In der Früh
versammeln sich alte Leute im Park
unter Platanen, sie stoßen den Stamm
mit geübten Rücken.
Ich hab das als Kind schon gemacht,
das war auf dem Schulweg,
mit einem möglichst großen Stein
den Baum anstoßen, für saure Datteln,
die runterfallen, ich füll mir die Taschen.
Dann weiter zur Schule im frostigen Wind.
Den ganzen Morgen
machen die alten Leute, Männer und Frauen,
dieselben Bewegungen.
Bumm Bumm Bumm Bumm
klingt so wie wir damals
stoßen, stoßen,
dann kommt der Frühling.
Stoßen, stoßen,
bis du alt bist.
Frühlingslicht hat die Erde
noch nicht warm gemacht.
Die welke nordchinesische Ebene
zeigt spärliches Grün.
Einzelne Pappeln
haben noch keine neuen Blätter.
Wie junge Männer
mit hochgestreckten mageren Armen
jagen sie
hinter unserem Zug.
Der drittälteste Wang
will vor seinem Tor
den alten Götterbaum
(so dick dass er grade herumreicht)
fällen,
als Sargmaterial.
Nach dem Frühstück
spuckt er in die Hände,
nimmt die große Axt,
fängt an zu hacken.
Peng, peng, peng!
Noch ein paar
kräftige Schläge,
aber die Klinge
fällt herunter,
ganz genau
auf seinen rechten Fuß.
Blut spritzt!
Wang Nummer Drei
heult und hält
seinen Fuß,
hüpft wie ein Känguruh
bis zur Klinik.
Dass der alte Baum
am Abend noch steht,
verdankt er
der Axt,
die hat ihm geholfen.
An unserm Block an der Guangming-Straße
auf beiden Seiten die alten Platanen
sind Wohnungen für die Vögel geworden,
jeden Abend
kehren sie zwitschernd und krähend zurück.
Auf der Straße sind dann lauter
“Pflaumenblüten”,
eine Blüte nach der anderen.
Eines Tags eil ich nach Haus,
und eine kleine weiße Blüte
sitzt auf meiner rechten Schulter.
Facebook sagt mir,
Du bist heute 40.
Gratuliere! Das Jahr ohne Zweifel, sagt Konfuzius.
Letztes Jahr hast du tolle Gedichte geschrieben,
und einen Roman, schaut großartig aus!
Facebook zeigt auch gleich
unser Foto zusammen
beim Grab von Wang Wei,
vor dem großen Baum.
Unter dem Baum
sind wir alle so klein!
Das war ein herrlicher Ausflug,
wir haben jeder Gedichte geschrieben.
Zwei Jahre sind vergangen,
fühlt sich an wie zehn.
Es ist eine andere Zeit.
Der Baum
steht wahrscheinlich noch dort,
wir Menschen von damals
sind noch am Leben,
aber mir kommt vor
wir haben etwas verloren,
und zwar nicht nur die Jahre.
Hoffe, Dir gehts gut!
Auf dem Berg Zhongnan
sind die reichsten Wohnungen
nicht die Häuser im europäischen Stil,
nicht die herrlichen Villen,
nicht die einzelnen Höfe mit frischen Blüten,
nicht die tief versteckten Tempel und Klöster,
auch nicht die Einsiedler-Strohhütten und Pavillone.
Sondern
die Nester
der Finken hoch in den Ästen.
Schönheit des Flusses der durch die Stadt geht mit hohen Häusern am Ufer
Schönheit der Wolken die langsam vorbeiziehen vor Fensterwänden im leeren Cafe
Schönheit von Baumkronen im dichten Wald egal ob von oben oder von vorn
Schönheit des Verkehrs in der Nacht auf der Brücke
Schönheit der Sterne auf dem Bildschirm auch auf dem Bildschirm der Himmel ist schön
Schönheit des Windes den du nicht siehst im Frühling von vorn von oben im Herbst
Schönheit des Regens der prasselt auf Köpfe auf Autodächer der vor den Wischern rasch zurückweicht
Schönheit wenn Ketten am Hals an den Händen im Kopf aufgehen
Schönheit die schwankt vom Licht in der halbvollen Teetasse oder natürlich
auch manchmal im Whiskey
Schönheit der Zeichen die vom Pinsel fließen oder die springen von der Tastatur
Schönheit wenn Poesie verschwindet, und du der Wiedergabe nachjagst
Schönheit von abgeriebenen Holzschüsseln
Schönheit im Traum im Traum sich winden egal in welchem Traum dann steigst du auf und fliegst wieder zurück
Schönheit von Zigaretten die brennen im Nichts und ihre einzelnen Schreie
Schönheit von Katzenspuren im Schnee oder von anderen kleinen Tieren
Schönheit des Kriegs der alles vernichtet
Nein! Scheiß auf den stinkenden Krieg in dem alles nicht mehr existiert
Die Bäume an der Strasse
sind alle umgehaut!
Sauerstoff wird immer weniger.
Wir werden uns
die Nase zuhalten beim Atmen,
damit wir nicht so viel verbrauchen.
Zwei Tage verhüllt und verrührt Himmel und Erde der gelbe Wind,
das ist der Sandsturm, der Staub und der Smog.
Am dritten Tag erbarmt sich der Regen,
zuerst einen Tag Nieseln,
dann einen Tag mäßiger Regen,
dann drittens Schneeregen.
Nach dem Mittagessen weht dichter Schnee,
zu Mittag drehen alle die Scheinwerfer auf.
Und am vierten Tag klarer Himmel zehntausend Meilen.
Auf einem Hang Pfirsichblüten am Föhrenwald.
Vor elf Jahren hab ich mit lahmem Fuß
13 Stämme gezählt.
Jetzt zähl ich dreimal, es sind vierzehn!
Mein Hirn war elf Jahre lahm!
Du bist die Meisterin der Trauer, die aus Wunden weint.
Die Meister-Asketin, die Schönheit von Falten und Narben her kennt.
Die Meister-Überlebende, die ihre Krone abwirft.
Die Meisterin der Anmut, die Weidenblätter trägt in der Jugend, Pappellaub in mittleren Jahren, Ahornblätter im Alter.
Sie sagen, du seist im Alter am schönsten.
In Wirklichkeit bist du am schönsten als Tote.
Du einsamer Laubbaum!
Deine Schönheit ist weit entfernt von der Schönheit der Massen.
Du Meisterin der Freude, die nicht daran glaubt, dass sie stirbt!
Du Meisterin des Düfte, die aus der Wüste das Meer destilliert!
Du Meisterin der Kunst des Alterns und des Todes!
Der Papa von meinem Cousin raucht nicht,
der junge Cousin kann keine Zigaretten stehlen,
also dreht er sich welche aus Laub
und raucht sie mit Spielkameraden.
Andere haben gelernt zu rauchen,
dem Cousin hat man wegen Vergiftung den Magen ausgewaschen,
er hat es sich bis heute nicht angewöhnt.
Eine wilde brache Fläche
bleibt in den Feldern.
Nachdem die Pächter geerntet haben,
sind die Stoppeln
im Wind verdorrt.
Vor über 20 Jahren waren hier
500 Hektar wogender Weizen.
In den hohen Pappeln am Graben
sind immer noch Vogelnester ganz oben.
nach dem schnee
fällt das laub langsam herunter
vogelnester werden ganz sichtbar
in den platanen am strassenrand
da sind drei oder vier
ungefähr gleich grosse künstliche nester
Ich geh selten zur Firma,
heute ruft mich die Gruppe,
ich komm halt vorbei.
