has served out his sentence. He runs into many friends from before, a wall forms around him. Strangely, the people who envy him are windows with bars. On the street people walk in a hurry, in their looks they carry a prison.
Freude ist einfach Freude Freiheit ist hoffentlich Freiheit Freude ist tief wie ein Traum Verschwunden war gottseidank nicht tot Glück ist einfach Glück
Als er jung war hat er sich das Phoenix-Fahrrad im Brautpreis nicht leisten können und deshalb seine herzensgeliebte Xiao Fang nicht gekriegt. In mittleren Jahren hat sein Sohn als Mittelschüler mitgemacht beim Fahrraddiebstahl, wurde bei einer Großfahndung verhaftet, zu Gefängnis verurteilt. Als alter Mann lernt er, mit dem Smartphone den Barcode zu lesen, um ein Fahrrad zu leihen. Sieht Räder überall auf der Straße, lacht und lacht und weint.
In der Früh wenn du noch den Frost spürst und schon die Wärme ist die beste Zeit um das Leben zu spüren.
MW 19. März 2020
JEDER TAG
jeder tag ist ein gedicht wenn du zeit hast im moment haben viele leute viel mehr zeit als sonst, wenn auch nicht unbedingt ruhe. haben sie einen moment? ist eine häufige frage im moment haben viele viele millionen in vielen erdteilen etwas gemeinsam. natürlich ist das auch sonst der fall aber normalerweise sagt niemand von dieser situation betroffene aller länder, lasst uns einander helfen, so gut wir nur können, oder was glaubst du?
every day is a poem if you have time at the moment there are many people who have more time although you still might not have peace and quiet enough. do you have a moment? is an everyday question. at the moment many many millions in many parts of the earth have something in common. actually that was the case long before, but nobody said affected people of all nations, let’s help each other as best as we can or did they? or did we?
vorige woche ist noch einer durchgeturnt so wie wir vorher fast jeden tag durch den motorikpark bevor sie ihn abgesperrt haben ich hab ihn gesehen vielleicht genau vor einer woche am sonntag in der früh heute gibt es wieder virtuellen gottesdienst nehm ich an vielleicht mach ich eh mit wir machen jeden tag ein gedicht im literadio mach mit wenn du willst
MW 22. März 2020
VÖGEL
vögel singen wie früher wieder ein strahlender märztag im vogelleben kommt glaub ich unsere seuche nicht vor vögel haben keine versicherung vogelfrei was hat das bedeutet menschenfrei manche straßen ein paar wochen lang in wien noch nicht wirklich glaub ich menschenfrei wien war judenfrei haben sie verkündet als der himmel frei für die bomben war und vögel singen wie früher und österreich ist frei nicht wahr
MW 23. März 2020
„Der Raum erstarrt zu einem Netz von undurchlässigen Zellen. Jeder ist an seinen Platz gebunden. Wer sich rührt, riskiert sein Leben: Ansteckung oder Bestrafung. … Jeder ist in seinen Käfig eingesperrt, jeder an seinem Fenster, bei Nennung seines Namens antwortend und zeigend, worum man ihn fragt – das ist die große Parade der Lebenden und der Toten. … Dieser geschlossene, parzellierte, lückenlos überwachte Raum, innerhalb dessen die Individuen in feste Plätze eingespannt sind, die geringsten Bewegungen kontrolliert und sämtliche Ereignisse registriert werden, eine ununterbrochene Schreibarbeit das Zentrum mit der Peripherie verbindet, die Gewalt ohne Teilung in einer bruchlosen Hierarchie ausgeübt wird, jedes Individuum ständig erfaßt, geprüft und unter die Lebenden, die Kranken und die Toten aufgeteilt wird – dies ist das kompakte Modell einer Disziplinierungsanlage. Auf die Pest antwortet die Ordnung, die alle Verwirrungen zu entwirren hat: die Verwirrungen der Krankheit, welche sich überträgt, wenn sich die Körper mischen, und sich vervielfältigt, wenn Furcht und Tod die Verbote auslöschen. Die Ordnung schreibt jedem seinen Platz, jedem seinen Körper, jedem seine Krankheit und seinen Tod, jedem sein Gut vor: kraft einer allgegenwärtigen und allwissenden Macht, die sich einheitlich bis zur letzten Bestimmung des Individuums verzweigt – bis zur Bestimmung dessen, was das Individuum charakterisiert, was ihm gehört, was ihm geschieht. Gegen die Pest, die Vermischung ist, bringt die Disziplin ihre Macht, die Analyse ist, zur Geltung. Es gab um die Pest eine ganze Literatur, die ein Fest erträumte: die Aufhebung der Gesetze und Verbote; das Rasen der Zeit; die respektlose Vermischung der Körper; das Fallen der Masken und der Einsturz der festgelegten und anerkannten Identitäten, unter denen eine ganz andere Wahrheit der Individuen zum Vorschein kommt. Jedoch gab es auch einen entgegengesetzten, einen politischen Traum von der Pest: nicht das kollektive Fest, sondern das Eindringen des Reglements bis in die feinsten Details der Existenz vermittels einer perfekten Hierarchie, welche das Funktionieren der Macht bis in ihre letzten Verzweigungen sicherstellt. Hier geht es nicht um Masken, die man anlegt oder fallen lässt, sondern um den »wahren« Namen, den »wahren” Platz, den »wahren« Körper und die »wahre« Krankheit, die man einem jeden zuweist. Der Pest als zugleich wirklicher und erträumter Unordnung steht als medizinische und politische Antwort die Disziplin gegenüber. Hinter den Disziplinarmaßnahmen steckt die Angst vor den »Ansteckungen«, vor der Pest, vor den Aufständen, vor den Verbrechen, vor der Landstreicherei, vor den Desertionen, vor den Leuten, die ungeordnet auftauchen und verschwinden, leben und sterben.“
How many snowy springs has it been? He walks out through the iron gate of the temporary compound, the janitor’s house behind him, so many eyes stretching outside. He has a bellyfull of words that he wants to dump now but he only says to Officer Yang, I have served out my time. He straightens his back, as if compared to Officer Yang, they let him go early. . 11/27/18 Translated by MW, March 2020
A picture of Hong Kong bookseller Gui Minhai is shown on a placard beside another bookseller, Lam Wing-kee, who criticized Gui’s prison sentence announced by China. Kin Cheung/Associated Press/File 2016/Associated Press
SICK
How many dead now, how many infected?
How many countries?
Is it near us, should we buy masks?
What should we do?
Meanwhile there are other news.
China sentences Hong Kong bookseller to 10 years in prison.
China kidnaps Hong Kong bookseller from Thailand.
China kidnaps whole bookstore.
Five employees.
China makes them confess on TV.
Only one escapes, after years.
Only one talks.
I have seen him in Frankfurt.
He didn’t have a book.
He didn’t have a book stand.
He was out on the square, in the open
on a makeshift platform.
He was very much alone,
although people helped him.
I hope he can have enough peace
to publish a book about his captivity.
I want to see it in every bookstore.
One book for each of them!
Gui Minhai, the bookstore owner, he was sentenced now
for providing intelligence abroad.
How could he do that?
He has been in prison for years,
in secret detention.
He is Swedish, has a Swedish passport.
They let him out briefly
and snatched him again from a train.
He was with Swedish diplomats on his way
to the Swedish embassy.
Must have talked fast then, revealing so many secrets
there on that train, dangerous secrets.
Now they say he says
he wants no foreign passport in prison.
He applied to restore his passport, they say.
They say he does not wish to appeal.
China sentences Hong Kong bookseller.
I guess China
is the sick man of China.
Ältere Leute haben gesagt,
mein Onkel
hat von Natur aus gute Hände.
Als er ein Jahr war
hat der Wahrsager seine kleine Hand
gedrückt und hat nichts gesagt.
Mit 19 hat mein Onkel bereits
einen Ruf in gewissen Kreisen gehabt.
Er ist einer der besten Taschendiebe des Landes geworden.
Mein Onkel hat mir gesagt,
alle drei Male im Gefängnis,
das war jedesmal Absicht,
er wollte sich von seiner Sucht kurieren.
Aber jedesmal nach der Entlassung
auf dem Heimweg hat er weitergemacht.
Mein achtzigjähriger Onkel
hat vor einem Monat ein Feuer entfacht,
um sich zu wärmen,
hat sich als ganzer zu Kohle verbrannt,
nur seine Hände
waren noch unversehrt.
SALUTIERT DEN VERDÄCHTIGEN!
向那些涉嫌犯罪的人致敬
Aus dem kommenden Buch „Der Jordan fließt durch Chengdu“
選自《約旦河穿過成都》
Von Liao Yiwu
Übersetzt von Martin Winter
Meinem Freund Wang Yi wurde in der Vorweihnachtszeit im Geheimen der Prozess gemacht, dann wurde er vom Mittleren Volksgerichtshof von Chengdu zu neun Jahren Gefängnis verurteilt. Die Behandlung entspricht der für meinen 2017 in der Haft verstorbenen Freund, den Friedensnobelpreisträger Liu Xiaobo. Deshalb veröffentliche ich hier als Protest dagegen einen Ausschnitt aus dem neuen Buch, an dem ich gerade schreibe: „Der Jordan fließt durch Chengdu“.
Erst viele Jahre später, nachdem er sie mir gegeben hat, habe ich endlich Wang Yis Gedichte gelesen. Erst als er und seine Frau Jiang Rong schon verhaftet und der „Anstiftung zum Umsturz“ angeklagt waren. Ich habe selbst in der Nacht des Massakers von 1989 das lange Gedicht „Massaker“ geschrieben und auf Tonband gesprochen. Deswegen war ich vier Jahre im Gefängnis, und als ich herauskam, hatte ich einen Abscheu gegen Dichter in den Knochen. Abgesehen von Höflichkeitsgesten habe ich deshalb nie mehr ernsthaft Werke von Leuten aus meiner Generation gelesen. Wang Yi, der jünger ist als ich, hat mir unzählige Male Gedichte und sogar Gedichtbände geschickt. Manchmal hat er sogar etwas gesagt: „Alter Liao, bitte gib mir doch einen kleinen Kommentar, auch wenn es dir nicht gefällt, streich nur an und verbessere es einfach.“ Ich habe immer den Kopf geschüttelt: „Ich bin nur Musikant, kein Dichter.“ Wang Yi war peinlich berührt, er hat mich angeschaut, und nach einer Weile erst hat er gesagt: „Na dann nicht.“
Im Buddhismus sagt man, was du schuldest, zahlst du irgendwann doch zurück. Wang Yi war jahrelang mein bester Freund, abgesehen von Familie war er mir am nächsten. Wir haben oft geplaudert und sind am Stadtrand spazieren gegangen. Er hat mich gerne eingeladen und war nie geizig. Wenn irgend etwas los war, hat er sofort für mich sein Wort eingelegt, abgesehen von dem Zuspruch, den er mir immer gegeben hat. Aber ich hab das völlig unbewegt einfach als selbstverständlich empfunden – ich hatte ja „Massaker“ geschrieben und war über Nacht zum Helden geworden, obwohl das schon eine Weile her war und mir die Leute mittlerweile auf dem Gehsteig ausgewichen sind wie einem Haufen Hundescheiße. Meine innere Verfassung war auch verändert; wenn ich allein war, hab ich an die Folter und die Erniedrigungen im Gefängnis gedacht und geweint, ich hab mir sogar an die Brust geschlagen. Ich hab mir vorgesagt, du darfst nie wieder verhaftet werden. Ein geprügelter Hund mit gebrochenem Rückgrat. Das Einzige, das mir meine Selbstachtung erhalten hat, war das Schreiben nicht aufzugeben. Ich hatte Angst vor dem Vergessen, also hab ich alles aufgezeichnet über die Menschen, denen ich begegnet war. Aber Wang Yi und auch Yu Jie, die haben mir am meisten geholfen, und ich habe sie fast nie erwähnt.
