Die Straßenlampen bleiben jede Nacht auf,
deshalb sind alle kahl.
Eines Tages kommt ein Vogel geflogen
und macht auf einer Lampe ein Nest.
Und die Lampe sagt stolz zu den anderen,
schaut her, mir sind Haare gewachsen!
wenn es nacht wird
schlafen schon alle schatten
unter den strassenlampen
sind ein paar ängstliche
die sind noch wach
weil sie sich fürchten
drehen sie das licht auf
Heimfahrt auf regennasser Strasse,
kühler Wind kommt durchs Fenster,
sehr angenehm.
Will ein Gedicht schreiben,
weiß noch nicht wie.
Zheng Zhongji singt schwermütig aus den Lautsprechern,
“Nie erwähnen, dass ich dich liebe”
Warum kann man nicht sagen, dass man jemand liebt?
Von der Guanghua-Strasse in die Guanshan-Strasse.
Ein Arbeiter in Leuchtweste auf einer Hochleiter
repariert gerade eine Straßenlampe.
Er könnte nach zehntausend Sternen greifen,
warum konzentriert er sich auf die Lampe?
An unserm Block an der Guangming-Straße
auf beiden Seiten die alten Platanen
sind Wohnungen für die Vögel geworden,
jeden Abend
kehren sie zwitschernd und krähend zurück.
Auf der Straße sind dann lauter
“Pflaumenblüten”,
eine Blüte nach der anderen.
Eines Tags eil ich nach Haus,
und eine kleine weiße Blüte
sitzt auf meiner rechten Schulter.
Junger Mann
in schwarzer Daunenjacke,
Papierbecher in der Hand,
steht an der Ecke, starrt vor sich hin.
In dem Moment als ich vorbeikomm,
hebt er den Kopf und schaut mich an.
Komm nicht dazu,
seinem Blick auszuweichen,
so hat er wahrscheinlich
ganz klar bemerkt,
was ich gedacht hab:
“Mann, kommt aus Osteuropa,
stark und kräftig,
kniet gleich nieder und bettelt.”
Unser einziger Stolz
ist, dass wir lachen über Leute in Wien,
die gehen mit Bannern auf die Straße
und protestieren ihr Leben sei schlecht.
Wenn unser Leben nicht gut ist,
gehen wir nie auf die Straße,
murren nur wir sind nicht fleißig genug.
Und manchmal halt,
egal ob wir leben,
dürfen wir gar nicht auf die Straße.
19. September 2022
Übersetzt von MW im September 2022
Für die Inspektion
wird auf beiden Seiten der Straße
jedes Haus gleich angestrichen.
Herr Ma nimmt zwei Kübel
Gratis-Gipsfarbe,
streicht den über zehn Jahre leerstehenden Kuhstall.
Sieht ganz milchweiß aus.
Aber nach dem Regen
sind auf der weißen Wand
Berg und Fluss, Bach und Tal.
Die Bäume an der Strasse
sind alle umgehaut!
Sauerstoff wird immer weniger.
Wir werden uns
die Nase zuhalten beim Atmen,
damit wir nicht so viel verbrauchen.
Während der Pandemie
hab ich von Kolleginnen und Kollegen
eine Scheibe Brot bekommen,
eine halbe Mandarine,
einen verschrumpelten Apfel.
Eier von meiner Nachbarin Lao G.
Bilder von Kindern im Hof.
Handwärmer von Fremden.
Bücher von weit entfernten Freunden.
Deng’s Corona-Kräuter von Landsleuten im Süden.
Sellerie, Rettich und Koriander von der Regierung.
Und auf dem Heimweg um Mitternacht auf der Straße,
von einem aufmerksamen Polizisten
einen Salut.
Damals nach China. Kaum Zeichen gekonnt. Alles fremd. Sehr erdig.
Vor vielen Jahren. Fahrradfahren. Hitze in der Sonne. Pechschwarzer Asphalt.
Am Asphaltstraßenende, goldgelber Mais. Rundherum Stille. Auch keine Leute.
Zu meinen Füßen eine Jauchegrube. Angelegt am Asphaltstraßenende.