Im Hof kenn ich die Bäume,
nicken mir die ganze Zeit zu.
Im Büro kenn ich die Pflanzen,
die lächeln mich die ganze Zeit an.
Die Leute, die ich kenne,
sind mir fremd.
Der Hocker, auf dem ich gesessen bin,
mag mich nicht mehr,
hat mir die Knie verletzt,
großer blauer Fleck!
Das Straßenlicht hilft
zwei benachbarten Bäumen,
sie halten sich jede Nacht an der Hand;
manchmal sind ganze Hände beisammen,
manchmal nur die kleinen Finger.
Omi klettert auf einen Baum,
Ulmenblätter pflücken.
Ihre Schwägerin kann vor Hunger nicht klettern
und bittet Omi, sie raufzuziehen.
Omi sagt, das schaff ich nicht,
da fallen wir beide runter,
und die Familie ist verhungert.
30 Jahre nach der Revolution von 1911
scheint die Sonne auf Omi, zwölfjährig, mager,
und auf ihre Schwägerin, noch magerer.
Das Mädchen auf dem Baum greift aus ihrem Korb
eine Handvoll Blätter,
lässt auf die Schwägerin, der schwindlig ist,
einen Regen zum Essen niedergehen.
ich sitz im zug,
seh die leute ringsum:
kopf unten, schauen in ihr handy.
nur ich seh draussen den ermordeten
wald, muss aufspringen, schreien.
alle heben den kopf, schauen mich an.
und in den augen ringsum
seh ich nur
stumpfes
ewiges
warten.
I saw a small monkey
escape from its cage
on Monkey Mountain
by climbing big trees.
He walked for a while
on the perimeter wall,
looking back to the cage.
He saw no other monkeys following,
so he returned
the same way.
Ein Baum
dreht seine Blätter
wie ein Mensch
seine Augen verdreht
weil zugleich
Sternschnuppen und Fische
am Horizont sind
Übersetzt von MW am 31. Mai 2021
Li Zeyu, geb. im Juli 2010, geht in die 5. Klasse in Shenzhen. Liebt Poesie, hat schon bald 3000 Gedichte geschrieben. Manche sind publiziert und haben Preise gewonnen. 《新诗典》小档案:李泽宇,2010年7月出生,现就读于深圳市光明区楼村学五年级。热爱诗歌,迄今已创作诗歌近三千首,有作品发表及获奖。
Elderly people
live in the white house.
They have not come outside.
Trees grow on the hill,
black carp swim in the pond.
From the white house on lush green grounds,
odd-looking elderly people near the end of their lives
walk out at night, holding on to each other.
Under the stars
they curse me
and the green trees
and the frolicking fish.
Entering a compound, before the houses there is a big tree, they put a fence around it and installed a sign: Old mulberry tree, 150 years. Not many branches with leaves any more. Holes in the trunk are filled out with concrete. 150 years, that means in 1870, this tree was born. It has witnessed some desintegration, war and unrest. But it has kept on living all the way until I happened to come by its side, so it could have this little biography for me to write.
In einem Stück Wald
bemerk ich eine arge verborgene Seuche,
die kommt von einem Nagel
an einem Baum.
Dieser Nagel erscheint
wo keiner hingehört
und versucht die ganze Zeit
mit seinem Rost
den gesamten Wald zu entzünden.
2021-03-02
Übersetzt von MW im April 2021
Si Mian Lai Feng, eigtl. Long Jianfeng, geb. Ende 1960er Jahre, lebt in Gao’an, Provinz Jiangxi. 《新诗典》小档案:四面来峰,本名龙剑锋,上世纪六十年代末出生,现居江西高安,诗歌爱好者,近年来有诗在《磨铁读诗会》、《舌尖上的诗—中国口语诗年鉴(2019)》等平台或选本推发。
[In einem Kreis aus weißen Blüten in grauer Asche auf der Straße steht eine kleine Metalltonne. Darin werden Zettel verbrannt. Eine Menschenmenge sitzt auf der Straße und skandiert.]
Nieder mit der Militärdiktatur!
Protest! Protest!
Streik! Streik!
Revolution!
Die Revolution wird siegen!
Gerechtigkeit und Freiheit müssen gewinnen,
in unserem Land, in unserer Nation.
Wir sehen, wie sie unsere Nationalhymne auf die Guillotine zerren.
Ihre Ansage, die Zeit der Sandalen sei zu Ende,
kommt in die Öffentlichkeit
wie ein gebrauchtes Kondom aus einem Bordell.
Wütend wie das Feuer der Hölle,
schreit der Oger Alawaka Drohungen
und zeigt seine schrecklichen Krallen!
Aber er wird auf seiner Brust liegen,
zu Füßen von Dharma und Sila.
Das ist der Weg der Wahrheit.
Weil sie ihre Würde als Menschen
nicht gegen eine Mundvoll Reis eintauschen,
haben sie Widerstand geleistet, haben ausgehalten,
sind zusammengefallen und umgefallen.
Die Revolution wird nicht im Fernsehen übertragen!
Die neue Nationalhymne kommt als Death-Metal-Version heraus. Kondomfirmen nehmen keine Kundenanrufe mehr entgegen.
Möge ich verlieren, möge die Wahrheit siegen!
Möge ich verlieren, möge die Wahrheit siegen!
Möge ich verlieren, möge die Wahrheit siegen!
Wenn die Bastarde verlieren und um Gnade flehen,
indem sie unsere Eier umfassen,
werden wir ihnen ins Gesicht pissen.
Wir schlagen nicht auf Töpfe und Pfannen,
weil es lustig ist.
Wir haben keine Waffen.
Wir haben höchstens Töpfe und Pfannen.
Wir haben keine Macht.
Wir haben nur Töpfe und Pfannen.
Haut auf die Töpfe! Schlagt die Pfannen!
Haut drauf! Haut drauf! Das ist unsere Revolution!
Haut drauf! Haut drauf! Das ist der Weg zu unserem Ziel!
Haut drauf! Haut drauf!
Haut drauf! Haut drauf!
Eines Tages werde ich Sternen-Bumen streuen, auf das Grab meiner kleinen Schwester.
Diesen Sommer können wir die Hunde nicht wieder tollwütig werden lassen.
Diesen Sommer wird jede Blume knospen und wundervoll aufgehen.
Diesen Sommer werden die Fahnen des Volkes im Wind flattern und triumphieren.
In meiner Jugend gab es nur einen Min Ko Naing.
Jetzt ist jeder junge Mensch Min Ko Naing.
Schützt alle Min Ko Naings!
Schart euch um alle Min Ko Naings!
Jedesmal, wenn ein schlechter Samen auf einer Bühne aufgeht,
versinkt die ganze Welt im Chaos.
Sie wird krank, ihr Körper brennt vor Hass.
Ich bin krank und nehme eine zehn Jahre alte bittere Medizin.
Aber ich bleibe krank. Im Leben in dieser Welt werden wir alle krank.
Wir können uns nur selbst kurieren, haben keine Zeit, angefressen zu sein. Wenn wir am Esstisch Platz nehmen, schwärmen die Heuschrecken wieder herein.
Wie kannst du arbeiten gehen, wenn alle protestieren?
Wie kannst du das mit deinem Gewissen vereinbaren?
Wirst du ok sein, wenn sie auf deine Familie spucken?
Kannst du glücklich sein, wenn deine Kinder die Stiefel von Min Aung Hlaing lecken, während seine eigenen Kinder stinken vor Geld?
Kannst du sagen, “gut gemacht”, wenn deine Enkel kaum überleben, während Min Aung Hlaings Enkelin im Ausland studiert?