Außerdem hat Wang Yi wirklich ein großes Talent als Dichter!
In dieser Zeit schreib unbedingt ein verdächtiges Gedicht!
Eine Zeile Chinesisch stürzt eine Regierung.
Ein Sonett mit vierzehn Zeilen stürzt 14 Regierungen.
Auf dem Maskenball lass dich erkennen
von denen, die dich kennen. Die anderen lass dich ja nicht erkennen.
In dieser Zeit schreib ein Gedicht, das dem Führer Angst macht!
Eine Metapher ist eine Atombombe.
Die Sängerin weiß nichts, absurdes Papier, Tränen ums verlorene Land.
In den schlimmsten Tagen kommen die höchsten Wellen.
Der Tod, als Gefangener, festgehalten vom Wasser.
Wer ist kein Angehöriger politischer Gefangener?
Wer ist kein Hinterbliebener wandernder Seelen?
In dieser Zeit sag ein Gedicht auf, das sind zwei, drei Verbrechen.
Wenn du nichts aufsagst, wirst du aufgesagt.
In dieser Zeit führen Blinde Selbstgespräche,
heilig, heilig, heilig. Blinde fragen Taube, hast dus gesehen?
In dieser Zeit schreib ein verdächtiges Gedicht!
Salutiert den Verdächtigen!
Das ist von 2015. Jiang Rong und er waren schon lange getauft, und waren schon alte Bekannte auf Wachstuben und im Polizeikommissariat. Weit entfernt vom Dicken Wang, der mit mir im Drei-Eins-Buchladen auf der Zhazi-Straße herumgesessen und Tee getrunken hat. Das ist ein Heldengedicht, das auf einmal herausspringt aus der anhaltenden allgemeinen Gemeinheit nach dem Massaker vom 4. Juni 1989. Es lässt mich an Filme denken wie Braveheart oder Der letzte Mohikaner. Am Ende von Braveheart wird der Held von den königlichen Soldaten gefesselt aufs Schafott geführt. Ein Priester kommt und fragt ihn, ob er bereut. Alle Blicke sind auf ihn gerichtet, alles ist still, und er brüllt mit letzter Kraft: „Freiheit!“
Der Henker lässt die Axt niedersausen. Wang Yi hat dieser Film sehr gefallen, aber er hat auch vorausgeahnt, dass er selbst um seinen Kopf fürchten muss. Er war zwar Pastor, aber er war eben nicht mehr irgendein Stammgast im Drei-Eins-Buchladen, der sowohl in den Alltag als auch in die Bibliothek und in Gelehrsamkeit eintauchen konnte. Sein guter Freund aus Studentenzeiten, der Schriftsteller Lei Ligang, erinnert sich:
„Damals waren sie ziemlich arm. Einmal waren wir zusammen im Carrefour, und Wang Yis Frau Jiang Rong hat vor den vollen Regalen geseufzt: „Wenn wir nur eines Tages einfach kaufen könnten, was wir gerne essen!“ Das hat mich traurig gemacht, wir haben alle zu den Schwachen gehört, die beim Lebensmittel-Einkaufen genau auf den Preis achten müssen.Damals waren wir vier, also Jiang Rong und Wang Yi und Yuhuan und ich, wir waren jeden zweiten Tag beisammmen, wir haben gegessen und Karten gespielt. Yuhuan und ich, wir waren vom Temperament her die Stärkeren, Wang Yi und Jiang Rong waren viel sanfter und nachgiebiger. Jedesmal haben Yuhuan und ich ausdiskutiert, was und wie gespielt wird; wenn wir uns dann einig waren, haben die anderen gleich zugestimmt. Aber in Wirklichkeit haben die zwei viel schärfer gesehen, was in dieser Welt los ist, das haben sie in den Knochen. Wenn das jemand hat, und dann noch im Leben so sanft sein kann, das muss ich einfach bewundern. Gerade weil ich es selbst nicht kann, habe ich davor immer noch Achtung. Wang Yi ist im selben Jahr geboren wie ich, aber ich habe ihn jahrelang immer wieder als einen viel Älteren empfunden, für den ich Respekt haben muss.
Auch wenn es ihm bestimmt sein mag, aber was hat er durchgemacht, das aus dem sanften Wang Yi, den Lei Ligang beschrieben hat, ein solcher Don Quichotte geworden ist? Was geht da innerlich in ihm vor? Dazu hat er nicht lange nach dem oben zitierten Heldengedicht auch einen wichtigen Text geschrieben:
Wang Yi
GIB MIR EIN PAAR MINUTEN UM TRAURIG ZU SEIN
Gib mir ein paar Minuten, um traurig zu sein.
Soviel ist passiert, das lässt einen ersticken.
Lass mich ein bisschen schwach sein,
im dunklen, abgeschlossenen Zimmer,
wie meine Freunde, die sie abgeführt haben,
in der Nacht abgeführt haben wie Jesus,
durch die Stadt, die böse geworden ist.
Gib mir ein paar Minuten, um traurig zu sein,
ich erwarte die Freude, überraschende Freude.
Unterbrich mich nicht durch Hüsteln,
sag mir nichts weiter, nur ein paar Minuten
lass mein Handy stumm sein, kein Kurier soll an die Tür klopfen.
Ich muss allein sein mit meiner erstickenden Seele,
auch wenn die Welt gerade jetzt einstürzt,
wenn ein wichtiger Mensch gerade jetzt stirbt,
das ist für mich alles als wär nichts geschehen.
Denn ich bin traurig
wie eine Frau mit zerrauften Haaren.
Gib mir ein paar Minuten, um traurig zu sein.
Ich will mich nicht waschen, will mich nicht kämmen,
will nicht herauskommen, will dich nicht sehen.
Dafür, dass der Tränen-Damm bricht
wegen einer unglaublichen Nachricht
gib mir ein paar Minuten, um traurig zu sein.
Damit das Licht noch mehr sticht,
damit ich hunderttausendmal üb
für den Augenblick wenn du zur Tür hereinkommst.
2015-07-11, Rüsttag
Lieber Dicker Wang, ich hab es endlich gelesen, ich hab es angeschaut und werde dafür sorgen, dass es noch mehr Leute lesen und sehen. Du bist im Gefängnis, und ich muss dir einfach ein paar Minuten geben, oder ein paar Jahre, oder noch länger. Ich werde nicht schreien wie früher, und auch nicht einfach verschwinden, wie damals, als ich aus China geflohen bin. Vielleicht muss ich auch einmal richtig bereuen, haha, du weißt, das war nicht ernst gemeint, einen lahmen Hund hebt man nicht auf die Mauer. Lei Ligang kennt dich besser als ich, aber er hat noch viel weniger aufgemuckt […]
Auf der Fahrt mit dem Bus Nr. 18
bin ich tief im Schlaf
niemand kümmert sich
aber irgend jemandem
kommt ein Wasserglas aus
ich schreck aus meinem Traum —
“Gefängnis Dezhou”, nächste Station.
Why are we here?
Why are we alive?
To look at the moon.
To think of each other,
to help each other,
to work for each other.
Why are we here?
To look at the moon.
To feel spring.
Why are we alive?
To feel alone,
to feel hurt.
Why are we here?
To look at the moon.
To look for each other,
to be together,
to smell the night.
Why are we alive?
To feel cold.
To hear the city,
to hear each other.
To look at the moon,
whenever we can.
MW March 2019
LI BIFENG
Daddy, who is this?
He is called Li Bifeng.
I just translated a poem by him.
He is in prison.
They are all in prison.
This one is a writer, too.
Why is he in prison?
He took part in protests, demonstrations.
Demonstration, you remember what that is?
Yes, we were in one together this year.
Where is this?
This is in China.
What else did he do?
He organized strikes.
Do you know what strikes are?
No.
Strikes are when workers in a factory say they won’t work,
all of them.
To get better pay.
To get insurance, you know what that is?
When you are sick, to get money
from insurance so you can get a doctor,
go to hospital.
Daddy, are there any places with no government?
Good question.
There are some places where women are in charge.
They own the land, they run things.
Used to.
Sometimes still do.
Places in China.
Well, they should.
Women are important. Women bear children.
I don’t know if there are any places with no government.
There are some places with not many people at all.
Deserts, mountains.
MW 2013
COMING ROUND
the moon is coming round
she will be perfectly full very soon
she has been out cold for a very long time
people like her
they try to revive her
she’s coming round
it’s always like that
this time of the year
20 years ago I wrote my first Chinese poem.
It was in Chongqing. “Wanbao, wanbao!”
That’s what they cry, all over China. Every afternoon.
“Evening news, evening news!”
Evening paper, every town has one.
Some have morning papers, those are called Zaobao,
most of them.
“Get your evening paper!”
Anyway, “wanbao, wanbao!”
could mean late retribution. Bào, what comes back, gets back,
a report. Wan, late. Zao, early.
“Wanbao, wanbao!”
Chongqing was the wartime capital.
Jiefang bei, liberation monument, is the city center.
It’s not from 1945 or 1949,
it’s from the 1930s or so.
Most people don’t know exactly.
Emancipation column. One of my students called it that.
Kang Di, think it was her.
Emancipation in German means women’s lib.
“Emanzipationssäule”.
I was teaching German.
Women’s Liberation Monument.
Women’s Rights Monument.
She didn’t know emancipation means many things.
Didn’t want to correct her.
Another essay was about marriage.
Were they really so conservative, our elders,
when they married a stranger,
when they slept with a stranger they had never seen before?
Good question.
Good essays, especially the girls, the young women.
“Wanbao, wanbao!”
In Beijing it sounded more like “wanbo!”, although Beijing supposedly
is where Mandarin comes from.
“Wanbao, wanbao!”
Chongqing is a hilly city. No bicycles. What did they do, back in the 1960s,
1970s, ’80s, when no-one had a car?
They had porters, for the steep slopes with the stairs,
I guess they’re still there.
“Bang-bang”, people for hire.
They bang on their tools, bang their tools together.
Bang-bang are men, but there are women porters.
Hong Ying’s mother carried sand, rocks and gravel.
Daughter of Hunger, her most famous book.
Daughter of the River in English, it was a bestseller.
Hungry Daughter, Ji’e de nü’er.
That’s right, they have a “ü”, just like in German,
and like in Turkish. Ürümqi, city in China,
nowadays governed like North Korea.
Many re-education camps. They had prisons in Chongqing,
Liao Yiwu was in there,
another famous writer from China.
Didn’t know him then. But Chongqing is about war and imprisonment.
Lieshimu, that’s the address
of our university. We taught German and English.
Two universities, one foreign languages,
the other law and police. Law and politics. Yes, they are not separated.
“Wanbao, wanbao!” No zaobao in Chongqing,
although I’m not sure now.
Lie-shi-mu, Martyr’s Grave.
Geleshan, Gele Mountain, right behind our college,
other side of the train tracks.
Someone was murdered there, some gambling debt.
Students died, one or two every few months.
Nice walks on Geleshan, very peaceful, really.
“Wanbao, wanbao!” Every city in China.
Nowadays people have cell phones,
but there are printed newspapers and magazines.
And printed books, there is no crisis.
“Wanbao, wanbao!” Late reports, late reports.
From the guns. Or whatever.
Karma. Shan means good, doing good.
A Buddhist word. Shan you shanbao,
doing good has good returns.
