Posts Tagged ‘Hubei’

SELBST-ISOLATION:公子琴

3月 28, 2020

Gongzi Qin
SELBST-ISOLATION

Nachdem in Wuhan die neuartige Lungenentzündung ausgebrochen ist
bin ich von meiner Uni in Wuhan
nach Xiaogan zurück;
hab mich nicht getraut zu husten Temperatur zu kriegen
oder auch nur zu nießen.
Hab nicht gewagt zu meiner Kusine zu gehen die nur eine halbe Stunde entfernt wohnt um zu gratulieren zum Mondneujahr;
hab mich gar nicht getraut irgendjemanden anzusprechen
auch nicht meine Eltern,
hab mich nicht einmal getraut abgenagte Hühnerknochen
dem Hund zu geben.

25. Januar 2020
Übersetzt von MW im März 2020

 

 

JEDER TAG – EVERY DAY

3月 23, 2020

FRÜHLING

In der Früh
wenn du noch den Frost spürst
und schon die Wärme
ist die beste Zeit
um das Leben zu spüren.

MW 19. März 2020



JEDER TAG

jeder tag ist ein gedicht
wenn du zeit hast
im moment haben viele leute
viel mehr zeit als sonst,
wenn auch nicht unbedingt ruhe.
haben sie einen moment?
ist eine häufige frage
im moment haben viele viele millionen
in vielen erdteilen
etwas gemeinsam.
natürlich ist das auch sonst der fall
aber normalerweise sagt niemand
von dieser situation betroffene aller länder,
lasst uns einander helfen,
so gut wir nur können,
oder was glaubst du?

MW 21. März 2020

POETRY IN CRISIS? 庄生访谈:十一问 – 11 QUESTIONS asked by Zhuang Sheng

EVERY DAY


every day
is a poem
if you have time
at the moment there are many people
who have more time
although you still might not have peace and quiet enough.
do you have a moment?
is an everyday question.
at the moment many many millions
in many parts of the earth
have something in common.
actually that was the case long before,
but nobody said
affected people of all nations,
let’s help each other
as best as we can
or did they?
or did we?


MW March 21st, 2020

POETRY IN CRISIS? 庄生访谈:十一问 – 11 QUESTIONS asked by Zhuang Sheng

FIT MACH MIT

vorige woche ist noch einer durchgeturnt
so wie wir vorher fast jeden tag
durch den motorikpark
bevor sie ihn abgesperrt haben
ich hab ihn gesehen
vielleicht genau vor einer woche
am sonntag in der früh
heute gibt es wieder virtuellen
gottesdienst
nehm ich an
vielleicht mach ich eh mit
wir machen jeden tag ein gedicht
im literadio
mach mit wenn du willst

MW 22. März 2020



VÖGEL

vögel singen wie früher
wieder ein strahlender märztag
im vogelleben
kommt glaub ich unsere seuche nicht vor
vögel haben keine versicherung
vogelfrei
was hat das bedeutet
menschenfrei
manche straßen
ein paar wochen lang
in wien noch nicht wirklich
glaub ich
menschenfrei
wien war judenfrei
haben sie verkündet
als der himmel
frei für die bomben war
und vögel singen wie früher
und österreich ist frei
nicht wahr

MW 23. März 2020

„Der Raum erstarrt zu einem Netz von undurchlässigen Zellen. Jeder ist an seinen Platz gebunden. Wer sich rührt, riskiert sein Leben: Ansteckung oder Bestrafung. … Jeder ist in seinen Käfig eingesperrt, jeder an seinem Fenster, bei Nennung seines Namens antwortend und zeigend, worum man ihn fragt – das ist die große Parade der Lebenden und der Toten. … Dieser geschlossene, parzellierte, lückenlos überwachte Raum, innerhalb dessen die Individuen in feste Plätze eingespannt sind, die geringsten Bewegungen kontrolliert und sämtliche Ereignisse registriert werden, eine ununterbrochene Schreibarbeit das Zentrum mit der Peripherie verbindet, die Gewalt ohne Teilung in einer bruchlosen Hierarchie ausgeübt wird, jedes Individuum ständig erfaßt, geprüft und unter die Lebenden, die Kranken und die Toten aufgeteilt wird – dies ist das kompakte Modell einer Disziplinierungsanlage. Auf die Pest antwortet die Ordnung, die alle Verwirrungen zu entwirren hat: die Verwirrungen der Krankheit, welche sich überträgt, wenn sich die Körper mischen, und sich vervielfältigt, wenn Furcht und Tod die Verbote auslöschen. Die Ordnung schreibt jedem seinen Platz, jedem seinen Körper, jedem seine Krankheit und seinen Tod, jedem sein Gut vor: kraft einer allgegenwärtigen und allwissenden Macht, die sich einheitlich bis zur letzten Bestimmung des Individuums verzweigt – bis zur Bestimmung dessen, was das Individuum charakterisiert, was ihm gehört, was ihm geschieht. Gegen die Pest, die Vermischung ist, bringt die Disziplin ihre Macht, die Analyse ist, zur Geltung. Es gab um die Pest eine ganze Literatur, die ein Fest erträumte: die Aufhebung der Gesetze und Verbote; das Rasen der Zeit; die respektlose Vermischung der Körper; das Fallen der Masken und der Einsturz der festgelegten und anerkannten Identitäten, unter denen eine ganz andere Wahrheit der Individuen zum Vorschein kommt. Jedoch gab es auch einen entgegengesetzten, einen politischen Traum von der Pest: nicht das kollektive Fest, sondern das Eindringen des Reglements bis in die feinsten Details der Existenz vermittels einer perfekten Hierarchie, welche das Funktionieren der Macht bis in ihre letzten Verzweigungen sicherstellt. Hier geht es nicht um Masken, die man anlegt oder fallen lässt, sondern um den »wahren« Namen, den »wahren” Platz, den »wahren« Körper und die »wahre« Krankheit, die man einem jeden zuweist. Der Pest als zugleich wirklicher und erträumter Unordnung steht als medizinische und politische Antwort die Disziplin gegenüber. Hinter den Disziplinarmaßnahmen steckt die Angst vor den »Ansteckungen«, vor der Pest, vor den Aufständen, vor den Verbrechen, vor der Landstreicherei, vor den Desertionen, vor den Leuten, die ungeordnet auftauchen und verschwinden, leben und sterben.“

Überwachen und Strafen, S.251ff: http://www.ph-ludwigsburg.de/fileadmin/subsites/3b-asop-t-01/user_files/Kleinbach/Veranstaltungen/WS0506_Menschenbilder/Pestmodell.pdf

 

 

LANDSTREICHER – 胡洁洋

3月 9, 2020

Hu Jieyang
LANDSTREICHER

Herkunft Dongbei, Mandschurei.
Geboren in Hubei,
Arbeit in Hebei.
Zum Mondneujahr in Dongbei, in der Mandschurei.
Bei der Rückkehr zur Arbeit in Hebei
wegen der Papiere aus Hubei
nach Hubei deportiert,
auf der Straße gelandet.

2020-02-21
Übersetzt von MW im März 2020