Die erste Jauchegrube, die ich gesehen hab. Rundherum Stille. Keine Leute. Sonnenhitze.
Pechschwarzer Asphalt. Goldgelber Mais. Nur in der Jauchegrube Bewegung. In dem warmen dunkelbraunen Kot viele tausend Insekten, die tummeln sich froh.
Übersetzt von MW aus dem Chinesischen am 7. März 2022
11 Jahre, nachdem er gestorben ist,
taucht Opa auf, rennt auf der Strasse.
Onkel und Papa sind verschreckt von der Tatsache,
sie trommeln Nachbarn und Leute zusammen,
um Opa wieder nach Hause zu bringen.
Jishui Tan, Trommelturm, Andingmen,
Opa war überall dort unterwegs,
doch außer der Nachricht gibts sonst keine Spur.
Opa ist in der Früh aufgetaucht,
er muss durch den Strom der Autos von links,
wird auf einmal ganz schnell, kommt durch und hinüber.
Mit flatternder Mähne, mehr weiss halt als schwarz.
Die Nachbarn spazieren, sie erwischt die Erinnerung.
Opa rennt immer noch in dieser Stadt an einer Kreuzung,
Onkel und Papa kleben schon ganz viele Zettel.
Der einzige, der nicht herumrennt, bin ich.
Sonst würd ich mich auch noch verzetteln.
Im Moment
geh ich auf der Straße,
Wind im Gesicht.
Mir ist kalt,
es tut weh.
Wenn jetzt
ein Eskimo
auf der Straße geht,
Wind weht ihm ins Gesicht,
wird er sagen,
der Wind ist kalt,
der Wind tut weh.
Im Winter im Januar in der Früh
grad wenn es hell wird
wart ich auf den Bus,
auf den Bus zur Arbeit.
Ich schau nach Westen,
weil dort der Bus kommen soll.
Hätt nicht gedacht,
ganz am Ende der Taihang West-Straße
hängt noch
ein runder Mond am Himmel.
Ich bin so überrascht, dass er sich grad zu dieser Stunde
so voll zeigt,
so einfach,
so süß und so schön.
Wie plötzlich ein Blick auf Anfang April,
ganz klar auf den Gräbertag.
Mir kommt vor als hätt ich
überhaupt keine
Erinnerung,
keine Ideen
oder Gedanken.
Zehntausend Dinge und ich
genießen einander großzügig
in grenzenloser geheimer Stille.
[In einem Kreis aus weißen Blüten in grauer Asche auf der Straße steht eine kleine Metalltonne. Darin werden Zettel verbrannt. Eine Menschenmenge sitzt auf der Straße und skandiert.]
Nieder mit der Militärdiktatur!
Protest! Protest!
Streik! Streik!
Revolution!
Die Revolution wird siegen!
Gerechtigkeit und Freiheit müssen gewinnen,
in unserem Land, in unserer Nation.
Wir sehen, wie sie unsere Nationalhymne auf die Guillotine zerren.
Ihre Ansage, die Zeit der Sandalen sei zu Ende,
kommt in die Öffentlichkeit
wie ein gebrauchtes Kondom aus einem Bordell.
Wütend wie das Feuer der Hölle,
schreit der Oger Alawaka Drohungen
und zeigt seine schrecklichen Krallen!
Aber er wird auf seiner Brust liegen,
zu Füßen von Dharma und Sila.
Das ist der Weg der Wahrheit.
Weil sie ihre Würde als Menschen
nicht gegen eine Mundvoll Reis eintauschen,
haben sie Widerstand geleistet, haben ausgehalten,
sind zusammengefallen und umgefallen.
Die Revolution wird nicht im Fernsehen übertragen!
Die neue Nationalhymne kommt als Death-Metal-Version heraus. Kondomfirmen nehmen keine Kundenanrufe mehr entgegen.
Möge ich verlieren, möge die Wahrheit siegen!
Möge ich verlieren, möge die Wahrheit siegen!
Möge ich verlieren, möge die Wahrheit siegen!