Wouldn’t that be nice?
But teachers believe it, teachers and parents,
again and again, otherwise you go crazy.
They went crazy too, war and famine,
all the way till 1961, ’62. When Hong Ying was born.
No, also 1969,
Cultural Revolution, like civil war.
Shan you shan-bao,
good deeds, good returns.
“Shan you shanbao, e you e-bao.”
E like in Urgh! Like something disgusting, that’s what it means.
Ur yow ur-pow, something like that. But more like b.
Eh yow e-bao. Yes, “e” like ur. “You” like yo-uw.
Shàn you shànbào, è you èbao.
Do good for good returns, do bad stuff for bad returns.
Not that it doesn’t come back, time isn’t ripe.
That’s how it goes on.
You throw the boomerang, boomerang doesn’t come back,
they tell you wait, it’ll come back.
Karma.
And so I wrote a Buddhist newspaper poem.
Bu shì bu bào, shíhou wei dào.
Wei like in Ai Weiwei, “ei” like in Beijing.
Wei means not yet, that’s his name. Really.
“Wei” like the future.
His father was the most famous Communist poet
of the People’s Republic. Imprisoned in the 1930s,
maybe in Chongqing. Then again under Mao.
Exiled to Xinjiang, North Korea today, re-education camps.
Desert, somewhere between Dunhuang and Ürümqi,
what was the town? It’s a big city now.
Ai Weiwei grew up in a hole in the ground, with his brother.
They are both artists. Anyway, where was I?
Bu shì bu bào, shíhou wei dào.
Not that it doesn’t come back, time isn’t ripe.
Emancipation monument.
MLK day, I have a dream.
They had to memorize the whole speech,
in schools in China, 1970s.
Maybe earlier too, maybe till now.
Good deeds, good returns.
Bad deeds, bad returns.
The Chinese Dream.
Not that it doesn’t come back.
Zao you zaobao, wan you wanbao.
Morning has morning papers, evening has evening news.
Early deeds, early returns.
Late deeds, late returns.
Late returns after gambling.
Famous party secretary, famous police chief,
they are in prison now. Or one is dead?
Killed a British guy, now they imprison Canadians.
Anyway, my poem.
Wanbao, wanbao!
Wanbao, wanbao!
Zao you zaobao,
wan you wanbao.
Bushi bu bao, shihou wei dao.
Actually the saying goes on, the Buddhist Karma.
Once time is ripe, everything comes back.
You don’t need to say that. People know.
Dianqiu Gujiu, 1959 in Miluo, Provinz Hunan, geboren. Eisenbahnpolizist in der Provinz Guangdong (Kanton). Publiziert seit 1985. Gehört zur Richtung der Abfalldichter (Laji shipai).
am feiertag denk ich an meine mutter
einmal bei einem streit
heb ich einen hocker
du vieh! schreit die nachbarin-tante
schlägst sogar deine mutter
ich hab den hocker trotzdem geworfen
nur absichtlich bisschen daneben
horse sculpture
half out of its stable
but from up close it’s alive
imprisoned in a two square meter box
awkwardly craning
its living specimen head
the mane has been coloured
and made into pigtails
eight-hour shift each day
just like me
3/18/18
Tr. MW, May 2018
Pang Qiongzhen PFERDEMUSEUM
eine pferdeskulptur
lugt aus dem stall
von nah ist es wirklich ein pferd
eingeschlossen in zwei quadratmeter bühne
bewegt es den lebenden
kopf den es darstellt
mit bunten zöpfen
acht stunden dienst
jeden tag
so wie ich
Haven’t been to Yishan Lake for a long while.
Tonight I am taking a stroll with my wife.
She says
so many people pop up all of a sudden.
I say probably very few of them know
This used to be the May Seventh Cadre School
labor camp of Suzhou.
Back then in the Cultural Revolution,
so many people all of a sudden.
Two years ago at this time
I was in Vermont.
In that month,
I was with poets and writers, all kinds of artists,
everyone doing their stuff.
60 people,
I was the only one waiting for news on the Nobel.
I asked them
why they didn’t care.
They gave me strange looks,
like I was some Chinese bug on the ground.
Oh, we have such a deep Nobel complex,
it’s in our cultural genes.
Plainly said it’s opportunism,
always looking for shortcuts,
no doubt about it.
I remember
three years ago
in Vermont,
Austrian sinologist Martin Winter told me
he didn’t agree
when I translated “light” into “guangming” 光明,
bright light.
“Light is just light”, he gave no reason.
I thought he didn’t like
the false pathos from the Mao era,
using big words.
Only just now
I see the light!
光 guang is immediate experience,
if you add 明 ming, meaning bright
the language is one step removed.
A colloquial poetry eagle
doesn’t pick up second-hand words.
we have a late poet and critic
in his many writings
he also named my greatest sin:
after 1989,
the Third Generation of elite poets –
some went to prison
some went into business
some had stopped writing
hence my sudden rise
this kind of thinking is interesting
let me use it on Charles Bukowski
from 1960 to 62
China was stuck in extreme misery
people were starving
he didn’t care if we starved to death
kept slurping cheap wine
kept writing good poems
and became famous
LIU XIA. Eine Fotografin aus China. Vernissage am 10.Februar 2015. Ausstellungsdauer: 21.Februar – 19.April 2015 m Martin Gropius Bau Berlin. LIAO YIWU
KLAGE UM LIU XIAOBO
Von Liao Yiwu
Er ist tot, was kann das ändern.
Hell scheint die Sonne, Schnee auf den Alpen
glitzert wie Fischschuppen. Seine Asche im glitzernden Meer,
Fischschuppen. Unsere Erinnerung an ihn
schwimmt weg wie Fischschuppen?
Was wird das ändern, er ist tot.
Ein zerrissenes Buch.
Seine Frau, ein verletzes Lesezeichen
rutscht aufs Bettpolster. Sie schaut ihn an,
möcht sich hinwerfen, schrein: „Du darfst nicht sterben! Mein Lieber, stirb nicht, oh Gott!”
Aber sie darf nur schweigend zuschauen,
ein rausgefallenes Lesezeichen,
schaut wie sein Buch zerrissen wird, Seite für Seite.
Die ganze Welt sieht, wie er umgebracht wird.
Weißkittel geistern rund um ihn im Käfig.
Ein Büchermensch, wollt um den Tod nicht China verlassen.
Politischer Häftling, vier mal im Gefängnis,
sagt nun er will im Westen sterben. Hört es irgendwer?
Bist du taub, hast du doch einen Mund.
Bist du stumm, du schaust doch noch zu!
Bist du blind – können Blinde sich aufregen?
Über eine Milliarde Blinde, werden sie sich aufregen?
Was kann das ändern, er ist tot.
Ich wart noch auf die Nachricht, dass sein Flieger abhebt.
Vögel schreien im Wind, in der Nacht.
Blüten fallen, Gras wächst. Frau und Tochter im süßen Schlaf.
Ich geh als Geist auf und ab in der Nacht. Er kommt näher,
fegt als Komet am Horizont. Flug in den Himmel, von 1989?
Lässt die Hand seiner Frau los,
sagt ihr noch, sie soll leben, so gut sie nur kann.
Das war vor vielen Jahren am Tian’anmen.
Panzer dröhnen. Schüsse, Schüsse.
Kinder fallen in Reihen, im Reigen. Seelen steigen,
sagen ihm Lebewohl. Sagen ihm, er soll leben,
so gut er nur kann für die Geister des Massakers.
Was wird das ändern, er ist tot.
Angenagelt von der KP, ewig wie Jesus;
steht auf in Folter und Tod.
Ich wart noch, dass sein Flieger abhebt,
dass er seine letzten Zeilen an seine Liebe zu Ende schreibt,
seine Frau in die Ferne begleitet, in der Fremde begraben wird.
Dass wir oft hingehen können, um nach ihm zu sehen;
wenn die Nacht niedersinkt, die Vergangenheit fließt durch die Zweige.
Aber alles ist uns zersprungen. Er hat keine Freiheit,
im Leben nicht und nicht im Sterben. Seine Asche, seine Liebe.
Die ganze Welt schaut zu, wie ein aufrechter Mensch,
ein besonderes Buch, wie es langsam zerrissen wird.
Niemand kann sie aufhalten, die ignorante Gewalt.
Aber jeder möchte sie aufhalten!
Was kann das ändern, lieber Gott.
Er ist tot.
ich bin die seele von einem mann namens nijinsky
ich esse sehr wenig obwohl ich dünn bin
ess nur was mein geist mich essen lässt
ich mag keinen angeschwollenen bauch
sonst kann ich nicht tanzen
ich hab angst vor den leuten
ich habe angst vor ihnen zu tanzen
sie wollen das tanzen zur unterhaltung
aber die unterhaltung ist tot
sie könnens nicht spüren
und wollen doch dass ich lebe wie sie
ich bleib lieber daheim
bleib weg von den leuten
schließ mich ein in die wohnung
schau auf die wände auf den plafond
ich kann auch leben wenn ich gefangen bin
ich bin ein philosoph ohne denken
auf der bühne des lebens
und keine fiktion
ich bin ein geist in einem körper
rede gern in gedichten
also bin ich der rhythmus
schlafmittel helfen mir nicht beim schlafen
alkohol auch nicht
ich werd immer müder
ich möchte gern aufhören
der geist lässt mich nicht
ich will geradeaus gehen
ganz hoch hinauf und runterschauen
die höhe spüren die ich erreichen kann
ich will gehen
vor langer zeit schon
haben wir von diesem vogel gesprochen
keine ahnung woher er gekommen ist
wir waren ganz aufgeregt
er hat uns zum lachen gebracht
an einem abend im winter
in der nacht, da ist er gekommen
wir haben tief geschlafen
niemand hat ihn gesehen
erst in der früh im sonnenlicht
haben wir auf dem glas
einen kleinen schatten bemerkt
der war lange dort
und wollt noch nicht weg
wir haben den winter verflucht
das lange schlafen im winter
wir wollten eine rote lampe
dauernd brennen lassen
um dem vogel zu sagen
dass wir auf ihn warten
die trauben im hof
sind wieder auf dem rahmen gewachsen
die fenster waren nicht mehr zu
wir haben noch auf den vogel gewartet
an einem samstag
bedeckter himmel, kein regen
sind wir zusammen ausgegangen
um ein neues kleid für mich zu kaufen
es ist dunkel geworden,
bei dem wonton-laden mit vielen leuten
haben wir jeder zwei große schüsseln gegessen
auf dem weg zurück
waren wir ganz still
haben uns innerlich nicht wohl gefühlt
daheim angekommen
die lampe im hof ist aufgeflammt und erloschen
eine kette von grünen trauben war auf den stufen
wir sind zugleich stehen geblieben
haben in den himmel geschaut
gleich wieder auf den boden
er war hergekommen
wir haben nicht gewagt, von ihm zu sprechen
nur im stillen an ihn gedacht
gefürchtet, dass er nie wieder erscheint
endlich war die tür offen
der rote glanz hat geleuchtet
auf dem karierten papier
du hast nicht schreiben können
ich wollte das neue kleid anprobieren
und hab die knöpfe nicht aufgekriegt
Montjuic means
mountain of the Jewish cemetery.
In the 1380s
the Jews were driven
out of the city,
gravestones were used
for castle walls.
1000 years ago
there was a light house.
Later the castles built on the top
were often used to shoot on the city.
There’s ample reason,
there are ample historical reasons
for independence.
Catalan language
is everywhere,
Catalan first, Spanish second.
The castle gives you
a history lesson
beginning in Hebrew
and a poem in Catalan.
Much of the city
was built from quarries
here on the mountain.