Kannst du in Frieden zur Arbeit gehen, wenn dich die Unterdrücker mit ihren Gewehren wie eine Kuh behandeln?
Kannst du froh ins Büro gehen?
Kannst du froh ins Büro gehen?
Jeden Morgen, wenn Papa und Mama zur Arbeit gehen,
schämen wir uns, meine Schwester und ich.
Wir möchten nicht für unsere Zukunft fürchten.
Papa, bleib daheim. Mama, geh nicht ins Büro.
Bleibt zuhause für unser Land und für uns.
Lasst uns euch danken, dass ihr uns aufgezogen habt, indem wir uns den Protesten anschließen.
Lasst uns den Garten unserer Zukunft bestellen.
Zu viele Blätter sind zu früh abgefallen!
Wir werden eure Barbarei im Namen der Wahrheit zerstreuen!
Die Blumen des Winters werden auf euch losgehen,
die Wasser des Monsuns werden euch ertränken.
Für eine gerechte Sache opfern wir unser Blut!
Wir lassen niemanden unseren Frühling wegnehmen, nicht einen Fingerbreit.
Ich war eingeladen zum UNESCO-Poesiefestival,
sollte online rezitieren, zur Feier des Welttags der Poesie.
Ich habe abgesagt.
Ich habe geschrieben,
Russland ist doch euer größer Sponsor, nicht wahr?
Meine Antwort auf eure Anfrage
entspricht den Gefühlen der Menschen in Myanmar.
Also scheint es so zu sein,
dass ich an der Revolution des Frühlings teilnehme,
nicht indem ich Gedichte lese,
sondern indem ich ablehne, zu lesen.
Seltsame Sache!
Mögen allen Arbeitsscheuen
ihre Verdienste vermehrt werden,
mögen ihre Gebete in Erfüllung gehen!
Mögen alle, die streiken,
reinen Herzens sein und von allen geliebt werden.
Mögen alle, die daheim bleiben,
von Geistern und Menschen gesegnet werden,
mögen alle, die diesen Boykott mittragen,
die Kraft finden, weiterzumachen!
Der Klang des Marsches unserer Herzen fließt bis in unsere Fingerspitzen!
Der Golf-Taifun ist weder hineingekommen noch weggegangen.
Ihr sollt wissen, wir sind Geister.
Wir sind schon gestorben.
Wenn wir heute wieder sterben,
werden wir euch für immer heimsuchen.
Wir sind Geister, wir sind schon tot!
Heute suche ich den ganzen Tag im Fernseher
und bekomme keine Sender herein.
Wegen der Störgeräusche
klopfen die Nachbarn an meine Tür.
Bratet das Schwein in seinem eigenen Fett!
Bratet die Tür darin!
Der Schweinekerl, den du gesehen hast,
versteckt sich vor der Guillotine!
Du magst davon gehört haben oder nicht,
aber das ist keine akzeptable Entschuldigung.
Weil wir nicht zurück können in die Vergangenheit,
haben die Kinder, die wir nicht bekommen haben,
Waffen ergriffen zu einer Zeit, in der wir nicht leben.
Sie sind gegen Befehle von oben aufgestanden.
Sie haben ihren Sklavengeist
in einen Salzsack gesteckt
und im Fluss ausgelassen.
Gedankenfetzen von Millionen
vereinen sich in einem zitternden
und doch festen Faden.
Ich bin Ma Seint Htet, der vom Berg herunterfällt.
Ich bin U Ko Ni, der am Flughafen steht,
der vergebliche Besuch von Ibrahim Gambari.
Ein EPC-Elektriker hängt tot von einem Strommast.
Und ein Wanderarbeiter …
Die Räder der Hirne in den Bäumen
drehen sich zusammen
in den Ohren in den Schwertern
in den Wänden.
Die Knöchel eines alten Gewandes
werden terrorisiert
und jeden Tag heimgesucht,
übertrieben, als Strategie.
Die Erde auf meinem Gesicht
ist ein Haufen zerbrochener Knochen.
Fünfzig Jahre in einer Kassette aufbewahrt,
ohne Tonband.
Ein trauriges Lied,
das wir sofort nicht mehr singen dürfen.
Niemand wird uns wieder auseinanderbringen!
Wir sind ein einziger Blutkreislauf geworden!
Mach deine Maske zu deiner Fahne,
mach deinen Facebook-Eintrag
zu deinem Ultimatum!
Wo immer du bist,
dort mach deinen Protest!
Heute halten die Mütter ihre Kinder nicht zurück,
wenn sie hinausgehen und Gerechtigkeit verlangen.
Sie reißen ein Stück von ihrem Longyi ab
und binden es um den Arm jedes Kindes,
damit es geschützt sei vor Kugeln und Patronen
Auf den Straßen der Revolution.
Bewegen sich Heldinnen und Helden
in einem roten Schwall.
Wolken türmen sich auf
und darunter zerfällt der Morgen
in eine Revolution.
Das Heulen eines riesigen Tintenfisches,
der durch die Straße bricht,
hallt noch im Himmel über der Stadt.
Auch wenn ihr unsere Handgelenke durchschneidet,
wie ihr nur wollt,
unsere Fäuste werden nicht aufgeben.
(12 Männer zusammen skandieren) :
Der dämonische Enkel, frisch vom Mönchstum, zischt:
Ein Riss im herausgebackenen Teig, ein Sohn, der das Land zerstört!
Der dämonische Enkel, frisch vom Mönchstum, zischt:
Ein Riss im herausgebackenen Teig, ein Sohn, der das Land zerstört!
Zum Gedenken an den Dichter K Za Win, der gegen den Militärputsch protestierte und am 3. März in Monywa in einer friedlichen Demonstration von Soldaten getötet wurde. Möge er in Frieden ruhen. Dichterinnen und Dichter werden überall in Myanmar verhaftet.
Es folgen die Namen von 32 Dichtern und Dichterinnen in der Reihenfolge ihres Auftretens in dem Video.
Am Nachmittag sitzt ein aufgeblasener Vogel
auf einem Zweig draußen vorm Fenster.
Er hat eine Taube auf dem Boden entdeckt,
die Taube stapft durchs Laub, pickt blind herum.
Der fette Kerl oben dreht seinen Kopf nach links und rechts,
versteht nicht wie dieser komische Vogel da unten,
so hässlich,
so mager,
wie kann der Vogel da unten nur glauben,
dass er durch den Winter kommt?
Das lässt mich an manche Menschen denken,
da gibts immer Leute, die sitzen hoch oben,
singen schön laut und deutlich alles Gute zu Neujahr,
und schauen links und rechts,
die schauen mich so an
und verstehen mich auch nicht.
Die Sonne sinkt in eine
riesige weiße Wolke
wie ein leuchtender Schnabel
der den ganzen Himmel mitschleppt
südwärts über die Schneefelder
dann hineinstößt ins Yin-Gebirge.
Die Nacht wird geboren, das Nachtgestein
die schwarzen Bäume
der Vollmond
ein unausgebrütetes
Ei.
29. November 2020
Übersetzt von MW im Februar 2021
Eine alte Tibeterin
und ein junges Paar.
auch Tibeter,
im schummrigem Straßenlicht
auf dem Gehsteig,
bücken sich, suchen etwas.
Jemand hebt etwas auf,
gibt es in den Grünstreifen,
So geht das noch drei Mal.
Ich trete näher und sehe,
es sind Raupen, kleine Insekten,
der Regen hat sie von den Pappeln
herunter gespült.
Ein Dorf in Nepal, die Landschaft ist schön.
Iris und Hiobsträne blühen,
Elefanten rennen über die Hügel,
Buddha wohnt im Herzen der Menschen.