Wenn die Bastarde verlieren und um Gnade flehen,
indem sie unsere Eier umfassen,
werden wir ihnen ins Gesicht pissen.
Wir schlagen nicht auf Töpfe und Pfannen,
weil es lustig ist.
Wir haben keine Waffen.
Wir haben höchstens Töpfe und Pfannen.
Wir haben keine Macht.
Wir haben nur Töpfe und Pfannen.
Haut auf die Töpfe! Schlagt die Pfannen!
Haut drauf! Haut drauf! Das ist unsere Revolution!
Haut drauf! Haut drauf! Das ist der Weg zu unserem Ziel!
Haut drauf! Haut drauf!
Haut drauf! Haut drauf!
Eines Tages werde ich Sternen-Bumen streuen, auf das Grab meiner kleinen Schwester.
Diesen Sommer können wir die Hunde nicht wieder tollwütig werden lassen.
Diesen Sommer wird jede Blume knospen und wundervoll aufgehen.
Diesen Sommer werden die Fahnen des Volkes im Wind flattern und triumphieren.
In meiner Jugend gab es nur einen Min Ko Naing.
Jetzt ist jeder junge Mensch Min Ko Naing.
Schützt alle Min Ko Naings!
Schart euch um alle Min Ko Naings!
Jedesmal, wenn ein schlechter Samen auf einer Bühne aufgeht,
versinkt die ganze Welt im Chaos.
Sie wird krank, ihr Körper brennt vor Hass.
Ich bin krank und nehme eine zehn Jahre alte bittere Medizin.
Aber ich bleibe krank. Im Leben in dieser Welt werden wir alle krank.
Wir können uns nur selbst kurieren, haben keine Zeit, angefressen zu sein. Wenn wir am Esstisch Platz nehmen, schwärmen die Heuschrecken wieder herein.
Wie kannst du arbeiten gehen, wenn alle protestieren?
Wie kannst du das mit deinem Gewissen vereinbaren?
Wirst du ok sein, wenn sie auf deine Familie spucken?
Kannst du glücklich sein, wenn deine Kinder die Stiefel von Min Aung Hlaing lecken, während seine eigenen Kinder stinken vor Geld?
Kannst du sagen, “gut gemacht”, wenn deine Enkel kaum überleben, während Min Aung Hlaings Enkelin im Ausland studiert?
Kannst du in Frieden zur Arbeit gehen, wenn dich die Unterdrücker mit ihren Gewehren wie eine Kuh behandeln?
Kannst du froh ins Büro gehen?
Kannst du froh ins Büro gehen?
Jeden Morgen, wenn Papa und Mama zur Arbeit gehen,
schämen wir uns, meine Schwester und ich.
Wir möchten nicht für unsere Zukunft fürchten.
Papa, bleib daheim. Mama, geh nicht ins Büro.
Bleibt zuhause für unser Land und für uns.
Lasst uns euch danken, dass ihr uns aufgezogen habt, indem wir uns den Protesten anschließen.
Lasst uns den Garten unserer Zukunft bestellen.
Zu viele Blätter sind zu früh abgefallen!
Wir werden eure Barbarei im Namen der Wahrheit zerstreuen!
Die Blumen des Winters werden auf euch losgehen,
die Wasser des Monsuns werden euch ertränken.
Für eine gerechte Sache opfern wir unser Blut!
Wir lassen niemanden unseren Frühling wegnehmen, nicht einen Fingerbreit.
Ich war eingeladen zum UNESCO-Poesiefestival,
sollte online rezitieren, zur Feier des Welttags der Poesie.
Ich habe abgesagt.
Ich habe geschrieben,
Russland ist doch euer größer Sponsor, nicht wahr?
Meine Antwort auf eure Anfrage
entspricht den Gefühlen der Menschen in Myanmar.
Also scheint es so zu sein,
dass ich an der Revolution des Frühlings teilnehme,
nicht indem ich Gedichte lese,
sondern indem ich ablehne, zu lesen.
Seltsame Sache!