Today there is peace,
peace enough for reflection.
How much do you need,
how much cooperation,
how much solidarity,
how much economics,
how much is public transport…
What can you see
from the top of the mountain?
the smiling one
is well protected
she hangs forever
in a brand-new prison
supported by Nippon Television
visited daily
by millions of people
all of them mortal
no-one cares if they smile
except some of them
for a very short while
Hung Hung ONE MAN VS. ONE COUNTRY – FOR LIU XIAOBO
one man dies
one country awakes from a dream
actually it wasn’t sleeping
the country was just pretending to dream
it keeps its eyes open behind its mosquito net
watching who dares to dream their own dream
who dares in their dreams to sing their own song
who dares to call each stag a stag, each horse a horse
this country never sleeps
its atm’s count their money 24 hours
its warriors patrol on the net day and night
to bury alive every weathercock showing his head
this country infects with its disease
the livers that aren’t asleep
so they can’t detox anymore
they can’t tell the limbs to move around freely
the case history of this country is painted as poetry
everyone of the people it calls its citizens
must memorize and recite without rest
just like that hottest summer 28 years ago
a summer that seems to go on forever
one person dies
and the blood that was washed off
flows out steaming again on the square
to jump the dark floodgate
only when this sick country dies
every person can finally wake up alive
7/13/17
Translated by Martin Winter, July 2017
───────────────────────
Hung Hung EIN MENSCH GEGEN EIN LAND — IN GEDENKEN AN LIU XIAOBO
Ein Mensch stirbt.
Ein Land erwacht aus einem Traum.
Eigentlich hat das Land gar nicht geschlafen.
Es hat nur so getan, als würde es träumen.
Hinter seinem Moskitonetz sperrt es die Augen auf:
Wer wagt es und träumt seinen eigenen Traum?
Wer wagts, singt im Traum sein eigenes Lied?
Wer nennt einen Hirsch einen Hirsch, und ein Pferd auch ein Pferd?
Dieses Land kann nicht schlafen.
Seine Bankomaten zählen sein Geld Tag und Nacht.
Seine Krieger patrouillieren 24 Stunden im Netz:
jeder Wetterhahn der seinen Kopf hebt
wird lebendig begraben.
Dieses Land steckt mit seiner Krankheit
jede Leber an, die nicht schläft:
sie können alle nicht länger entgiften
oder Glieder anstiften, sich frei zu rühren.
Es malt seine Krankengeschichte aus als Gedicht
und befiehlt allen jenen, die es seine Bürger nennt
das Gedicht vorzutragen bis sie nicht mehr können.
So wie in jenem heißesten Sommer vor 28 Jahren.
Der Sommer geht offenbar nie vorüber.
Ein Mensch ist gestorben:
Das abgewaschene Blut
spritzt wieder heiß hervor auf dem Platz,
schlägt gegen das finstere Schleusentor.
Nur wenn das schwerkranke Land endlich stirbt
kann jeder Mensch erst lebendig erwachen.
My love, time to get up.
The bridge towards the abyss will collapse.
You are going to burst, please hold on to my will.
Doubt begins from the stone of sisyphus,
faith begins from the house key you lost.
I hand all my panic and hate
over to you
alone,
so I can raise my head high
one more time
until the darkest hour.
From a poem by Liu Xiaobo (1997), adddressed to his wife Liu Xia.
Circulated on July 6, 2017, while Liu is being treated for liver cancer in Shenyang.
Meine Liebe, es ist Zeit, aufzustehen.
Die Brücke in Richtung Abgrund stürzt ein.
Wenn du platzt, beiß dich fest an meinem Willen.
Zweifel beginnt mit dem Stein des Sisyphos.
Glaube fängt an mit dem Hausschlüssel, den du verloren hast.
All meine Panik und meinen Hass
geb ich dir, dir allein.
So kann ich noch einmal,
ganz kostbar,
meinen Kopf hoch halten
bis zur dunkelsten Stunde.
Aus einem Gedicht von Liu Xiaobo an seine Frau Liu Xia, geschrieben 1997. Der inhaftierte Friedensnobelpreisträger wird derzeit wegen Leberkrebs in einem Krankenhaus in Shenyang behandelt.
Übersetzt von Martin Winter am 7. Juli 2017
“I know, we’re all so concerned with Turkey, Syria or that maniac in the US, and that’s alright, but it’s about to draw some attention back to human rights violations in China. Please. I do know some people personally who are or have been imprisoned in China for no crime but writing on behalf of humanistic endeavours.”
“The news that Liu Xiaobo’s time in a Chinese prison has left him terminally ill has spread across the globe.
Liu Xiaobo and his wife Liu Xia have been close friends of mine for decades. As their friend, I hereby call upon the leaders of Western governments, particularly leaders in the US, Germany, France, the UK, and the European Union, to urge the Chinese government to allow Liu Xiaobo and his wife to leave the country to seek medical treatment overseas.
This is a humanitarian imperative.”
Liao Yiwu
2012 Recipient of the Peace Prize of the German Book Trade
26 June 2017
LIU XIA. Eine Fotografin aus China. Vernissage am 10.Februar 2015. Ausstellungsdauer: 21.Februar – 19.April 2015 m Martin Gropius Bau Berlin. LIAO YIWU, MARCUS HAGEMANN, MARTIN WINTER
“Dies ist ein Appell an die chinesische Regierung von Herta Müller, Liao Yiwu, Ulrich Schreiber und vielen Freunden. Inzwischen haben auch Elfriede Jelinek, Eva Menasse, Madeleine Thien, Salman Rushdie, Wole Soyinka, Ian McEwan und 100 weitere Autoren aus allen Kontinenten unterzeichnet.
Nobel Peace Prize Laureat Liu Xiaobo has been diagnosed with liver cancer. His wife, Liu Xia, who has been under house arrest for several years, is also gravely ill. They have the wish to travel to Germany so they can receive medical care. Their wish to leave China is so strong that Liu Xiaobo has stated that – if he is to die – he does not want to do so on Chinese soil. Liu Xia also no longer wishes to live there. Time is running. We urge the Chinese government to grant Liu Xiaobo and Liu Xia the freedom to leave the country!
Der Friedensnobelpreisträger Liu Xiaobo ist an Leberkrebs erkrankt. Er und seine Frau Liu Xia haben hat den Wunsch geäussert, nach Deutschland auszureisen, um medizinische Hilfe für beide zu bekommen – denn auch Liu Xia, die seit Jahren unter Hausarrest steht, ist schwer erkrankt. Der Wunsch der beiden geht soweit, dass Liu Xiaobo sagt, er möchte – selbst wenn er sterben muss – nicht in China sterben. Und Liu Xia sagt, dass sie nicht länger in China leben möchte. Die Zeit ist knapp. Wir appellieren dringend an die chinesische Regierung: geben sie diesen beiden Menschen die Freiheit, das Land zu verlassen!
El Premio Nobel de la Paz, Liu Xiaobo, está muy enfermo, tiene cáncer de hígado. Tanto él como su esposa Liu Xia han expresado su deseo de poder viajar a Alemania para obtener ayuda médica para ambos. Xiu Liu, con arresto domiciliario desde muchos anos, también está muy enferma. El deseo de ambos, así lo dijo Liu Xiaobo, es tan fuerte que dice no querer morir en China – si esto es su destino inmediato, y su mujer insiste que no quiere seguir viviendo en China. El tiempo apremia, y por ello pedimos al Gobierno de China: Por favor, conceden la libertad a estas dos personas para que puedan dejar el país.
Le lauréat du prix Nobel de la paix, Liu Xiaobo, est atteint d’un cancer du foie. Lui et son épouse Liu Xia ont émis le vœu de se rendre en Allemagne afin de recevoir des soins médicaux pour les deux. En effet, Liu Xia, qui est en résidence surveillée depuis plusieurs années, est gravement malade. Leur souhait est si profond que Liu Xiaobo dit qu’il ne veut pas — s’il doit décéder — décéder en Chine. Liu Xia quant à elle dit qu’elle ne veut plus vivre en Chine. Le temps est court. Nous en appelons d’urgence au gouvernement chinois: donnez à ces deux personnes la liberté de quitter le pays.
Fredspristagaren Liu Xiaobo är sjuk i levercancer. Tillsammans med sin Liu Xia har han uttryckt önskan om att få resa till Tyskland för att där få den medicinska vård de båda behöver. Också Liu Xia, som sedan många år befinner sig i husarrest, är nämligen svårt sjuk. Liu Xiaobo säger att om han måste dö så vill han inte dö i Kina. Liu Xia säger att hon inte längre vill leva i Kina. Tiden är knapp. Vi appellerar till den kinesiska regeringen att snarast ge dessa två människor friheten att lämna landet.
O ganhador do Prêmio Nobel Liu Xiaobo está com câncer de fígado. Ele e sua Liu Xia manifestaram vontade de viajar para a Alemanha, a fim de obter tratamento médico para ambos. Liu Xia, que está sob prisão domiciliar há anos, também está gravemente doente. A vontade deles, nesse sentido, é tanta que Liu Xiaobo afirma que não deseja morrer na China, mesmo que sua condição seja terminal. E Liu Xia diz que não quer mais viver na China. O tempo é curto. Por isso, dirigimos um apelo urgente às autoridades chinesas: concedam a essas duas pessoas a liberdade para sair do país.”
Liu Xia’s handwritten letter
廖亦武: 眼下,刘晓波夫妇已被严密控制,我不得已公布刘霞的手迹。我还有刘霞向国宝提出出国申请的手迹,暂时不便公布。媒体,以及大伙儿可以此为凭:出国治病是他们最迫切的心愿,劉曉波説死也要死在西方,千真万确!
“I am sick of my life, this grotesque life. I want to tear the version of myself who lives this grotesque life to pieces. I long to escape.
I can hardly believe that Xiaobo agreed to leave China together with me and [my brother] Liu Hui. When he finally learned about it, he was very concerned about my illness.
I am grateful to you and to our friends for everything you’ve been doing and cannot wait to embrace you.
ostern ist der sonntag
nach dem ersten vollmond
im frühling
ostern hat mit eiern zu tun
die erde eiert
heut ist der mond schon ziemlich voll
morgen ist palmsonntag
MW April 2017
MACH
mach ein herz
mach eine blume
mach eine sonne
mach einen stern
bitte zeichne mir ein schaf
MW April 2017
BELIEF
when I was small
i believed in god
now i’m still small
MW April 2017
GLAUBE
als ich klein war
hab ich geglaubt
jetzt bin ich
immer noch klein
MW April 2017
信仰
小時候
我相信上帝。
现在
我還是很小。
2017/4
Photo by Juliane Adler
OSTERGESCHICHTE
Jesus war ein Jude,
er wurde gekreuzigt.
Was er hinterließ
gehörte später den Christen.
MW April 2017
EASTER STORY
Jesus was a Jew,
he was crucified.
What he left behind
belonged to the Christians.
MW April 2017
HIT-MAN
clinton would have done
exactly the same
there was nothing wrong with hillary
except she wasn’t bernie
MW April 2017
ESOTERISCH
ah so terrisch
bä so terrisch
ce so terrisch
de so terrisch
eh so terrisch
eff so terrisch
geh so terrisch
ha so terrisch
ih so terrisch
jeh so terrisch
ka so terrisch
el so terrisch
em so terrisch
en so terrisch
oh so terrisch
peh so terrisch
queh so terrisch
err so terrisch
es so terrisch
teh so terrisch
uh so terrisch
vau so terrisch
weh so terrisch
ix so terrisch
ypsilon so terrisch
zet so terrisch
ah net so terrisch
…..