Der Ort gehört zu Kathmandu, zur „Stadt des Lichts“.
Jeder Mensch hier hat nur eine Niere.
Die andere wird keinem Gott geopfert,
sie wird auswärts verkauft, für Leute, die’s brauchen.
Davon kriegt man ein Stück Land und baut sich ein Haus,
und in diesem Haus lebt man dann ohne Sex.
Eine Frau heißt Jida, sie und ihr Mann,
sie glauben, ihr Filterorgan,
das auch ihr Liebesleben bestimmt,
das sei wie die Obstbäume hinter dem Haus,
eines Tags wird etwas wachsen, eines nach dem anderen.
The landscape, the river, the setting sun
Old farmer drives home old cows
Scents of swaying rice
Kitchen smoke, village dogs, dirty kids
Big tree where the village begins,
is it these?
My ID is from the village,
I have no flat in the city
and in the country, no land.
Mit kostbaren Leuten besteig ich den Taishan, da komm ich mir selber gleich kostbar vor und miet mir eine Sänfte. So kann ich im Gedränge die Beine hochlegen, meine feste Figur wird hoch und groß, ich zwinker und seh wie lauter Bäume unterm blauen Himmel Kleider anlegen.
Auf einmal hör ich wie mich jemand ruft, he, bist du nicht der Träger Jia vom Katzengebirge?
Jiang Xuefeng AUCH DAS IST DER SINN DES SCHREIBENS
5 Jahre nach dem Ende der Menschen sind alle Straßen verschwunden, besetzt von Gräsern, Sträuchen und Bäumen. Nach 25 Jahren sind die Kühlrohre des letzten Wasserkraftwerks von Schnecken und Muscheln verstopft und die Welt wird völlig dunkel. Die Kakerlaken haben dann in den Küchen alles Verschimmelte aufgefressen und fangen mit Büchern und Zeitungen an. Am Ende bleibt kein Blatt Papier auf der Welt, kein einziges Zeichen.
Das ist auch der Sinn des Schreibens, – den Kakerlaken noch ein paar Bücher, noch ein paar Tage Fressen zu lassen.
The magnolia trees along Freedom Street have not been affected by this year’s virus. Spring has come, they are blooming. But whenever I look at them, it feels like one tree after another of white N95 face masks.
Over ten thousand green parakeets land on a big tree, they fly up again in a great sound and on the tree there are still ten thousand green parakeets but these are its own leaves.
der schatten geht mit der sonne
die ganze zeit
mama und ich wechseln dreimal den platz
setzen uns dann doch dorthin
wo oma umgefallen und nicht mehr aufgewacht ist
auf diese bank
das ist im norden des kleinen platzes
unter zwei schlafbäumen
mama beschreibt es mit knappen worten
den nachmittag im vorfrühling
wann sie gekommen ist
wo der arzt gehockt hat für die wiederbelebung
dann sprechen wir noch über ihr leben
und mein leben
kleine kinder flitzen über den platz
wie aquariumfische
im meer des sonnenlichts
mama sagt hätte sie gewartet
bis ich kinder habe
ich rücke näher zu mama
links von uns ist mehr platz auf der bank
für oma
und für meine kinder
Acht bis zehn Minuten
braucht der Bus für ein Dorf
auf der Bergstraße.
Die Berge auf beiden Seiten
sind dicht bestanden mit Grün
und mit Gräbern.
Gleich nachher kommt man zum Kraftwerk
oben auf dem Hang.
Ich hab immer so ein Gefühl
dass man da drin keine Kohle verbrennt
sondern menschliche Seelen
und der Strom der rauskommt
geht auch in die Seele.
Ich weiß nämlich genau
manche lehnen den Strom ab
manche fürchten den Strom
manche dürsten nach Strom.
manche bäume wachsen mit jedem zweig oder blatt
manche bäume sind aus metall und plastik zusammengesteckt
manche steine werden in die straße gewalzt, rühren sich nicht, viele jahre.
manche steine werden zu feinem sand, der haftet auf der haut von geliebten, kommt in spielzeugeistüten
mancher wind weht über berge und wälder und meere, durch wüsten und durch gewänder auf dächern,
manchmal feucht, manchmal süß, manchmal trocken und heiß
mancher wind heult tausend jahre in einer höhle
manche häuser sind am schönsten in bau
manche häuser sind am schönsten beschmiert
manche häuser sind am schönsten ruiniert von der zeit
hast du glück, erinnerst du dich an jetzt
hast du glück, wirst du alles vergessen
“warum liegt die flasche auf den gleisen?”
“jemand hat sie rausgeworfen.”
“warum liegt die flasche auf den gleisen?”
“jemand hat sie aus versehen fallen gelassen und kann sie nicht mehr zurückholen.”
“warum liegt die flasche auf den gleisen?”
“sie genießt die sonne.”
Sometimes you can go back in time.
You go back to a house,
you go back to a beach,
you go back to picking blueberries.
You used to find many other small berries,
behind the house left from Soviet times.
They used to spy on the whole town from that house.
Not tall, rather long,
converted for tourists.
That house is gone now,
hope they left the woods alone.
Sometimes you can go back in time.
Trees would have swayed,
wind would have blown
almost the same in grandmother’s time.
I’m sure the sunset was just as beautiful
through war and holocaust and deportation.
Sometimes you can go back in time.
Grandmother’s house is here,
you sang the songs from grandmother’s time
on the big stage with thousands and thousands.
Zile is here,
your relatives will always be here.
Sometimes you can go back in time.
We were here five years ago
and before,
when the kids were small
and fit in a bicycle carrier.
We rode rented bikes and walked through the woods
to the tip of the peninsula.
Very nice there,
hope they preserve it.
Housing from the 70s maybe,
other historical memories
including 1990.
Independence,
rediscovery of your inheritance.
A precarious future.
Sometimes you can
go back in time.
Ich bin im Futian-Tempel geboren.
Das heißt nicht, dass ich von Geburt an
ein Mönch war.
Der Futian-Tempel ist am Futian-Deich,
ein Tempel aus der Song-Dynastie.
1965, in meinem Geburtsjahr,
hat man die Mönche hinausgetrieben.
Wer nirgendwo hinkonnte und noch zurückkam,
konnte höchstens für Schüler die Glocke läuten,
nicht die Klapper schlagen, den hölzernen Fisch.
Der Futian-Tempel wurde die Futian-Volksschule,
mit meiner Mutter als Direktorin.
Die große Buddha-Halle war ein Klassenzimmer,
was ringsum zum Kloster gehörte,
dort wurde Korn angebaut für die Schule.
Am Kindertag, dem 1. Juni,
für jeden zwei Dampfbrötchen aus dunklem Schrot.
Ich wurde im Schlafsaal geboren,
gleich rechts wenn man in den Tempel hineinkommt,
abgetrennt aus dem Fastengebäude.
Ich weiß noch, vorm Fenster waren Gemüsebeete.
Saubohnen, Gurken, Auberginen,
alle noch nicht so gut geraten wie ich.
Vorletztes Jahr war ich wieder dort,
ein alter Mann hat mich gerufen, wie damals als Kind.
Ein Herr Lei, damals der Dorfparteisekretär.
Er hat den tausendjährigen Osmanthusbaum zerstückelt.
Seine Tochter hat Pestizide genommen,
seine Frau ist verrückt.
Er ist jetzt Laienbruder.
Ich bin im Futian-Tempel geboren
und der einzige Mensch auf der Welt,
der für ihn ein Gedicht schreibt.