Mögen allen Arbeitsscheuen
ihre Verdienste vermehrt werden,
mögen ihre Gebete in Erfüllung gehen!
Mögen alle, die streiken,
reinen Herzens sein und von allen geliebt werden.
Mögen alle, die daheim bleiben,
von Geistern und Menschen gesegnet werden,
mögen alle, die diesen Boykott mittragen,
die Kraft finden, weiterzumachen!
Der Klang des Marsches unserer Herzen fließt bis in unsere Fingerspitzen!
Der Golf-Taifun ist weder hineingekommen noch weggegangen.
Ihr sollt wissen, wir sind Geister.
Wir sind schon gestorben.
Wenn wir heute wieder sterben,
werden wir euch für immer heimsuchen.
Wir sind Geister, wir sind schon tot!
Heute suche ich den ganzen Tag im Fernseher
und bekomme keine Sender herein.
Wegen der Störgeräusche
klopfen die Nachbarn an meine Tür.
Bratet das Schwein in seinem eigenen Fett!
Bratet die Tür darin!
Der Schweinekerl, den du gesehen hast,
versteckt sich vor der Guillotine!
Du magst davon gehört haben oder nicht,
aber das ist keine akzeptable Entschuldigung.
Weil wir nicht zurück können in die Vergangenheit,
haben die Kinder, die wir nicht bekommen haben,
Waffen ergriffen zu einer Zeit, in der wir nicht leben.
Sie sind gegen Befehle von oben aufgestanden.
Sie haben ihren Sklavengeist
in einen Salzsack gesteckt
und im Fluss ausgelassen.
Gedankenfetzen von Millionen
vereinen sich in einem zitternden
und doch festen Faden.
Ich bin Ma Seint Htet, der vom Berg herunterfällt.
Ich bin U Ko Ni, der am Flughafen steht,
der vergebliche Besuch von Ibrahim Gambari.
Ein EPC-Elektriker hängt tot von einem Strommast.
Und ein Wanderarbeiter …
Die Räder der Hirne in den Bäumen
drehen sich zusammen
in den Ohren in den Schwertern
in den Wänden.
Die Knöchel eines alten Gewandes
werden terrorisiert
und jeden Tag heimgesucht,
übertrieben, als Strategie.
Die Erde auf meinem Gesicht
ist ein Haufen zerbrochener Knochen.
Fünfzig Jahre in einer Kassette aufbewahrt,
ohne Tonband.
Ein trauriges Lied,
das wir sofort nicht mehr singen dürfen.
Niemand wird uns wieder auseinanderbringen!
Wir sind ein einziger Blutkreislauf geworden!
Mach deine Maske zu deiner Fahne,
mach deinen Facebook-Eintrag
zu deinem Ultimatum!
Wo immer du bist,
dort mach deinen Protest!
Heute halten die Mütter ihre Kinder nicht zurück,
wenn sie hinausgehen und Gerechtigkeit verlangen.
Sie reißen ein Stück von ihrem Longyi ab
und binden es um den Arm jedes Kindes,
damit es geschützt sei vor Kugeln und Patronen
Auf den Straßen der Revolution.
Bewegen sich Heldinnen und Helden
in einem roten Schwall.
Wolken türmen sich auf
und darunter zerfällt der Morgen
in eine Revolution.
Das Heulen eines riesigen Tintenfisches,
der durch die Straße bricht,
hallt noch im Himmel über der Stadt.
Auch wenn ihr unsere Handgelenke durchschneidet,
wie ihr nur wollt,
unsere Fäuste werden nicht aufgeben.
(12 Männer zusammen skandieren) :
Der dämonische Enkel, frisch vom Mönchstum, zischt:
Ein Riss im herausgebackenen Teig, ein Sohn, der das Land zerstört!
Der dämonische Enkel, frisch vom Mönchstum, zischt:
Ein Riss im herausgebackenen Teig, ein Sohn, der das Land zerstört!
Zum Gedenken an den Dichter K Za Win, der gegen den Militärputsch protestierte und am 3. März in Monywa in einer friedlichen Demonstration von Soldaten getötet wurde. Möge er in Frieden ruhen. Dichterinnen und Dichter werden überall in Myanmar verhaftet.