MW April 2016
(terrisch/ derrisch = schwerhörig)
CHINABOX
lea schneiders chinesischer name
kling ein bisschen wie syrien
eine sehr schöne anthologie
sehr sehr reichhaltig
sehr zu empfehlen
sehr gut übersetzt
sehr frisch
das vorwort ist größtenteils gut
leider nicht dort
wo das wort dissident fällt
niemand hat eine ahnung
der nicht im häfen war
oder akut in gefahr
also hab ich auch keine ahnung
weiß nicht ob lea
gedichte von woeser kennt
eine sehr schöne anthologie
sehr sehr reichhaltig
sehr zu empfehlen
sehr gut übersetzt
sehr frisch
lea schneiders chinesischer name
klingt ein bisschen wie syrien
MW April 2017
(Häfen = Gefängnis)
EMMET TILL IN AUSTRIA
we have a 14-year-old
who was brutally killed
shot in the back
by a murderer
who still serves
as policeman
MW April 2017
TO WRITE A POEM
you have to be open
to something different
you have to be open
to something good
sometimes
something
that hurtles,
that hurts.
you have to be open
to hold your step.
you don’t have to be anything.
MW April 2017
BLESSING
bless the unruly
blessed be what happens
blessed be what’s not planned
bless what’s just there
blessed bee
blessed butterfly
blessed butter
blessed batter
bless this batty old bat
blessed hat
bless mother
bless father
bless grass
bless matter
bless them they read
they believe anything
MW April 2017
POESIE
wer poesie übersetzt
soll halt dichter sein
in der übersetzung
dichterin der übersetzung
wer übersetzt
ist fährmann
oder -frau
oder unfair
aber halt bitte nicht
salbungsvoll
ich seh einen großartigen polizisten
bringt am frühlingsfestabend den häftlingen jiaozi
ich seh auch einen großartigen häftling
er isst die jiaozi nicht sagt es fehlt essig
ihre gewohnheit bei der begattung
hat mich weich gemacht
ihre gewohnheit bei der begattung
war einzigartig
die femme fatale
ich hab ihr gesicht nicht gesehen
ihre kleidung hing wirr von den stühlen
sie hat beim orgasmus geschrien
sie hat den namen des führers gerufen
es hat so lustvoll geklungen
der schrille schrei
hat mich weich gemacht
ich bin kein jude
aber weich von der menschheit
in einem jahr zum dritten mal im gefängnis
zu besuch beim vergewaltiger c
der junge c.: mein freund in der kindheit
auf seinem gewand steht 007
spiegelglatte glatze
wie ein junger mönch gleich nach der weihe
c, willst du rauchen?
hinter dir sticht die sonne
ich seh keine narbe auf deinem gesicht
nur die spiegelnde glatze
aber du sagst: sie hat es genossen
c, willst du rauchen?
ich seh keinen ausschlag auf deinem gesicht
nur dein blick wirkt gefährlich
aber du sagst: sie hat es genossen
aber wieso hat sie’s erzählt beim gesetz
wieso hat das gesetz dich verdroschen
das ist ein gefängnis des staates
vergewaltigung und gesetz
wir wollen beide nicht davon sprechen
c, willst du rauchen?
My daughter says
“When I was small
I thought white clouds
threw the sun into prison.
If the sun was strong enough
it could break out.
If clouds were black
the sun was sad.
Rain
meant she was weeping.”
The sun is female
in German;
my daughter didn’t realize
this point,
but she knows in English
it’s “he”
and in Chinese “ta” 他.
“Ta” 她 can be many things
ta 她 ta 它 ta 牠 – he she it
and so on.
der mond ist viel besser
als untertags
eine halbe brausetablette
wunderbares gelb
der mond ist viel besser als untertags
untertags ist kein mond
was halt untertags ist
untertags ist die sonne
das mein ich nicht
MW April 2016
IM IRAN
im iran
hat man ein mädchen gehenkt
sie hat einen erstochen
der sie vergewaltigen wollte
er hatte kondome
etwas zum betäuben
sie hat ihn verletzt
und die rettung gerufen
sie wurde gehenkt
sie war lang im gefängnis
es gibt ein gesetz
die familie des opfers
natürlich des mannes
die familie des opfers
die können begnadigen
sag nur er wollte
dich nicht vergewaltigen
er war ein vater
es geht um die ehre
sie hat abgelehnt
Hauptsache, es wird geredet. Über Ashraf Fayadh und das Todesurteil über ihn. Die Schande. Auch ein arges Wort. Shame. Starker Roman von Salman Rushdie, auch wenn er damals verrissen wurde. Früh, gleich nach Midnight’s Children. Verurteilt wegen Glaubensabfall. Stinkt nach Öl. Vor ein paar Tagen war eine schöne Lesung hier in Wien. Für viele Frauen und Männer, die Gedichte geschrieben und sich zu Wort gemeldet haben. Sollte es öfter geben. Die Bedrohung ist leider die ganze Zeit da. An vielen Orten.
Zugleich entlarven sich die ach so Christlch-Sozialen selbst. “Der Nächstenliebe Grenzen setzen”. Unter diesem Schild, oder war es ein Transparent? Da sind sie alle gestanden. Der Außenminister. Die Innenministerin. Der Präsidentschaftskandidat. Zu wünschen ist ihnen ein Ergebnis bei der nächsten Wahl wie bei der letzten, der Wahl in Wien im Oktober 2015.
Im Österreichischen Konsulat in Kairo, oder im Außenministerium wird irgend jemand entschieden haben, Omar Hazed kein Schengen-Visum zu gewähren. Über den Dichter Omar Hazed ist in letzter Zeit auch schon öfters berichtet worden. Leider konnte er nicht ausreisen, gestern oder vorgestern. Das ist auch Ai Weiwei passiert, damals 2011. Dann wurde er verschwunden, wie es so schön heißt. 被失踪了。He was disappeared. Für eine Zeit. Oder wie sagt man auf Deutsch? Fünf Buchhändler und Buchhandelsangestellte wurden kassiert. Alle aus Hongkong. Von der Staaatssicherheit. Der Chinesischen.
Liao Yiwu hat darüber geschrieben, dass auch er gewarnt wurde, im Jahr 2011. Von der Staatssicherheit. Die war alarmiert, durch den Arabischen Frühling. Viele durften nicht ausreisen. Auch wenn sie schon Tickets hatten. Und sogar Visa. Wie auch Liao Yiwu. Ai Weiwei fuhr trotzdem zum Flughafen. Er wollte nach Taiwan, zu einer Ausstellung.
Wir hätten auch ein Gedicht von Liao Yiwu vortragen können bei der Lesung für Ashraf Fayad. Hätte auch gut gepasst. Etwa das Lied für Ilham Tohti, der 2014 in Ürümqi in China zu lebenslänglicher Haft verurteilt wurde. Fürs Reden, Schreiben, Unterrichten. Für offene Worte. Im Dezember ist es gesungen worden, in Berlin. Das Lied für Ilham Tohti. Ich habe es übersetzt. Ins Englische und ins Deutsche. Auch für ihn gab es große PEN-Aktionen, in New York und anderswo.
Heute wird in Taiwan gewählt. Bei der Lesung für Ashraf Fayadh am Mittwoch in Wien habe ich ein Gedicht von Hung Hung vorgetragen. Über einen jungen Mann, der sich umgebracht hat. Nachdem er gesucht worden war, nach einer Demonstration. Hung Hung hat Erich Fried übersetzt und vorgetragen. “Die Gewalt”. Bei der Besetzung der Legislative, des “Legislative Yuan” vor zwei Jahren. Poesie muss nicht immer absichtlich von Politik sprechen. Hauptsache, es wird geredet.
TARIM RIVER
– dedicated to Ilham Tohti, the Uighur scholar sentenced to life in prison
River Tarim, River Tarim.
River in exile, water in jail.
Died in the desert, dying of thirst.
Wind keeps on playing reeds in the sky,
eternal water, somewhere up there.
River Tarim, River Tarim.
Hounded to death, hounded and cursed.
How many grains of sand in your tears?
You have to know who your mother is,
who your mother is?
River Tarim! River Tarim!
River of prayer, river of hope.
River, for freedom you are dried out!
River, for freedom you’re all alone!
………
1) The Tarim river originates in the Tianshan mountains. It flows through vast desert areas. The river cannot find an outlet from the desert, and so the river bed changes every year. The biggest prisons and labor camps in China are found in the Tarim river area, which is therefore also called “China’s Siberia”.
2) Ilham Tohti is an economics professor at Minzu University in Beijing and the foremost Uighur public intellectual in the People’s Republic of China. He was sentenced to life in prison in September 2014 for advocating basic economic, cultural, religious and political rights for the Uighurs, the largest indigenous people in northwestern China. (Amnesty International)
2015
Translated by Martin Winter, 2015
Liao Yiwu TARIM
Der Fluss Tarim, der Fluss Tarim.
Fluss der Verbannung, Fluss eingesperrt.
Fluss der versiegt, verdurstet im Sand.
oben im Wolken-Schilfrohr der Wind,
oben im Himmel rinnt noch der Fluss.
Der Fluss Tarim, der Fluss Tarim.
Du wirst gejagt, verflucht in den Tod.
In deinen Tränen steckt wieviel Sand,
kennst deine Mutter, kennst du sie nicht?
Kennst du sie nicht?
Der Fluss Tarim! Der Fluss Tarim!
Fluss aus der Hoffnung, Fluss des Gebets!
Fluss der für Freiheit trocknet, versiegt!
Fluss der für Freiheit alleine bleibt!
…..
1) Der Tarim entspringt im Tianshan-Gebirge. Er fliesst durch weite Wüstengebiete. Weil er keinen Ausweg findet, ändert sich jedes Jahr sein Flussbett. Im Gebiet dieses Flusses befinden sich die größten Gefängnisse und Straflager in China. Deshalb wird die Gegend auch “Chinas Sibirien” genannt.
2) Ilham Tohti ist ein uighurischer Universitätsprofessor in Peking, der sich für Bürgerrechte in der Autonomen Region Xinjiang einsetzte. Im September 2014 wurde er in Ürümqi wegen “Separatismus” und “Verhetzung” zu lebenslänglicher Haft verurteilt.
der gemüsemarkt wo ich stammkunde bin
da ist immer viel los
in meinem traum
ist er ganz verlassen
nur an einem einzigen stand
ein schwarm von leuten dass man nicht durchkann
die machen ein bombengeschäft
ich seh ein schild
das steckt auf dem gemüse
auf dem schild steht schief und verdreht:
gefängnislieferant
Liao Yiwu: Reading at Literaturhaus Vienna
Thursday, 8th of October 2015
PRISON. TEMPLE. (Long Poem) 廖亦武:監獄-寺廟
Liao Yiwu (China) Mein Gefängnis. Mein Tempel.
Übersetzt von Martin Winter. Veröffentlicht in Akzente, Sept. 2015。 Hg. von Herta Müller und Jo Lendle.
Moderator: Wolfgang Popp
Music: Liao Yiwu
Interpreter: Yeemei Guo
Shen Haobo 《差点入狱的那一年之有事烧纸》 IN DEM JAHR ALS ICH FAST IM GEFÄNGNIS WAR HAB ICH PAPIER VERBRANNT
wenn ich es erzähle wirst du mich auslachen
aber auf dieser geheiligten erde
sag am besten nicht
dass du nie und nimmer
so etwas machen wirst
ich ging zum schluss zu einem großen wahrsager
er hat seinen stand beim lamatempel
drei geheiligte kupfermünzen
hält er in seiner hand
sie entscheiden über mein schicksal
“in den trigrammen steht es ganz klar,
für dich gibt es unglück, gefängnis
wenn nicht ein jahr
dann gleich zehn jahre.
einen hat es schon vorher erwischt,
stimmt es nicht?”