Aber bis jetzt hab ichs auch nicht geschafft,
den Osmanthusbaum wieder lebendig zu schreiben.
animals are we, beautiful animals
trees are we, fair as the light
ranges are we, strong as the wind
animals are we, frolicking animals
animals are we, miserable animals
우리는 동물, 아름다운 동물
우리는 나무, 아름다운 빛
우리는 산언덕, 바람처럼 건장하고
우리는 동물, 즐거운 동물
우리는 동물, 가련한 동물
2017/1
(韓)郭美蘭 译
SCHÖNE TIERE
tiere sind wir, schön wie die tiere
bäume sind wir, schön wie das licht
hänge sind wir, stark wie der wind
tiere sind wir, froh wie die tiere
tiere sind wir, erbärmliche tiere
MW Januar 2017
JOHN GRISHAM
the firm
the not-so-firm
the altogether weak
the dead
(oh! that last one is by mr. james joyce, another great american writer!)
I am not happy!
my son’s very eloquent
we aren’t happy!
says a man at the bar
otherwise we’d be at home
we aren’t happy
except Austria’s leading
in downhill or slalom
then we are happy
some of us
anyway
for a short while
January 2017
ICH BIN NICHT GLÜCKLICH!
ich bin nicht glücklich!
mein sohn schreit sehr deutlich.
wir sind auch nicht glücklich!
sagt ein mann an der bar,
sonst wären wir zuhause!
wir sind alle nicht glücklich
außer beim slalom
führt österreich
dann sind wir glücklich
jedenfalls manche
jedenfalls irgendwer
für eine zeit
MW Januar 2017
GERDA
where is italy?
where is the moon?
where is feldkirchen in kärnten?
am i going to see you
on the other side
of the moon?
please please please
please please please
please please please
wake up and tell me
you’ ll be alright
MW January 2017
KLAGE
so eine große
so eine schöne
so eine großzügige Frau
so eine große Lehrerin
so viel Geduld
so viel Liebe
so offen
für Neues
so ernsthaft
so warm
so eine große
so eine gute
so ein großer Mensch
sie sieht so jugendlich aus
MW Januar 2017
SCHÖNE TIERE
tiere sind wir, schön wie die tiere
bäume sind wir, schön wie das licht
hänge sind wir, stark wie der wind
tiere sind wir, froh wie die tiere
tiere sind wir, erbärmliche tiere
The cemetery is up on the hill
not far from the madhouse and worse
in the war but a beautiful park.
The cemetery has a beautiful view
on western Vienna, where I grew up
and half of the city.
Cemeteries are beautiful places
cultures of memory. Beautiful stones;
what happens if no-one pays?
Who has a flag, who has an eagle;
which fatherland did he fly and die for
in 1938?
We have two graves, with my mother or father
we visit three. Two years ago my grandmother died,
we were very close.
Who is and who isn’t down in our grave?
The one with our name,
every family has several names;
places and sites, countries and questions.
Up on the hill close to the entrance,
down and secluded not very far.
Vienna has many beautiful hills
and a beautiful river
and many waters and many souls.
Rest in peace. Thank you.
ich war am sonntag nicht in der kirche
die kirche war am ballhausplatz
nicht heldenplatz aber auch dort
gegen die mit dem ball
weiß nicht wieviele waren
vielleicht auch niemand von unseren freunden
obwohl niemand deutschdümmler wählt
der bei trost ist
aber der glanze heldenplatz zirka
ist lang nicht gewonnen
wieviele waren
bei trost oder was
wieviele waren am sonntag
wahrscheinlich ist es auch nicht entscheidend
im stadtpark wär ich auch gern gewesen
josef hader paul gulda
es war heiß
vielleicht der letzte heiße sonntag im sommer
also stadionbad
alte bäume
manche zweihundert jahre
wie alt ist das stadion
wie alt ist das bad
das bad schaut ein bisschen aus wie die stadthalle
obwohl alles im freien
es ist genug platz
irgendwo hinten kannst fussballspielen
auch wennst im wasser fast nicht mehr durchkannst
aber irgendwie gehts
gott hat geruht am siebten tag
wir haben geruht ins wasser zu gehen
geruht uns zu sonnen
14 euro zwei große zwei kinder
das essen dort natürlich nicht billig
am ende bist müde
der platz bei der u-bahn hinter dem stadion
da steht ein container schon einige jahre
wiener schachverein oder so
der platz ist nach einem meister benannt
der starb in der emigration
das straßenschild ist überklebt
vielleicht fußballfans
die vielleicht nichts verstehen
there are the firs
I mean these tall pines
birch in between
there are the blueberries
just like in latvia
here they have small red berries too
blueberries aren’t as big as in latvia
but taste great after swimming
the sea is rougher
very nice after running
coming home to blueberry climate
sit in vienna’s botanical garden.
breathe.
you will feel cool under the trees
in the heat of the summer.
you might hear the traffic
it’s right next to the palace
not the one with the president.
the belvedere, the one with the view.
they signed a contract here.
1955
austria swore to be neutral
and anti-fascist.
yes, it’s in there.
ai weiwei is in the garden.
at least till october.
until the election is over.
our third election in half a year.
austria sucks.
because the fascists have come this far.
are they fascists?
some of them
are neo-nazi-
friendly.
anti-anti-fascist.
this is a wonderful, wonderful place.
very, very safe.
not perfect, no.
not at all.
getting worse.
getting better, maybe.
what are we doing?
what is going to happen?
is it really important?
austria sucks
because the fascists have come this far.
what kind of heart
of europe is this?
breathe.
think about your next election.
schrebergartenweg
ein mann geht mit seinem hund
in den horizont
sieht aus wie ein schrebergarten
schrebergartenzeitung
die größte im schrebergarten
die größte überhaupt in der arche
ein mann fährt auf seinem rad
schrebergartenweg
in den horizont
sie wählen einen vorsitzenden
ich sitz in der scheune
sie spielen heute jazz in der scheune
schrebergartenweg
der schrebergarten
ist voller einfacher leute
sagen die leserbriefe
für einfache leute in der gartenzeitung
welche einfachen leute sind in der siedlung?