Es folgen die Namen von 32 Dichtern und Dichterinnen in der Reihenfolge ihres Auftretens in dem Video.
Auf jedem Stück Straße
sind sie aufgereiht,
die rostigen Sitze.
Die Leute, die früher auf ihnen saßen,
die haben die Zeitmaschine genommen
und sind jetzt woanders.
In der Früh
nach den paar kältesten Tagen
seit Anfang November
ein mittelalter Mann
auf dem Nordbahnhofplatz
mit seiner Gitarre.
Ich fahr mit dem Wagen vorbei,
hör nicht, was er singt,
weiß auch nicht für wen.
Aber wenn ich dran denk,
er sitzt auf den kalten Stufen
ohne irgendein
Publikum,
dann geb ich ihm gleich
in meinem Herzen
ein Like.
Übersetzt von MW im Januar 2020
3A, geb. in den 1970er Jahren, Dichter und Schriftsteller. Schrieb den Roman “Ratten überqueren die Straße” und den Gedichtband “Zauberer”. Veröffentlichungen in vielen Medien und in prominenten Anthologien. Veranstaltet den AAA-Guangxi-Poesiewettbewerb. Erhielt den Li Bai Preis 2015 für Verbreitung von Poesie. 《新诗典》小档案:三个A,70后诗人、作家。出版长篇小说《老鼠过街》、诗集《魔术师》。作品入选《2012中国新诗大典》《当代短诗三百首》《2014年诗歌排行榜》《中国口语诗选》《新世纪诗典》《当代诗经》《磨铁2016年度中国最佳诗歌100首》《2016中国年度好诗三百首》等;主编《AAA广西诗歌排行榜》《中国先锋诗歌地图》(广西卷)。获得(2015)年度NPC李白诗歌推荐奖。有诗歌被翻译成英、法、韩语并发表。现居广西。
Unterm Arm eine alte Strohmatte
treib ich mich auf der Straße herum,
breite die Matte unter einem Baum aus,
oder gegenüber neben dem Fabrikstor.
Nach Mitternacht, überhaupt kein Wind,
der Boden ist überall brennheiß,
sogar ein Sandhaufen,
untertags ist der Sand feucht,
in der Nacht dampft er vor Hitze.
Weiß nicht warum
ich mich erinnere an diese Nächte.
Ich stolper mit der alten Matte
zur Tür heraus, such einen Platz
wo ich schlafen kann.
Vielleicht will ich sagen,
früher wars auch so heiß,
wenn jemand sagt, das Klima wird wärmer,
glaub ichs nicht unbedingt.
In Wirklichkeit bedeutet diese Nacht überhaupt nichts,
vielleicht kann ich nur sagen
ein Menschenleben
wär einfach uninteressant,
wär nachher nichts gewesen
was im Gedächtnis bleibt.
Grüne Kletterpflanze an der Straße rankt sich hinauf an roten Ziegeln durch einen Drahtzaun in einen völlig verstaubten Lüftungsventilator. Dort war der grüne Trieb unvorsichtig, ist zu lange geblieben, hat eine große Gurke gebildet, wollte noch raus und ist nicht mehr herausgekommen.
12. August 2020, 20 Uhr 25 Minuten Übersetzt von MW im September 2020
Manche nehmen einen Zug,
einen Bus.
Vielleicht ist er ein Streuner.
Im dämmrigen Straßenlicht
umarmt er ganz fest
einen weißen Pfeil,
in der Mitte der Straße
wartet er auf den Start der Rakete.
2005 oder 2006
in Kunming
Ein Mitschüler aus dem Gymnasium geht mit mir
und seinem Mitstudenten (Uni der Provinz Yunnang)
zusammen ins Restaurant.
Nach dem Essen
will der Mitstudent, frischgebackener Verkehrspolizist,
uns unbedingt einladen.
Er schnappt sich die Rechnung, durchsucht seine Taschen,
aber die Brieftasche hat er vergessen.