— es stimmt verdammt zu genau
“du bist geboren zur mitternachsstunde
im monat der dieser zeit zugehört
wir haben ein hasenjahr
da gibt es einen konflikt
und deine beiden mitternachtszeiten
das macht es noch schlimmer
du hast durch die jahre
behörden geärgert
jemand im amt will dich zurichten
oder stimmt es nicht?”
— es stimmt verdammt zu genau
meister, gibt es noch ein mittel?
der meister brummt vor sich hin
ist es das?
meister, wieviel geld?
ist es das?
… …
so hab ich drei tage
mit meiner frau
um mitternacht
draußen geistergeld verbrannt
108 weisse seiten
aufgetürmt als silberbarren
an der ersten kreuzung südostwärts
von unserer wohnung
in richtung nordwesten verbrannt
433 weisse seiten
aufgetürmt als silberbarren
an der ersten kreuzung nordwestwärts
von unserer wohnung
in richtung südosten verbrannt
im november im kalten wind
wir sind dick eingewickelt
wie ein zottelbärpaar
hocken wir an der kreuzung, verbrennen papier
murmeln heiligen zauber
… …
du sagst am besten nicht
dass du nie und nimmer so etwas tust
die klinge fürs heu
sitzt an deiner kehle
die schüssel fürs blut macht ihren mund auf
der abschied ist nahe
es gibt noch zeit fürs zappeln
irgendwas musst du tun
dir etwas vormachen
dass du noch kämpfst
that year our teacher loved chi zhiqiang
actor who went to jail for loose behaviour
we had a contest for prison songs
my “tears on prison bars” earned me first prize:
black “hero” fountain pen
The Globe and Mail article quoted by Paul Manfredi is well informed and sympathetic. But it doesn’t spell out any concrete reasons for Ai Weiwei’s singular status. Ai Weiwei’s status, even after his imprisonment, is that of a “princeling”. It seems to be easier to get rid of Bo Xilai. Bo’s father was one of the “eight immortals” of the Communist Party. Ai Weiwei’s father Ai Qing was a persecuted Communist writer, persecuted under Communist rule since the 1940s. Persecuted before, that’s where he got his name. Most of his colleagues denounced each other. Among famous writers, few seem to have been as obstinate as Ai Qing. He was banished to an army town in Xinjiang, a huge city today. There he cleaned toilets, together with little Weiwei. But after Deng Xiaoping came to power in 1978, Ai Qing became an icon. Unlike Bo Xilai and his henchmen, Ai Weiwei did not build labor camps and organ-harvested Falungong-followers. Before he was arrested, Global Times had published many sympathetic articles about his civil rights activism. And even after his abduction and imprisonment at an unknown location, Ai Weiwei gets to keep his comparatively huge house and grounds and most of his fortune. If he was persecuted too much, the main reason for Ai Weiwei’s status would come out too clearly: It would be awkward to discuss his father’s fate in detail. Cultural policy since the 1940s is no secret to anybody in and around the arts in China. But still. Maybe it would come out too clearly how control over art and literature and everything connected to culture was deemed even more important than in other Socialist countries. How idealism had been betrayed again and again, most effectively with broad domestic and international participation in economic growth after 1989. Ai Weiwei is very different from his father Ai Qing in many aspects, as well from his older brother Ai Xuan, who is also a well-known artist in China. But like his father, Ai Weiwei remains an icon of idealism. It would be awkward and politically dangerous to challenge such icons too much and thus revive ideals in a big way.
The Globe and Mail article quoted by Paul Manfredi gives convincing evidence of Ai Weiwei’s civil disobedience and civil rights engagement. Another good recent piece on Ai Weiwei, his imprisonment in 2011 and comparable phenomena elsewhere around the world is a TED-talk by An Xiao Mina.
What is Chinese literature about? Exile, inner exile. Inside China, banished. Happened to many poets through the ages, including the most famous. Or voluntary exile, to be somewhere else, not among the people. 别有天地非人間。Teaching Latin in a high school in Vienna, a friend of our uses Du Fu 杜甫. Du Fu, Brecht, Theodor Kramer, Guido Zernatto. She teaches Latin, so exile comes from Ovid. Epistulaes ex ponto. From Casablanca. No, it’s that port city on the Black Sea, in Romania. Constantza. Like Tristan Tzara. Z or S? Whatever. Du Fu. They use an old edition from the 1930s. Brought into verse by H. Not just translated, not directly. That’s how they used to do it. Gustav Mahler’s 馬勒 Song of the Earth 大地之歌 came from Li Bai 李白 (Li Tai-po), Wang Wei 王維 and Meng Haoran 孟浩然, through many versions in different languages in between. Mahler wrote the final versions to fit his music. Two poems by different poets merged into one, at the end. No, that Du Fu edition is very accurate, from the feel of it. Two great volumes, large and thick. Not rhymed. But rather formal. Not luosuo 羅嗦. No superfluos words. Hardly. Again, from the feel of it, I haven’t checked, just listened and read. Listened, our friends read well. Very down-to-earth, daily details. Ants, chicken. Fencing in chicken, thinking about it. A reference to the times, the circumstances. Suddenly becoming political, as our friend says. Towards the end. A moral at the end, maybe more in this German version than in Chinese. Circumstances, Du Fu’s circumstances. He always complains, says our friend. Very down-to-earth, very daily life. Strife, poverty, famine. Starving on the streets. We have a master’s thesis on Tang Poetry social critique in Vienna, from 1990. Anna Maria Eigner. Bai Juyi 白居易, many different poets. Li Shangyin 李商隐 wrote a lot about poverty in the countryside. Not in is most famous poems, unfortunately.
Daddy, who is this?
He is called Li Bifeng. I just translated a poem by him. He is in prison. They are all in prison. This one is a writer, too.
Why is he in prison?
He took part in protests, demonstrations. Demonstration, you remember what that is? Yes, we were in one together this year.
Where is this?
This is in China.
What else did he do?
He organized strikes. Do you know what strikes are?
No.
Strikes are when workers in a factory say they won’t work, all of them. To get better pay. To get insurance, you know what that is? When you are sick, to get money from insurance so you can get a doctor, go to hospital.
Daddy, are there any places with no government?
Good question. There are some places where women are in charge. They own the land, they run things. Used to. Sometimes still do. Places in China.
Well, they should. Women are important. Women bear children.
I don’t know if there are any places with no government. There are some places with not many people at all. Deserts, mountains.
he jumped from the top of the building
peng!
he was dead
it wasn’t like he had seen it
on tv
on tv
the contractor who owed migrant workers
when he heard someone would jump
right away he came out with his pay
but this time
no-one held him back
that’s how he died
peng!
In the summer of 1992, in a vegetable garden on the roof of a shed housing inmates of the Sichuan Province Prison # 1, I spent three days alone with the old prisoner Zhang Fafu, who had been transferred to this prison at Nanchong from forced labor at a coal mine. Our task was to build a wall out of plastic parts and wire at the side where the roof garden faced the bathing pool, to prevent other prisoners from secretly watching the women taking their baths down below. I got this assignment at that time because my sentence was short, I was working at the kiosk of my unit and wasn’t considered a common criminal. So the cadre chose that old prisoner from the coal mine and me.
From the second day on he told me everything about himself. From his talking, I could feel the jolts in his soul. He had attended high school before Liberation in 1949, he loved reading and understood a lot of things; he even liked poetry. He asked me so often until I had no choice but to give him one of the poems I had written. A few days later, I was transferred. After I arrived at Prison # 3, someone from # 1 came to go over my accounts. That’s when I heard something happened to Zhang Fafu. He had taken the plastic parts from our wall, tied them to is arms and jumped from a building. He wasn’t dead, but he became a vegetable.
I don’t know if he read my poem. Later, when I was released from Prison # 3 upon completion of my sentence, I stuffed the original manuscript of this poem into a bamboo flute I had got from Liao Yiwu, and blocked the hole at the bottom with soap. This way I got to take the poem with me. All these years, whenever I think of Zhang Fafu, I think of our plastic wall. It’s not the same as the wall in my poem, but now I cannot separate the poem from Zhang Fafu.
Tr. MW, 2013
Translator’s note: Li Bifeng’s NOTE and the following poem (http://wp.me/PczcX-zk) are part of his novel Wings In The Sky (天空中的翅膀). One chapter is available on the LIBIFENG2012 WordPress site. The main characters are an old prisoner, a bird and a woman who lives in a shed not far from the prison with her daughter. The plot is rather interesting.
What is Chinese literature about? What is art about, in any medium, time or place? The reading for the imprisoned underground poet and activist Li Bifeng on June 3rd, 2013 in Vienna will include works by a diverse range of authors. Li Bifeng has become known through his association with Liao Yiwu, the exiled poet and documentary writer, now in Berlin. On his own, judging from his available work and his literary impact in China, even in dissident circles, Li Bifeng would not have become famous. This doesn’t mean he is not worth reading. But he has had little opportunity to find an audience, and not everything that is available online now is as compelling as Liao Yiwu’s signature poem Massacre, or any other famous piece of writing in Chinese. Actually, none of the works by Li Bifeng I have read up to now sound very dissident at all. They are “just art”, so to speak. He could have published them, as a different person.
What other texts will be read at Vienna University on June 3rd?
On May 3rd, 2013, we had a very interesting workshop and discussion at Vienna University’s East Asia Institute, on literature in Korea, China and Japan. It was initiated by Lena Springer, who invited Zhang Chengjue 張成覺, expert on the year 1957 and the so-called Anti-Rightists-Campaign in China. Zhang and Springer were inspired by Lu Xun expert Qian Liqun from Peking University, who called for research on the late 1950s in China across disciplines. The workshop in Vienna was about censorship, political changes, publishing conditions and (self-)perceptions of artistic quality. Professor Schirmer told us about a debate in South Korea 45 years ago, in 1968. A big-wig critic who became culture minister later published an essay, lamenting the lame state of Korean literature. A poet responded and said he had poems that could not be published, and his friends also had literature that could not be published because it would be considered dangerous, unstable, unsettling. 不穩。The critic said he didn’t understand. Surely good art would be independent of politics and would only need imagination and talent? Not so, the poet replied. Art is potentially unsettling, if it is powerful art at all. The critic didn’t get it again. Sounded very much like Prof. Kubin and his friends in China. Also like Taiwan 30 years ago, of course.
By calling for a worldwide reading on 4 June 2013 for the Chinese underground poet, Li Bifeng, the international literature festival berlin is demanding that the Chinese government release him from prison.
The poet and campaigner for democracy, Li Bifeng, wrote a report in 1998 about a courageous group of textile workers who blockaded a Chinese motorway and sent a video recording of it to foreign human rights organisations. In 1989, after he had been involved in the protest on Tiananmen Square and on the run for six months, Li Bifeng was captured and sentenced to twelve years imprisonment for ³economic crimes². In November 2012, the 48-year-old was sentenced to another 12 years, with no good reason, without evidence and despite worldwide protests. The authorities
suspect him of having helped his friend, the author Liao Yiwu and holder of the Peace Prize of the German Book Trade 2012, to escape to Germany in 2011.
In the short phases in which Li Bifeng has been able to write, he has written numerous poems, prose texts and plays as well as a novel. On the anniversary of the massacre on Tiananmen Square in Beijing, which took place on 4 June 1989, the Peter-Weiss Foundation for Art and Politics e.V. and the international literature festival berlin have initiated a
worldwide reading for Li Bifeng.