lauter einfache leute
er war ein einfacher mann
der schrebergarten gehörte schon immer
zu unterradlberg
sagten die einfachen männer
am unterradlberger dösen
soll die arche generösen
das klingt aber gar nicht so einfach
meine tochter hat schlecht geträumt
schwarzweiße clowns
wollten alle töten
wir vier und yuhuan und zhuang zhuang
ich hoffe jetzt kommt etwas schönes
meine tochter mag den gesang nicht
den skatgesang
in der scheune im schrebergarten
es war saukalt
sagt meine kusine
eine stunde vor dem konzert
vor dem frühschoppen sagt man
die schwarzweißen clowns
eine schwarze hupe auf jeder nase
jeder hat eine haube mit zipfeln und glocken
es sind schwarze glocken
auch an den schuhen
es schaut eigentlich gut aus
sie haben von flugzeugen bomben geworfen
schwarzweiße flugzeuge schwarzweiße bomben
rundherum um die gegend
sie haben die leute zusammengetrieben
jetzt essen wir würstel und apfelstrudel
dann kommt wieder jazz aber ohne gesang
meine tochter hat sich erinnert
aus früheren träumen
da war ein haus im untergrund
dahin sind wir geflüchtet
wir vier und yuhuan und zhuang zhuang
früher war dort alles leer
in früheren träumen
jetzt war es ein wirtshaus
es war wie im haus von nainai und yeye
unten im haus wo sie alles gekannt hat
es war ein vegetarisches gasthaus
wir haben dem wirt alles gegeben
alles was wir noch hatten
damit er uns versteckt
wir haben geglaubt
hier sind wir sicher
zhuangzhuang ist nachschauen gegangen
hinauf aus der tür
sie haben ihn erwischt
die schwarzweißen clowns
die schwarzweiße zeitung
so heißt sie doch nicht
in meinem traum war keine zeitung
sagt meine tochter
die schrebergartenzeitung
der einfachen leute
nicht für prominente
es gibt nur prominente
in der gartenzeitung
er war ein einfacher mann
der wirt war ein vegetarier
haben wir geglaubt sagt meine tochter
zwei menschen gehen mit ihren skistecken
unbestimmten alters
schrebergartenweg
summertime
es ist saukalt für mai
es hat gründlich geregnet
alexander’s ragtime band
von irving berlin
wir haben geglaubt sie sind vegetarier
dann sind wir in die küche gegangen
und haben die speisekarte gesehen
karotten kartoffeln
alles unter der erde
nur mit kerzenbeleuchtung
wir empfehlen
stand auf der karte
papa da war eine höhle
wir haben grundwasser getrunken
wie heißt das
die betten waren aus stroh
es gab nur grundwasser
kein wasser zum waschen
round midnight
bugaloo unisono-solo
in der scheune im schrebergarten
in der scheune im garten
sagt meine mutter
in der scheune waren sie versteckt
die freunde von meinem opa
ich hab ihn nie kennengelernt
er ist früh gestorben
sein freund war sozialdemokrat
den hat er versteckt
und wer war noch dabei
vielleicht die familie
es war ein recht entlegener ort
ein ort an der bahn
also sicher auch wichtig
sie wählen einen vorsitzenden
alle einfachen leute
er muss den schrebergarten vertreten
in oberradlberg
und unterradlberg
in der radlberger sportunion
er redigiert nicht den schrebergarten
den schrebergarten redigiert die radierung
die redigierung wird anders gewählt
es heißt die radierung
das wissen alle einfachen leute
wir empfehlen
stand auf der karte
gemüsesuppe mit fleisch
jetzt ist wieder sonne
sobald die sonne durchschaut ists gut
here comes julian
die letzte nummer
gemüsesuppe mit fleisch
es gab keine tiere im untergrund
die köche sind auf uns zugekommen
wir sind gerannt
wir habens bis zum ausgang geschafft
aber die clowns haben uns erwischt
am ausgang waren natürlich die clowns
sie haben uns mitgenommen
sie haben uns gequält
dann bin ich aufgewacht
es ist kein schrebergarten
es ist der park
es gibt sehr schöne kastanienbäume
April 15, 2016 in Vienna. #Schutzbefohlene *
Spring is a wonderful season,
trees spilling their green.
Some are cut, some are planted.
Downstairs across they are planting a park,
used to be train tracks.
Last year we had refugees at the station.
Spring is a wonderful season.
They said it was 90,000 people or so
in all of Austria,
mostly in a few months,
who wanted to stay in this country.
Ten times more went on to Germany.
So many people wanted to help.
Train workers, even police.
Volunteers, often more than enough.
We live in the neighbourhood.
My daughter Maia went down to play with the refugee children.
After a while she knew the volunteers.
It was safe.
The refugees staid down by the station.
Some people from our house took in refugees.
There was discussion to use the shop,
the empty shop downstairs in this new house,
for refugee quarters.
Just for the winter.
That shop has bathrooms and everything.
But then they closed down at the station.
It was in December.
They took them with buses, they said, from the border.
On to Germany.
If you said you wanted Germany, they let you in.
They were building a fence.
So in December, the station was empty.
Maybe Mid-December.
No quarters in our house.
But people still coming in.
Coming up through the Balkans, used to be Yugoslavia.
In early January we played Tarot down in the library.
We have a library in our house.
And we play cards, for a few pennies.
On Friday nights.
We have had readings, and even theatre.
Gudrun and Peter, they built a stage.
Downstairs in the big common room.
We had a night reciting Bob Dylan.
Down you masters of war.
But then in January, there was Cologne.
In Cologne at the train station, on New Year’s Night.
Hundreds of women harassed.
Raped, one or two.
Many foreign men there at the train station.
Not enough police, or police doing nothing.
We should discuss this, one of us said.
We had been playing cards.
What is there to discuss, there ‘s not much in the news.
Maybe social networks did play a role.
I want to discuss this.
These refugees becoming a problem.
What is there to discuss, there’s not much in the news.
These refugees becoming a problem.
A discussion is stupid, without any facts.
So one of us went away in a huff.
Later I was away, I was in China.
In southern China, a poetry trip.
From southern China to Southeast Asia.
Self-organized.
The year before they went to Vietnam.
Wrote some good poetry.
Vietnam wars in the background,
including China attacking Vietnam.
And other stuff, daily life.
Morning routine.
This year I went with them through Southeast Asia.
Poets from all over China. 16 or 17.
One or two guides.
Guides of Chinese extraction.
Thailand, Singapore. And Malaysia.
Then back to Nanning, to southern China.
Poetry meetings, almost every night.
Sometimes more.
One time in the airport.
Plane was delayed, nothing better to do, call a poetry meeting.
Poems written there on the road.
Yi Sha has this dream, before every border.
Dreaming they won’t let him through.
Normally he writes down all his dreams.
Makes for good poetry.
But not this time, he was afraid.
Only when we were safe in Malaysia.
They had a crackdown, in Kuala Lumpur.
There was an attack in Indonesia.
Muslim majority in Malaysia, too.
If the father is Muslim, the child has to be Muslim.
Not Chinese or anything else.
It was not like this before.
At least according to our guide.
They have elections and a Sultan.
Or they call him a King, at least in Chinese.
It’s a beautiful country.
Tribes in the woods.
Our guide lived with a tribe for a week.
For a project at university.
She was very young, has a small child.
She speaks Fukien Chinese.
Mandarin with the tourists, of course.
Liked to talk about sex.
Malaysian men with many wives.
Just a few Muslims, who can afford it.
On February first, I came back to Austria.
Refugees still coming, though not so many.
News had been shifting.
Creating a climate against refugees.
We put a limit on loving our neighbours.
That was a poster.
The foreign minister, he’s very young.
The interior ministress.
She’s not there any more now, she’ll become governess.
Governor of Lower Austria.
And the candidate.
Their candidate for Federal President.
President is just a figurehead here.
Like in Germany.
In Germany, he is elected in parliament.
So he is from the majority party.
He or she.
In Austria, everyone votes for the President.
Everyone should.
Everyone is automatically registered, every citizen.
Nowadays you can vote in advance.
Local district office.
Ballot per mail, or there at the office.
That guy for limits on loving your neighbour won’t make it.
He’s trailing far behind in the polls.
But his policies are federal policy.
They let that happen, the Social Democrats.
They are the majority.
But they let it happen, they are just like the rightists.
News had been shifting.
These refugees becoming a problem.
Some Social Democrats work with the Rightists.
Those other Rightists.
That Freedom Party.
Some Neo-Nazis.
Some Neo-Nazis cling to this party.
Some were just Liberals.
In the 1980s they were for joining the European Community.
Anyway now they are shameless Rightists.
Austria should not be ashamed, they proclaim.
Including old Nazis, including SS.
And Social Democrats think they should work with them.
But they are trailing, the Social Democrats.
Maybe their candidate will fall behind,
though not as far as the one with the limits.
They are far behind, both of them.
Three candidates are in front.
Front-runner is from the Green Party.
They always were for refugees.
And there is a woman.
Not from a party.
A former judge.
Liberal views, for the economy.
Definitely not from the Left.