Er nimmt ganz in Ruhe
seine Uniform aus der Tasche,
zieht sie an und sagt:
“Ich geh raus auf die Straße und steh dort ein bisschen herum.”
Zehn Minuten später
seh ich er hat 800 Yuan in der Hand
und geht direkt die Rechnung begleichen.
Ich bin eine Ampel,
hab drei Augen,
die sind in verschiedenen Farben.
Aber ich kann nur
mitten auf der Kreuzung stehen.
Wenn ich zornig bin, geht mein rotes Aug auf.
Wenn ich froh bin, sperr ich mein grünes Aug auf.
Mein gelbes Aug hab ich nicht lange offen.
Am liebsten mag ich’s, wenn die Leitung gestört ist.
Dann kann ich meine drei Augen
zugleich offen haben.
Last night I dreamt of Marx,
everybody was Marx.
Old and young, women and men, everyone.
On the streets people called each other Marx, that was normal.
I think the dream was in English or German,
everyone was called MARX, just one syllable,
no other name.
Every person in the whole city,
don’t remember exactly where.
There was no I, only us.
It was very natural.
MW May 2018, in English August 2018
TRAUM VON MARX
Hab von Marx geträumt.
Alle waren Marx.
Alte, junge, Frauen und Männer, alle mit demselben Namen.
Auf der Straße reden sich alle so an, ganz normal.
Wahrscheinlich auf Deutsch oder Englisch,
alle heißen MARX, nur eine Silbe.
Nur dieser Name.
Alle heißen wir Marx, die ganze Stadt,
weiß nicht mehr welche.
Es gibt nur uns, also kein Ich,
im Traum ganz natürlich.
the poet li yan
saw my post on weibo
and lent me one thousand yuan
so I could
check into a hotel
when it was minus 12 outside
I had slept in internet bars
many days
that year we all used
netease weibo microblog
yi sha’s npc, new poetry canon
first came out on netease
later li yan
found me a warehouse
a warehouse with heating
it was really warm
but after two days I was sick from the heat
sweating all night
December 2017
Translated by MW, March 2018
Liu Bin AUF DER STRASSE
der dichter li yan
hat meine meldung auf weibo gesehen
und mir tausend yuan geborgt.
eine winternacht mit minus 10
hab ich deswegen
im hotel verbracht.
davor hab ich viele tage
in internetbars übernachtet.
damals hatten wir alle den microblog
von netease, wangyi weibo.
yi shas NPC, new poetry canon
war nämlich zuerst auf netease.
später hat li yan
ein lagerhaus für mich gefunden,
einen speicher mit einer heizung,
wirklich sehr warm.
zwei tage und ich war voller hitze,
jede nacht durchgeschwitzt.
vor langer zeit schon
haben wir von diesem vogel gesprochen
keine ahnung woher er gekommen ist
wir waren ganz aufgeregt
er hat uns zum lachen gebracht
an einem abend im winter
in der nacht, da ist er gekommen
wir haben tief geschlafen
niemand hat ihn gesehen
erst in der früh im sonnenlicht
haben wir auf dem glas
einen kleinen schatten bemerkt
der war lange dort
und wollt noch nicht weg
wir haben den winter verflucht
das lange schlafen im winter
wir wollten eine rote lampe
dauernd brennen lassen
um dem vogel zu sagen
dass wir auf ihn warten
die trauben im hof
sind wieder auf dem rahmen gewachsen
die fenster waren nicht mehr zu
wir haben noch auf den vogel gewartet
an einem samstag
bedeckter himmel, kein regen
sind wir zusammen ausgegangen
um ein neues kleid für mich zu kaufen
es ist dunkel geworden,
bei dem wonton-laden mit vielen leuten
haben wir jeder zwei große schüsseln gegessen
auf dem weg zurück
waren wir ganz still
haben uns innerlich nicht wohl gefühlt
daheim angekommen
die lampe im hof ist aufgeflammt und erloschen
eine kette von grünen trauben war auf den stufen
wir sind zugleich stehen geblieben
haben in den himmel geschaut
gleich wieder auf den boden
er war hergekommen
wir haben nicht gewagt, von ihm zu sprechen
nur im stillen an ihn gedacht
gefürchtet, dass er nie wieder erscheint
endlich war die tür offen
der rote glanz hat geleuchtet
auf dem karierten papier
du hast nicht schreiben können
ich wollte das neue kleid anprobieren
und hab die knöpfe nicht aufgekriegt
Saddam is the name of a sanitation worker in Yutian county town.
