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LICHTUNGEN 141 奥地利格拉茨《林中空地》文學雜志

2月 12, 2015

MALALAMartin Winter
EINLEITUNG ZUM CHINESISCH-DOSSIER

Am liebsten würde ich ein ganzes Heft gestalten. Das Cover. Malala gewinnt den Friedensnobelpreis. Apple Daily in Hongkong. Malalas Kopf, rundherum alles Chinesisch.
“Ich möchte weder Rache an den Taliban, noch an irgendeiner anderen Organisation. Ich möchte meine Stimme nur dafür erheben, dass jedes Kind ein Recht auf Unterricht hat. Mein Traum ist, dass alle Kinder, auch die Söhne und Töchter der Terroristen und Radikalen, in die Schule gehen können und Bildung bekommen. Ein Kind, ein Lehrer, ein Buch, ein Stift – kann die Welt verändern.” Hat sie das wirklich gesagt? Ich habe mir ihre Rede angeschaut, auf Youtube. Englisch, Urdu, Pashto. Auf der Bühne mit ihrer Familie. Ihr Bruder, ihre Eltern. Der Bruder wird neidisch sein. Sie bemüht sich sehr um Harmonie, ist wirklich froh, dass auch jemand aus Indien gewonnen hat, der für Kinderrechte einsteht.

Dieses Cover. Nur das Bild. Foto: Apple Daily. Das ist auch schon ein Hinweis auf die Proteste in Hongkong von August bis Dezember 2014. In den USA gab es auch Proteste, für Bürgerrechte, in der Nachfolge von Martin Luther King. Und in Österreich meldet wenigstens das Gratisblatt “Österreich” wieder einmal, dass Strache als Neo-Nazi im Gefängnis war. Strache heißt Furcht und Schrecken. Graz heißt Stadt. Eine wichtige Stadt für die Literatur. Eine gar nicht so heimliche Hauptstadt, zu manchen Zeiten. Für den Schrecken. Für die Literatur, etwas später. Yi Sha 伊沙, der am 17. März in Graz seine Texte vorstellt, die in manchem an Ernst Jandl erinnern, kommt aus Xi’an 西安. Hauptstadt schon vor über 2000 Jahren. Terrakottakrieger. Tang-Gedichte. Von daher kommt Gustav Mahlers Lied von der Erde.

Eine wilde Mischung. Sich der Gewalt stellen. Respekt geben, zeigen, und damit auch fordern. Haben sie das gemeinsam? Yang Lian 楊煉, ein großer Dichter, aktiv und engagiert seit den 1970er Jahren. Liu Zhenyun 刘震云, bis vor zwei Jahren vielleicht bekannter als Mo Yan, auf jeden Fall unterhaltsamer. Richard Claydermann und die Trommeln in den Bergen. Klingt vielleicht eskapistisch. Aber Liu Zhenyun geht es um Aufarbeitung, und um Respekt für die kleinen Leute. Er kommt aus einem armen Dorf und ging zur Armee, um schreiben zu können – wie auch Mo Yan 莫言 und manche andere.

Respekt zeigen, und damit einfordern. Zheng Xiaoqiong 郑小琼 tritt auch am 17. März in Graz auf. Ihre Texte kommen aus den Fabriken in Dongguan. Das ist im Perlflussdelta, nicht weit von Kanton 広州, Hongkong 香港 und Shenzhen 深圳. Xu Lizhi 许立志 sprang in Shenzhen in seinen Tod. Bei Foxconn 富士康, wo sich schon viele Arbeiter und Arbeiterinnen umgebracht haben. Foxconn fertigt Computer und Telefone für Apple. Xu Lizhi war ein sehr begabter Dichter. Bei Zheng Xiaoqiong kommen viele Kolleginnen vor, die nicht mehr am Leben sind. Oft wegen Unfällen. Viele sind auch verschwunden.

Respekt zeigen, und Hoffnung geben. Wie Malala. Viele Frauen sind in diesem Dossier, verglichen mit anderen Kunstsammlungen, nicht nur chinesischen. Fünf Frauen, von elf Autorinnen. Zwei mit Prosatexten. Zheng Xiaoqiong hat sehr gute Reportagen geschrieben, leider habe ich bis zum Redaktionsschluss noch keine fertig übersetzt. Aber von Zheng Xiaoqiong kommt bald ein Buch in Österreich heraus, mit Reportagen und Gedichten. Bei FabrikTransit. Und in Wien gibt es am 20 März am Ostasieninstitut der Universität Wien einen Workshop mit Zheng Xiaoqiong, auf der Grundlage von einer Reportage und anderen Texten. Und eine Lesung gibt es, veranstaltet vom Institut für Sprachkunst der Universität für Angewandte Kunst.

Hao Jingfangs 郝景芳 Science-Fiction-Geschichte ist der längste Text in diesem Dossier. Widerstand. Wie ist Widerstand möglich, wenn aller Widerstand gegen den Staat längst gebrochen wurde?
Kaufen Sie das Heft, lesen Sie, wie es geht. Oder lesen Sie von Ma Lans 马兰 ”Doppeluterus“, und unerklärlichen Spuren im Schnee. Von Liu Xias 刘霞 Charlotte Salomon. Soll noch einer sagen, chinesische Literatur sei nur über China. Alle Beiträge reden über Respekt, und über Rechte. Sehr allgemein.

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