Those two were leading.
But Freedom Party candidate is closing up.
No, he doesn’t say we are all Germans.
Though he says many things.
Austrians first, don’t be ashamed.
Don’t be ashamed of anything.
Works better than just talk about limits.
So I’ve voted already, ten days in advance.
I’m afraid.
That Freedom guy is worse than Trump.
Similar causes why they are so popular.
Austria is very small.
President is just a figurehead.
But I’m afraid.
Austria becomes Hungary.
Headline in Switzerland, two days ago.
Rightist government, fences.
Italy protesting, not only Greece.
Against Austria, in the EU.
EU has been weak.
Rightist reactions in Eastern Europe.
Rightist rhetoric against refugees.
From Social Democrats, some of them.
EU is weak, was very weak in the Yugoslav wars.
Mid-April sun is shining outside.
Spring is a beautiful season,
trees spilling their green.
Some are cut, some are planted.
Downstairs across they are planting a park.
Martin Winter
April 15, 2016
*Schutzbefohlene means people placed under protection. It is the title of a play by Elfriede Jelinek, the Austrian author who won the Nobel prize for literature in 2004. She wrote the play in 2013. It was performed, by refugees, at University of Vienna on April 14, 2016, when a group of rightists stormed the stage. They sprayed red paint and reportedly injured performers, including children. I wrote the long poem above on Friday morning, April 15. I had not been at the performance and knew nothing about the incident before my text was finished. But I think my text works as background reading, at least.
unsere dichtertour
kommt nach amerika
kommt bis nach tucson in arizona
dort wohnt meine schwester
die leute machen sightseeing
nur jiang tao und ich
wir sind bei meiner schwester daheim
kochen mit ihr zusammen
jeder zeigt was er kann
zwei, drei gerichte
draußen sonnenuntergang
goldene strahlen auf den kakteen
in meinen träumen in letzter zeit
bin ich die ganze zeit in malaysia
im hochland-casino kenting
jetzt bin ich am klo und uriniere
pan xichen kommt herein
stellt sich gleich neben mich
ich frag “bruder, wieso bist du hier?”
“du hast doch im internet mobilisiert,
alle spieler unter den dichtern
sollen zu dir kommen und mit dir spielen
ich hab mich sofort ins flugzeug gesetzt …”
wir verlassen das klo
und merken erst jetzt
es war keine männertoilette
auch keine damentoilette
sondern eine transentoilette
ich reite auf einem
elefanten in thailand
ich hab eine riesige drachenmondlanze
wie im roman der “drei reiche”
und meine eigene kampfmethode
ich und mein kriegselefant
wir töten ganz viele feinde
keine rüstung ist vor uns sicher
Februar 2016
Übers. v. MW im März 2016
《梦(632)》
我骑在一头
泰国战象上
手执青龙偃月刀
使出了我独创的
一套刀法
杀得敌人
片甲不留
Yi Sha 《梦(633)》 TRAUM 633
Ich schreite aus wie ein Komet
auf einer Straße der 70er Jahre
In Xi’an im Süden die Xingqing Road
wenige Menschen, fast keine Wagen
am Horizont sind die Berge
ganz ganz deutlich
mit Tusche gezeichnet
ich bin wieder in singapur
gesetze sind noch viel schärfer geworden
jeder muss englisch reden
inklusive touristen
wer nicht englisch spricht
wird am mund ausgepeitscht
es gibt einen aufstand
ich gehe auch zu den guerillas
unsere basis
liegt im malaysischen dschungel
ich bin immer noch in südostasien
wieder in vietnam
ein kleines dorf im norden
ein kokosnussbaum
dort oben sitz ich im hinterhalt
und wart auf die amis
aber ich schieße nicht mit kokosnüssen
sondern mit durians (die fürchterlich stinken)
in nanning
hat martin durchfall gehabt
das war sicher von seiner reise
20 stunden und mehr
am zweiten tag war es schon besser
hat martin in bangkok durchfall gehabt?
hat er in pattaya durchfall gehabt?
hat er in singapur dünnschiss gehabt?
hat er in malakka dünnschiss gehabt?
oder in kuala lumpur?
ich glaub überhaupt nicht
im hochland-casino-hotel von kenting
hat martin sicher durchfall gehabt
er hat nämlich gefehlt
beim abendlichen dichtergefecht
das war von durian und bier zusammen
also praktisch arsen
zurück in nanning war sicher kein durchfall
da hat er gewonnen, zum dritten mal
und den gesamtweltcup geholt
hat er dann auf der rückreise durchfall gehabt
in shanghai oder vielleicht in paris
oder bei der ankunft in wien?
er hat nichts gesagt
im traum hab ich alles genau aufgezählt
unser einziger nicht-chinese
auf unserer tour durch südostasien
sein gesundheitszustand
von vorne bis hinten
und aufgeschrieben
wieder hock ich im hinterhalt
auf einem baum
es ist ein banyan-baum
ich will jemanden töten
einen mann namens “iran”
aber es kommen nur lauter dichter
aus guangxi
auf unserer reise durch südostasien
hat uns jemand in eine falle gelockt
ein klassisches komplott
wie vor 2000 jahren in china
ich und frau chen
unsere starke malaysische reiseführerin
wir haben alles durchschaut
verschanzen uns auf der toilette
jeder von uns hat eine pistole
ich flüstere ihr zu:
“bitte geben sie den befehl
dann stürmen wir los
und retten die gruppe …”
im zweiten weltkrieg
bin ich in paris
ein spion für die allierten
ich habe viel glück und überlebe
mein geheimnis ist
jede zehnte information
an die ich herankomme
verkauf ich auch an die deutschen
immer die wertloseste information
durch die niemand sterben muss
unter dem siamesischen mond
kommt eine verführerische
brillenschlange daher
sie schießt sich selbst in den fluss
den chao phraya river
sie landet auf einem rücken
eines krokodils
und beisst sofort zu
aber das krokodil
frisst am ende die schlange
Night of continuous rain.
Rain digging a well
in winter quite a few years ago.
Many years after,
temple bells of Nagoya in whirling snow
dig up the rain in my ears from the well
from that winter.
Then cherry trees bloom.
Then far away in China
fallen leaves wake up in front of a temple.
people are slow here
says our guide
you have to get used to them
then it’s dark in a jump
and the moon climbs very fast
to her highest position
guess she is happy
to serve Chinese tour groups
so these few years
she runs faster and faster
January 2016
SLEEPING PALACE
actually the palace is very still
tourists stream in and out
serious people stay in their pictures
the palace is sleeping
in history
Bangkok, January 2016
IN THE EMPORIUM OF PRECIOUS STONES
In the emporium of precious stones
there is a smoking room,
looks a bit like a prison.
Men who need separation
quietly gather,
with their heavy hearts
just for a short spell;
then go on buying things.
January 2016
TRANSVESTITES IN THAILAND
“Some are half-demon,
half-demon, half human.”
I am sure our guide is a man.
He is open-minded, just like his country.
“We in China this, China that …”
I wish his China was a real country.
MW January 2016
VACATION
Let us go diving into the deep.
Last year in August
someone in Tianjin
said one thousand people had died.
He was put in jail.
Let us go diving.
Elections this year in Taiwan,
first female president.
Let’s go now, let’s go.
These few days
someone gave an interview
voice of freedom or something.
Said the city he lived in
was not free,
autonomous region was not autonomous.
Let us go diving now.
He got fourteen years.
He wasn’t the first.
Let’s go now, go.
There’ll be other things
planned for the afternoon.
January 2016
SHE HAS TO BE PERFECT
In Singapore
we have a new guide.