He is 55 and he smokes cigarettes.
He can throw cigarette butts very far.
People have seen him shoot down sparrows from trees with cigarette butts.
He always cleans up the butts afterwards.
His talent has been discovered by a satellite TV station.
From his performances
he has gained some local fame.
He also has his own rules,
turns down invitations that would interfere with his work,
no matter how much they would pay him.
He only takes part in activities in his spare time.
“Sanitation work has made me what I am,
you have to know where you come from”, he says.
ich geh zur volksschule auf der volksstrasse und hol meinen sohn ab.
geh vorbei am volkskrankenhaus nr. 1, volkskrankenhaus nr. 2,
volkskrankenhaus nr. 4. an der volksregierung, dem volksgericht, der volksstaatsanwaltschaft. 9 wachtposten sind auf dem weg, ich treffe x volkspolizisten.
jetzt geh ich auf der volksstraße
aber ein volksgefühl hab ich nicht
1 Ferrari
1 Bentley
2 Land Rovers
3 BMW
stuck right in the middle.
I am standing solemnly
inside a bus
glued to a window,
my right hand stretched up,
holding tight.
In a short minute
I have inspected the entire parade.
Published online in Yi Sha’s NPC (New Poetry Canon) series on Febr. 18, 2017
Translated by Martin Winter, February 2017
Mo Ming [“Nameless”], orig. name Li Yongbiao, born in 1994 in Huizhou, Guangdong province. Finished Jiaying academy in Meizhou city in 2016, works in Shenzhen.
1 Ferrari
1 Bentley
2 Land Rover
3 BMW
verstopfen die Straße.
Ich stehe ernst und feierlich
am Fenster des Busses
dicht an der Scheibe,
die rechte Hand hochgestreckt,
fest in Position.
In knapp einer Minute
hab ich die komplette Parade beisammen.
Mo Ming [”Namenlos”], eigentl. Li Yongbiao, geboren 1994 in Huizhou, Provinz Kanton. 2016 Abschluss an der Jiaying/Hochschule in Meizhou. Arbeitet in Shenzhen.
at night
there’s a road
that climbs to a road
then climbs to the next road
many thousand roads
all climb to another road
one road behind all the others
stands up
takes a good look under its feet
villages cities countries
starts dancing into the heavens
30,000 suns and above
lightly
in a few steps
2013
Tr. MW, Oct. 2016
Li Xunyang MEINE FAHRT GEHT AUFS STERNENMEER
eine straße
in der nacht
kraxelt zu einer straße
kraxelt zu einer anderen straße
viele tausend straßen
kraxeln alle nach noch einer straße
ganz am ende die eine straße
die steht dann auf
mustert unter ihren füßen
dörfer städte länder
fängt an zu tanzen hoch in den himmel
über die stirnen von 30.000 sonnen
auf zehenspitzen
mit ein paar schritten
An Qi EVERY CIGARETTE BUTT ON THE STREETS OF SEOUL IS A CHINESE MASTERPIECE
on seoul streets
they lie here and there
cigarette butts
each one a chinese masterpiece
right after this icy sentence
yi sha says “puh” and drops his cigarette
but shen haobo hides his in a flower arrangement
July 9th, 2016 in Seoul
An Qi JEDER ZIGARETTENSTUMMEL AUF DEN STRASSEN VON SEOUL IST EIN CHINESISCHES MEISTERWERK
auf den strassen von seoul
sieht man da und dort
zigarettenkippen
alles chinesische meisterwerke
der kalte satz ist grad gefallen
yi sha macht “puh”, wirft seine kippe weg
aber shen haobo drückt seine leise in die blumen
On the street someone cries.
On the street someone laughs.