Appeal, texts by and about Li Bifeng: www.worldwide-reading.com, http://libifeng2012.wordpress.com
Some new translations into English and German
how far is the mouth from the tip of the brush?
how far from the tip of the brush is the street?
how far is the street from the court?
how far is the court from the jail?
how far is the jail from the shots?
how far is democracy from the court?
how far is democracy from the jail?
how many light-years away from the shots?
wie weit ist die pinselspitze vom mund?
wie weit von der strasse?
wie weit ist die strasse entfernt vom gericht?
wie weit ist es vom gericht zum gefängnis?
wie weit vom gefängnis zum schuss?
wie weit vom gericht ist die demokratie?
wie weit ist die demokratie vom gefängnis?
und wie viele lichtjahre vom schuss?
祝大家2012龍年一切順利,願比2000年更好!
這幾天記得2000年,那時候我們第一年一直住在北京,住靜安裡,挨著左家莊。2000年天氣特別壞,到六月份才下雨。元旦電視上記得那时候的主席帶火把跑上世紀壇台階。也許有點像去年在台灣慶祝辛亥革命100年的奢侈。台灣聽說費用非常大,很多人大概不覺得記住1911年的一些象徵值得花他們交稅的錢。
那時候在北京很多民房可以看到支持那時候流行的氣功教會、詛咒那时候的主席和执政黨的塗鴉。不只是小區裡牆上樓梯裡等等,也有三環的地下通道等地方。那時候北京還禁止放炮,但越來越多人不管,包括警察。給他們這樣一點的自由就是很好的活門。2000 war auch ein Drachenjahr. In Beijing hat es im Juni zum ersten Mal richtig geregnet, die Sandstürme waren dementsprechend. Jiang Zemin lief am Neujahrstag mit einer Fackel das brandneue Milleniumsmonument hinauf. An vielen Hauswänden, in Stiegenhäusern, aber auch in Unterführungen unter den größten Straßen gab es Graffiti gegen Jiang und die KP, und für Falungong. Feuerwerk in der Stadt war noch nicht wieder erlaubt, wurde aber immer mehr toleriert. Die Blockfrauen fuhren mit einem VW-Bus durch den Hof und kämpften mit einem Megaphon gegen die Knaller. Sie wurden völlig eingenebelt und kamen kaum durch. Aber vielleicht war das 2002, 2000 wohnten wir noch in einem kleineren Hof.
大陸慶祝2000年的費用比起來也許不算多。共產黨慶祝2000年,因為馬恩主義肯定19世紀的西方發展,西方日曆就是共用的日曆。所有國家和地區都要跟著西方發展,並盡量超過西方。只是把黑格爾的歷史觀變成為無產階級當基本的社會制度。其實物產階級都是基本,每有便宜的工人無論什麼社會都不能發展很快。中國大陸改革開放的經濟模式肯定西方19世紀的一些經驗。因為有很多便宜的工人,經濟上到現在一直發展讓人嫉妒。只是價值上還一直停止在19世紀的西方。馬克思、恩格斯講的造反真的有理,可以說就是實現人類最基本的權利,而且馬克思、恩格斯關心整個世界,比現在德國、奧地利等等地方差不多到了週末都是說我們的社會怎樣那樣,所講的“我們”必定是歐盟最富裕的小組,哪怕說窮人,用“我們”這個詞彙就是奧地利說德語看講究的報紙的“我們”,要不就是歐盟裡有功夫搞理想的青年和有錢的大人,還有那兩種之間的一些讀者。馬克思、恩格斯在一百五十年前已經有很開放的世界觀,比現在很多人都開放。那時候馬克思、恩格斯的價值跟2011年在世界各地講革命、講更換社會制度有很基本的共識。他們那時候知道那時候歐美經濟制度的一些短處和限制。2011年、2012年的思想,至少在大部分媒體所看到、聽到的思想,大部分都肯定西方19世紀的想法。很少有人像馬克思、恩格斯挑戰經濟、社會的體制。中國大陸在天安門有世界人民團結起來的標語,是19世紀理想主義者的回音,包括馬克思、恩格斯等等。從現在看到他們是理想主義者,不像20世紀的革命家主要實現自己利益集團小組的權利,順便也講究思想。思想當實現小組的權利的工具。所以天安門二十多年來國際上都當悲劇的象徵。
中國大陸繼續肯定一些西方19世紀的經濟和價值,肯定不是理想的價值。歐洲媒體都比較自由,都報到去年阿拉伯之春、“我們是99%”等等運動都很興奮。但他們有一些基本的限制。2009年奧地利警察故意射死一個14歲的孩子,另一個孩子重傷。他們在超級市場偷東西,沒有武器。奧地利大部分報刊都站在警察的一邊。最後法官雖然判斷追獵和從後面殺死孩子做得不對,但還是讓的那位射手繼續工作,持續帶槍。在經濟方面,奧地利媒體和社會體制同樣顯得很限制。2012年一月份美國 Standard & Poor (名字直接翻譯就是“標準和貧窮”)財政顧問組織判定歐洲很多國家不是最好的投資對象。像他們那樣的財政顧問集團還有Moody’s、Finch等等,都在美國。他們在2011年一直說歐洲很多國家,包括最大的和最富裕的經濟當投資對象都不如美國。同時在無論什麼地區的媒體,無論美國、歐洲、亞洲等等都沒聽說過美國經濟和財政很健康,比法國等等健康的道理。但歐洲各地還是都繼續跟美國財政顧問組織合作,很缺乏講體制問題的討論。
不願意討論自己社會的體制問題,所以每次因為阿拉伯之春、因為艾未未、劉賢斌,因為2011年12月和2011年一月份中國大陸判重刑的知識分子有或大或小一點的新聞,有的讀者也許一時很興奮,但總編輯每次很快都健忘。反正有經濟問題。MIT DEM KOPF DURCH DIE CHINESISCHE MAUER lautet der Titel der Ausgabe 62. Bitte Beiträge (Prosa, Lyrik, Drama, Essay, Foto, Grafik, Kunst) als Openoffice-Dokument (zur Not MS-DOC, maximal circa 10.000 Zeichen/Text) beziehungsweise *.JPG / *.TIFF per email an wienzeile-redaktion@wienzeile.cc Wir können kein Honorar zahlen, die ausgewählten Autoren erhalten Belegexemplare. Das Copyright bliebt wie immer bei den Autoren. Einsendeschluss ist der 25.3.2012
跟你們說過,維也納文學雜誌 Wienzeile 在2012年春天有中華專輯。我們對中華文化涉及的所有地區的問題都感興趣,包括中國大陸和台灣的異族,等於不是漢人或不是漢語、不倡導國語的文化,也包括本人或家族從中國等地區來的,在世界各地生存的文化,只要在某種方面跟中華文化、歷史等等有關係的。德語題名為 Mit dem Kopf durch die Chinesische Mauer。直接翻譯就是人頭穿長城。低頭撞牆本來不是很健康的做法吧。但這幾年來無論中國大陸的官方或歐洲等地方的限制都沒辦法完全活埋社會的一些討論,包括所謂新媒體,像中國的微博。我們編輯這份雜誌請大家提供自己做的文章和圖案。投稿可以用中文或英語,我們會譯成德語。目前我們不能給稿酬,但每位作者會收到幾分雜誌。
而且請你們提供你們想這分專輯也許能收容的作家和信息的線索,多謝!
all among the loony people… today is the day the nobel peace prize gets awarded. this year it goes to three women in different places and positions in africa. maybe a little less pointless and pathetic than the prize-great big vain hope obama manunkind not. last year the prize went to loony old liu xiaobo. not very peaceful guy, doesn’t give the chinese government any peace with his charta 08. rather removed from most people in china for 11 years, locked away in the northeast. but instead they have ai weiwei. and we have liao yiwu. great loony poetry. thrown out of china. so it stays hole.
Interesting. Please click on the Global Times link (also at the bottom), read the article and then click on the “Related” links under the article. These other stories add a lot of perspective, through earlier and mostly positive Global Times coverage of Ai Weiwei’s various projects and activities. I remember seeing Lian Chan 連戰 on TV in Taiwan in the 1980s*. He was prime minister then, I think. Kept saying “Yi fa bali! 依法辦理”. To be handled according to law. Everything should be handled according to law. This was already after martial law 戒嚴 was lifted 解嚴 in 1987. But many opposition figures and activists were still in prison (they had a prison island, “Green Island” 綠島, for example) or barred from returning to Taiwan. Martial law had been lifted, but many laws from the One-Party-rule were still on the books, and actually still enforced (See the poem “After Martial Law Was Lifted – In Commemoration of Lifting Martial Law in Taiwan on July 15th, 1987” by Li Qin’an [李勤岸 – 解嚴以後 – 一九八七年七月十五日臺灣解嚴紀念] http://blogs.yahoo.co.jp/dujuan99nihon/30163376.html). Now which law is the Global Times article referring to? Let US bake our cake of social progress and eat it at the same time, and have it OUR way, and let nobody in the world talk too much about it, because this is the LAW. Right?
Very interesting how they keep on contradicting themselves. “Was said to have been detained”. Was he, or was he not? Maybe just kidnapped? “It was reported his departure procedures were incomplete.” Interesting. So which law will not concede before Ai Weiwei? Which departure procedures law? No, it’s THE LAW. Shoot first, deflect questions later.* Happens in every society.
There are many relations of this case to other arrests like the one on April 8 of Zhao Lianhai 趙連海, speaker for parents whose children had been poisoned by tainted milk.
Zhao had been released on parole after beeing imprisoned for “disturbing the peace”. But on April 6, he uplaoded a moving video, holding his child and trying to make a public statement at home.
*This blog entry started out as a post on the MCLC email listserv. A lively discussion ensued. Andrew Field pointed out that Lu Xun 魯迅 and many other modern writers were banned in Taiwan under martial law. James Dew, Tim Wong, Kirk Denton, Christopher Lupke and others remembered how foreign students read these writers in a special room at Taiwan University, and how Chen Yingzhen 陳映真 connected to Lu Xun and the May Fourth tradition. Chen was imprisoned for “pro-communist activities”. Tai Jingnong 台静农 (1903~1990), a well-known writer and painter in Taiwan, was originally a student of Lu Xun.
* Jerome Cohen uses a similar expression in the South China Morning Post (4/27/11): “Second, it also seems clear that, whatever the evidence being assembled about tax evasion or other charges, this was not the motivation for Ai’s detention. This case started out on a ‘detain first and look for justification later’ basis.”
Verhaftungswelle – Ai Weiwei, vorher schon andere Künstler wie Wu Yuren; auch Ran Yunfei und viele andere Blogger, Teng Biao und viele andere Menschenrechtsanwälte …
Gao Zhisheng (Anwalt) seit Jahren verschwunden, vorher mehrfach inhaftiert und gefoltert
Viele unter Hausarrest und abgeschirmt, in letzter Zeit verschärft, auch Liu Xia, Frau von Liu Xiaobo.
Seit Oktober durfte niemand Liu Xiaobo besuchen, auch seine Frau nicht. Falls Bruder oder Eltern doch einmal hindurften, dann unter Geheimhaltung, alles abgeschirmt, jeder Kontakt nach außen wird strengstens verhindert.