Her name means “swallow”.
She explains about their laws.
Sounds a bit like Thailand
talks about Buddhism.
“You have to be careful,
you can’t just sit down anywhere.”
We get in very late
but we still call a reading.
Across the street from the hotel
you can sit outside,
you can even smoke.
Long as you don’t toss the butt.
When you order a beer,
one bottle per person may be too much.
Where is the moon?
In Singapore
she obeys the law to the letter,
otherwise they beat her behind.
She steps out of the clouds
in her most perfect poise.
January 2016
POETRY READING IS GOOD
Poetry Reading’s good,
Poetry Reading’s good.
In our New Poetry Canon, people’s dignity is high.
System clique’s in the dregs,
state-sanctioned writers scurry with their tails between their legs!
January 2016 (to the tune of Socialism Is Good)
MOSQUE & CASINO
Mosque and casino
both have Adam and Eve.
The casino in Singapore
at the Botanical Garden
greets you with Dali and with Botero.
Botero’s sculptures Adam and Eve
at the gate of the casino.
What would the artist think of this sight?
Art is a rather ambivalent thing.
Poetry makes you a better person?
The mosque in Malaysia’s government district
is a sight to behold.
I am folding my hands.
An old lady asks me if I am a Muslim.
I just bow and keep silent,
so she lets me go in
and helps me taking pictures.
She sees I don’t know how to pray
so she gives me a folder and tries to explain.
There’ll be prayer time in forty minutes.
Men at the bottom, women up there.
She hopes I can make it.
The folder says
Adam and Eve were also Muslims.
Adam was the first Prophet.
The Mosque has Quran editions in English.
I flip through a section.
Allah bestows many signs on mankind.
Sleep is also a sign,
along with creation
and languages and different colours.
We haven’t had enough sleep on this trip.
Soaring up with my eyes,
I think being a Muslim is good.
I know why it’s forbidden to make any idols.
Half an hour later we are drinking beer.
I am still a believer
in beauty in art.
Poetry and art are signs of Allah.
January 2016
HEROES’ MONUMENT OF MALAYSIA
Was it a glorious thing when they died?
Did they go to war
for peace and freedom?
In World War I
In World War II
In civil war
they hardly had any choice.
In 1966
Malaysia’s prime minister had them erected
a park of monuments.
They already had one from World War I.
With names from Europe, also from India.
Probably officers.
To make this park for all those who died,
all those who gave their lives in the wars.
In 1966.
I was born in that year.
Maybe this monument
was a good idea.
January 2016
COMING BACK FROM ABROAD, LADEN WITH TREASURE
Coming back from abroad, laden with treasure.
Thanks everybody!
Thanks to Rong Bin,
to Niu Yihe, to 3A.
Thank you, Li Zhenyu.
You said my diarrhoea
was as fast as my poetry.
Thank you, Benben.
You made me eat Durian.
Thank you, Jun Er.
You bought me beer.
Thank you, Xiang Lianzi,
you offered me coffee.
Let’s all thank Jiang Tao
helping us to get back on the bus.
Thank you, Gao Ge
you helped me smuggle pillows.
Thank you, An Qi,
you helped me buy a mattress.
Thank you, Ru Ye,
we slept in one bed,
you recited erotic poetry for me.
Thank you, Xing Hao.
You sang praise to my body hair.
Thanks everyone for beautiful poetry.
Let’s say thanks to our guides,
A Fu and A Ping, Ms. Yan, Ms. Chen –
and on our last day
Mr. Chen, who had studied in Canada.
They taught us how to speak,
how to say thank you.
Kap kun ka – your credit card is empty.
Dai ni ma kan xi – take your mom to a theatre.
Our guides taught us history
and facts about Chinese minorities.
The Chinese platoon #93
in the Golden Triangle.
The Singapore Church of The Law.
Their story of independence.
The state of Malaysia,
elections and tribes.
Thank you, Yi Sha!
We had so many readings.
We broke every record.
We come back from the south,
laden with treasure.
ich denke immer noch sehr viel an dich
bevor du gestorben bist
hab ich dich kaum gesehen
ich hab dich nur einmal zweimal besucht
in deinen letzten monaten
ich hab geglaubt wir gehn in den garten
wie die jahre davor sobald es wärmer wird
du wirst vielleicht glauben dass du bei uns bist
dass wir bei dir sind dass deine familie
ich erinnere mich sehr gut an den garten
es gab auch ein zimmer
einen raum der frei war jedenfalls manchmal
dort war etwas wie ein klavier
etwas altes da hab ich geklimpert
wir haben manchmal ein bisschen gesungen
einander erkennen geht nicht sofort
nur dass jemand da ist von der familie
meine mutter war dort, meine mutter mein onkel
mein vater meine tante cousinen cousins
meine schwester meine neffen
zivildienst rotkreuz die beiden mädchen
sozialdienst du warst immer noch
du warst die familie
der garten
die himbeeren brombeeren ribisel
das gras und die wege die bäume die rosen
die anderen leute ich frag mich oft
was aus dem geworden ist
der erwin? den hat man von weitem gehört
am ende ist er sehr schnell gealtert
woher kommen die leute
wer wem etwas sagen darf und was herauskommt
die anderen leute die schwestern die pfleger
manche waren ein segen
die verbindung war da der stadtrand die liesing
der autobus geht alle zwanzig minuten
oder auch nicht. mit dem fahrrad am bach entlang
gehen am bach entlang
es ist auch nicht weit vom lainzer tiergarten
die verbindung war da du warst die verbindung
die stimme wie früher am telefon
deine welt deine wohnung deine erinnerung
einander erkennen geht nicht sofort
unlängst war ich am friedhof
solang du da warst war etwas da
es wird immer da sein solang wir da sind
wir sind in der nähe
wir sind nicht in china
nur leider sehen wir uns nicht sehr oft
today is september 28
my daughter is on a plane coming to see me in beijing
actually I wanted to see her and lured her with beijing
I arrive at the airport one hour early
I am even thinking if I arrive an hour before
I can see her that much earlier
so many airplanes coming and going
for me it’s like every one carries my daughter
every plane on the sky roars like my daughter when she is running
the plane has come down from the sky
my daughter is coming out
we are looking at each other, without speaking. a little shy.
my daughter has grown very tall.
I hug her, she says: “mama, I’m heavy,
you better not pick me up”.
she says: “mama, I have to pee”,
while I am holding her and she is peeing she says:
“mama, I will pee on you!”
we are in the airport toilet.
I am still holding her wishing she’d pee on me
like that little shaft running out of her, she could not hold it while I changed her diapers.
Tr. MW, May 2014
An Qi
HOW CAN A SPIRIT-TREE FALL ASLEEP PEACEFULLY AMONG THE FEAR
Sweet dreams, my dear
I try to soothe you after the rage
Lightly, lightly patting your branches
Making you deep blue clothes out of warmth
So you fall asleep safe and sound in the night of the spirits
If you are afraid
I will enter deep into your fears and stir the water
I am good at that game
I’m very good at telling myself the second I close my eyes
The world is at peace.
Tr. MW, May 2014
An Qi
AT DU FU’S “STRAW COTTAGE” IN CHENGDU
slender and thin
emaciated. that must be the image
it goes without saying
the sorrowful poet
the nation, the people, they all make him worry
more fat is forbidden
and laughter’s forbidden
so the dufu you’re seeing
(the dufu that’s everywhere)
bronze dufu
stone dufu
clay dufu
paper dufu
the same slender stature
of misery
as if he’d been born like that
I am thinking
the artist must have been frightened stupid
by the dufu inside his mind