On the street someone walks.
On the street someone runs.
Don’t know how they’re feeling.
I only know,
I have to write my homework.
Tr. MW, Feb. 2016
Shi Weila TRAGÖDIE
Auf der Straße weint jemand.
Auf der Straße lacht jemand.
Auf der Straße geht jemand.
Auf der Straße rennt jemand.
Weiß nicht wie sie sich fühlen.
Ich weiß nur,
ich muss meine Hausübung machen.
grau getauchter himmel
graue strasse, graue häuser
grau-graue leute
rutschen durchs grau
wie ein unruhiger hund
grau im gesicht
nicht vor schreck
einfach grau
graue zweige
noch dunkler im grau
die sonne dazwischen
eine weiche kaki
ein mensch schaut hinauf
saugt auf etwas grau
spuckt aus etwas grau
ich seh wie das wabernde grau
vor seinem gesicht
sich in falten legt
Dezember 2015
Übersetzt von Martin Winter im Januar 2015
A walks on the street
all alone
B walks all alone
on the street
A wears a mask
with twelve layers
B wears twelve layers
in his breath mask
Hurriedly,
A walks forward
B walks forward
in a hurry
Actually A and B
are the same person
but in this way
they keep each other company.
Tr. MW, Sept. 2015
Yan Xiaolu A & B
A geht auf der straße
allein auf der welt
B geht ganz allein
auf der straße
A trägt mundschutz
mit zwölf schichten
B trägt zwölf schichten
mundschutz
A hat es eilig
und stürmt vorwärts
B stürmt vorwärts
hat es eilig
A und B sind eigentlich
ein mensch allein
auf die art erzählt
klingts wie mehr leut
even after tian’anmen
tian’anmen wasn’t always oppressive
you could fly a kite
then came the tanks
in 2009
for the 50th anniversary
of the liberation
this year they celebrate into september
beating the japanese
at least getting rid of them
I’m sure there will be
perfect command
of dancing children
no kites and no pigeons
at least for a while
Xidu Heshang THE GUY WHO SELLS SWEET POTATOES IS GONE
only the sweet potato oven is there
on the side of the road
baking by itself
next to the oven
a long line of people
but
the guy who sells sweet potatoes is gone
there is a girl with paper boxes
there is a boy who squats by the road
with a stand selling tangerines
and the cart shouting out stinky tofu
dusk and the scenes of departure
pressed into juice
by the crowd of the evening
parking lot auntie putting her life on the line
chasing a fee-dodging audi
at the bus stop
people coming to blows
only the line at the sweet potato oven
stays in perfect order
but the guy who sells sweet potatoes is gone
2014-12-17
Tr. MW, May 2015
Xidu Heshang DER SÜSZKARTOFFELVERKÄUFER IST WEG
nur der süßkartoffelofen
steht noch an der straße
bäckt alleine weiter
vor dem ofen
eine lange schlange
aber
der süßkartoffelverkäufer ist weg
da ist ein mädchen mit papierschachteln
da hockt ein mann auf der straße
und verkauft mandarinen
und der stinktofu-karren preist laut seine ware
und die menge am abend
presst ihren saft
aus dämmerung und szenen des fahrens
die tante vom parkplatz
riskiert ihr leben,
verfolgt einen audi, der nicht bezahlt hat
an der bushaltestelle
ist eine schlägerei
nur vor dem süßkartoffelofen
steht eine stille geordnete schlange
aber der süßkartoffelverkäufer ist weg
IMAGINE
you might as well give up the ghost
of a chance for change in this land
change has been very fast in this land for a while
you won’t recognize a road or a house
or a street is gone that you knew very well
a decade ago or maybe a week.
sometimes the wind clears up the smog
and you can see the sky, or even the hills
and the ranges farther afield with the walls.
there are no wars. this land is peaceful.
the army is the largest by far. there are no tanks.
a tank was burnt and some soldiers were killed.
imagine there’s no heavenly peace
and no rulers above us.
there is only sky and a kite and the doves.
it’s easy if you try.
imagine all the people …
MW January 2014