Liu Xianbin wurde letzte Woche wieder zu 10 Jahren wegen Anstiftung zur Untergrabung der Staatsgewalt verurteilt. Seit 1989 bekam er insgesamt 25 1/2 Jahre, u.a. wegen Gründung einer Oppositionspartei. Solche wie ihn gibt es noch mehrere, sie sind halt alle nicht so bekannt wie Liu Xiaobo. Liu Xianbin kam erst 2008 frei, unterschrieb aber sofort die Charta 08 und wurde 2009 wieder erhaftet. Er hat eine Tochter im Teenageralter, die ihren Vater hauptsächlich von Besuchen im Gefängnis her kennt. Es gibt einen sehr interessanten Text von Liu Xianbins Frau Chen Mingxian (leider nur auf Chinesisch), in dem sie von ihrem Leben seit 1995 erzählt. Sie ist einfache Lehrerin, lernte zufällig Liu Xianbin kennen, wurde langsam in die Dissidentenszene hineingezogen, beschreibt sehr eindringlich ihr tägliches Leben in einer kleineren Stadt, mit häufigen Polizeibesuchen.
Seit Februar gibt es im Internet Aufrufe, in 10-15 Städten auf die Straße zu gehen, jeden Sonntag, gegen hohe Lebensmittelpreise, Korruption und viele Misstände; ohne Transparente, einfach Spazierengehen an bestimmten Orten, höchstens manchmal Sprechchöre; darauf wird jedoch mit großem Polizeiaufgebot, Brutalität und vielen teils willkürlichen Verhaftungen reagiert.
Der Dichter Liao Yiwu, der 1989 wegen einer Radioausstrahlung seines Gedichts “Massaker” ins Gefängnis kam, die 90er Jahre hauptsächlich in Lagern verbrachte, dort viel Stoff für Reportagen und Erzählungen fand, die auch ins Deutsche übersetzt wurden, und von einem alten Mönch Flüte spielen lernte, durfte im Herbst 2010 erstmals ins Ausland, nach den Solidaritätslesungen am 20. März (Tag der politischen Lüge, Authors for Peace, Internationales Literaturfestival Berlin) und nachdem sich sogar Angela Merkel für ihn einsetzte. September und Oktober 2010 war er in Deutschland, dann ging er zurück nach Sichuan. Sofort wurde er wieder überwacht, öfters zur Polizei beordert, etc. Heuer wurde er in die USA zu einer Lesereise eingeladen, durfte aber im März wieder nicht ausreisen. Auf diese Weise wird er auch die folgende Reise nach Australien, wo er dasselbe Buch vorstellen sollte, nicht antreten können. Seit den 90er Jahren wurde er 16 Mal in verschiedene Länder zu literarischen Veranstaltungen und Konzerten eingeladen, 1 mal (im Vorjahr) durfte er ausreisen, 15 mal nicht. Liao Yiwu ist nicht das einzige Beispiel; der Dichter Bai Hua durfte lange Zeit ebenfalls nicht ausreisen; ich habe noch von anderen Fällen gehört.
Zhao Wei, der Student, der unlängst auf einer Zugfahrt umkam, ist auch ein Fall, der einen an viele ähnliche Fälle erinnert, von denen man ebenfalls in China gehört hat.
Liu Xiaobo, Ai Weiwei und Bei Ling kennen einander aus den 80er Jahren. Alle Künstler, Musiker, Schriftsteller etc., die jetzt über 30 sind, sind durch das Proteste-Desaster und Massaker von 1989 miteinander verbunden, auch wenn sie künstlerisch, intellektuell etc. überhaupt nicht miteinander übereinstimmen. Dissidenten, auch im Ausland, sind teilweise sehr zerstritten. Liu Xiaobo wird von manchen nicht als geeignet angesehn, die Arbeiter, ArbeitsmigrantInnen etc. zu vertreten, die in den letzten Jahren mit Streiks, Selbstmorden und schon länger auch durch die vielen Arbeitsunfälle in den großen Fabriken in den Industriestädten um Kanton und anderswo von sich reden gemacht haben. Aber auch da gibt es eine Verbindung: Zheng Xiaoqiong, die Arbeitsmigrantin und Dichterin, die 2003/2004 bekannt wurde. 2009 kam eine Auswahl ihrer Gedichte in Taiwan heraus, in einer Serie, in der auch Gedichte der tibetischen Schriftstellerin Woeser erschienen. Am 5. April 1976 begann die Öffnung Chinas, noch vor Maos Tod, auf dem Tian’anmen-Platz mit Gedichten. Auch heute ist Lyrik bedeutender und integrativer, als man glauben möchte. Natürlich ist nicht alles davon immer ‘nur’ Literatur – Kunst und Politik sind in Wirklichkeit weiterhin sehr eng miteinander vebrunden, auch wenn seit den 90er Jahren alle sagen, alles sei nur noch kommerziell geworden. Unter Mao war allles Politik. In den 80er Jahren waren die Verbindungen noch sehr deutlich. Jetzt sind sie auch sehr deutlich, wenn man die Nachrichten hört.
12.4. 19 Uhr
Lesung mit Gerhard Ruiss und Bei Ling (Lyriker, Essayist, Dissident, Biograf des Friedensnobelpreisträgers Liu Xiaobo)
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Raum D / quartier21
Gedichte von Liu Xiaobo und Liu Xia
Auszüge aus Essays von Bei Ling und aus der Biografie von Liu Xiaobo
Gedichte von Bei Ling
Es lesen Gerhard Ruiss (IG Autorinnen Autoren) und Bei Ling
Nach der Solidaritäts-Lesung für den inhaftierten chinesischen Friedensnobelpreisträger Liu Xiaobo am 20. März (mit Gerhard Ruiss im Radio – siehe http://archiv.literadio.org/get.php?id=766pr1602) kommt sein Biograf Bei Ling zu einer Lesung nach Wien ins Museumsquartier. Der Versuch der Überwindung von Zeit und Raum ist für Bei Ling seit mehr als einem Jahrzehnt bittere Realität. Der Lyriker war – wegen der Veröffentlichung einer Literaturzeitschrift – selbst in Haft, wurde 2000 auf internationalen Druck hin freigelassen und aus China ausgewiesen. Seither lebt er im Exil.
„Es gibt keine Wahl mehr. Das Blut vieler junger Menschen, jene Seelen, jene eingekerkerten Menschen, und dann noch Xiaobo im Gefängnis – er wird mich verfolgen und auch das, was ich schreibe. Er wird mein Verhalten bestimmen“, das schrieb Bei Ling vor 22 Jahren als er erfuhr, dass sein Freund Liu Xiaobo nach dem Massaker vom 4. Juni 1989 verhaftet worden war – und er scheint recht behalten zu haben. Die Biografie seines Weggefährten Liu Xiaobo ,Der Freiheit geopfert´ ist erst kürzlich auf Deutsch erschienen.
Am 12. April liest Bei Ling mit Gerhard Ruiss Gedichte von Liu Xiaobo und Liu Xia (der Frau des inhaftierten Nobelpreisträgers, die seit Oktober in ihrer Wohnung festgehalten wird). Außerdem trägt Bei Ling aus seinem lyrischen Werk vor und liest aus der Biografie über den Friedensnobelpreisträger.
Die Veranstaltung in Kooperation mit dem quartier21/ MQ wird von der IG Autorinnen Autoren mitgetragen.
Herta Müller’s speech on March 20 in Berlin was published in the FAZ on March 26. Very good speech. She has read the biography. Maybe a little too fast. The labour camp didn’t come immediately after the first prison term. He wrote the confession in prison at the end of 1990 and went free in January 1991. Everything else is correct. The episode with his father, who wanted him to give in. And the labour camp. She does take a side, very emphatically. The last sentence is the most important one. “More and more supporters of Charter 08 are disappearing in jail.” Liu Xianbin was sentenced to 10 years a few days ago. Altogether he has been sentenced for more than 25 years since 1989. His most serious crime seems to have been one of the founders of an opposition party at the end of the 1990s. Liu Xianbin’s wife Chen Mingxian chronicles her life in the last 20 years in this account: http://08charterbbs.blogspot.com/2010/10/blog-post_23.html
Teng Biao has disappeared, Ran Yunfei has been detained for a while, and now Liu Xianbin has been sentenced to 10 years, to name but a few. The situation is very clear. No progress, just the opposite.
MuseumsQuartier Wien, Raum D / quartier21 - Photo by Pernille Koldbech Fich
Solidaritäts-Lesung für den inhaftierten Friedensnobelpreisträger Liu Xiaobo
20. März 2011
Österreichische und chinesische Künstlerinnen lesen Texte des chinesischen Bürgerrechtlers. Im Anschluss findet ein Gespräch mit SinologInnen, SchriftstellerInnen und MenschenrechtsexpertInnen statt.
Liu Xiaobo, the Chinese dissident sentenced to 11 years on Dec.25th 2009 for “incitingsubversion“, was awarded the Nobel Peace prize in absentia in Oslo on Dec. 10th, 2010. Liu’s old friend and Independent Chinese PEN co-founder Bei Ling has written a biography of Liu Xiaobo. Bei Ling started off from an essay he wrote in June 1989 in New York, after Liu Xiaobo had been arrested in Beijing in the aftermath of the massacre throughout the city, as People’s Liberation Army troops forced their way through the streets blocked by protesters in the last phase of the demonstrations on Tian’anmen Square. Liu Xiaobo had returned to China from New York and led a hunger strike of intellectuals on the square, supporting the students and Beijing residents in their demands for civil liberties. Bei Ling‘s essay from 1989 was re-published in Chinese in Hongkong and Taiwan in June 2009, and in the German newspaper FAZ on October 12th, 2010, a few days after the Nobel Peace prize announcement from Oslo. Soon after, the German publisher Riva expressed interest in a biography of Liu. Bei Ling had recently written a literary memoir of his years a Beijing underground poet in the 1980s and a literary magazine editor, shuttling between China and foreign countries, in the 1990s. Liu Xiaobo and other old friends such as Liao Yiwu are important figures in Bei Ling’s memoir, to be published by Suhrkamp in Germany this year. So Bei Ling was ready to write his biography of Liu Xiaobo on short notice. It was a crazy idea, but it worked. We worked around the clock in November 2010, and in early December the book hit the shelves. In the first week, from Dec. 9 to 16, it sold 2500 volumes, according to the publisher. Since then, Bei Ling’s biography of Liu Xiaobo has been reviewed in many newspapers, magazines, on TV and radio stations etc. throughout Germany and in neighbouring countries. This month (January 2011), according to the publisher, the book has started to appear on the Spiegel magazine’s bestseller list, the standard list in the German-speaking realm. On January 11th, 2011, a symposion with Bei Ling, Prof. Weigelin-Schwiedrzik, Prof. Findeisen, Prof. Zhu Jiaming, Dr. Felix Wemheuer and others was held at Vienna University and met with great interest among students and teachers from various faculties. Seehere …
Liu Xiaobo biographer Bei Ling at Vienna University on Jan. 11th, 2011. Photo: Angelika Burgsteiner
This is a book about an absent person, who is held in prison; who has won a Nobel Peace prize and is not allowed to collect it: Liu Xiaobo. His old friend Bei Ling writes about him. He draws a many-faceted picture – only a knowledgeable friend can do that. This book is concerned with manifestos, petitions, political actions, but also with self-doubt and guilt, stubbornness and ambition. The author Bei Ling, who was imprisoned himself before, sees his duty in painting a complicated picture of this civil rights activist, with many different shades and colors. Bei Ling knows that he can see Liu Xiaobo only from one side, he can only portray him in profile, not from the front. But even if it is only part of a bigger picture, this part shows us a whole cosmos of courage and repression, of labor camps and life outside watched by security agents, like the life that the wife of this civil rights activist is forced to lead. This book offers a lot of information, but it doesn’t explain everything, because it wants you to keep asking questions. This is why I think everybody should read it.
Elfriede Jelinek, Tr. MW