Ganz in der Früh
fragt mich mein kleiner Bruder auf WeChat:
Du bist mit Reis aus unserm Dorf aufgewachsen,
warum isst du jetzt nicht mehr Reis
aus unserer Gegend?
Ich schick ihm ein Smiley zurück:
Reis vom Nordosten schmeckt besser.
Er schickt auch ein Smiley:
Kannst du von meiner Frage aus
über unseren Reis
ein Gedicht schreiben?
Als der Kukuruz ausgesät wurde
war eine Dürre.
Die tüchtigen Bauern
gossen vorher die Felder.
Die nicht so tüchtigen
warteten auf den Regen.
Der tüchtige Kukuruz im Feld
wurde hoch und schwarz.
Der nicht so tüchtige Kukuruz
wurde kurz und gelb.
Letzte Nacht war Sturm und Regen,
der tüchtige Kukuruz
hat sich niedergelegt,
der nicht so tüchtige Kukuruz
muss stehenbleiben.
Könnte ich wählen,
hätt‘ ich ein Haus mit einem Holzzaun rundherum,
bisschen Boden anbauen, Hühner füttern.
An einem bedeckten Tag, wie ichs gern hab,
sie macht Esssen, ich mit einem Bruder,
wir liegen im Lehnstuhl, beim Schachspiel.
Könnte ich wählen,
wär‘ ich das Unkraut bei meiner Oma,
wär‘ eine Fliege,
aber nicht so lästig,
würd‘ mich verstecken in einer Ecke,
still auf den Tod warten.
Könnte ich wählen,
möchte ich nicht Ezher sein.
Ich wäre gern Rustem, Si Tunan aus „Renegade Immortal“
oder Zhou Yi aus demselben Roman.
Übersetzt von MW im Januar 2020
Ezher, geb. 1999 in Bortala, Xinjiang. Uighur. Schreibt seit 2019 Gedichte auf Chinesisch. Studiert in Beijing, liebt Musik. 《新诗典》小档案:艾孜哈尔,一九九九年生,维吾尔族,新疆博乐人。二零一九年尝试汉语写作,作品见于《白夜谭》《磨铁读诗会》。现在北京上学,喜欢听音乐。
Die Gemüse anbauen, sind Gemüsebauern. Die Obst anbauen, sind Obstbauern. Die Tee anbauen, heißen Teebauern. Die Blumen anbauen, nennt man Blumenbauern. Die Tabak pflanzen und rösten, heißen Tabakbauern. Die Seidenraupen halten, nennt man Seidenbauern. … … Felder bestellen und dabei Gedichte schreiben, das sind Poesiebauern. Was die betrifft, die in kalten Bergen von der Natur leben, das heißt, die sich winden auf der großen Erde, im Frost Käfer suchen und im Sommer Gras für ihre Familien da haben die Leute ein anderen Namen: Strohvolk, das ist auch ein Wort für ich.
李勤岸Li Khin-huann
Translated by Tiunn Boo-thinn 譯 …
We planted sunflowers at Parliament
To bring some sunshine inside
To bring all that mold to light
To bring the people’s rights to light
We planted sunflowers on the president’s lawn
To throw the floodgates wide open
And flood away the steel webs of a dictator
And let the young whales of democracy swim on, and on and on
We planted sunflowers in the streets
To bloom come rain and bloom come wind
To bloom for always and for all days
By the darkening roads we must yet take
We’re planting flowers in every alley and every valley
In the cities and in the country
In the mountains and by the sea
The sun will still flower
May the will of young hearts
Rise up high in our free skies
阮種日頭花
–《人面冊ê花蕊》264
李勤岸
Li Khin-huann
WE PLANT A SUNFLOWER
we plant a sunflower in parliament
to draw in the sun
stir up the poor state of our congress
stir it up for the rights of our people
we plant a sunflower in the president’s palace
to call a young sea spirit of Taiwan democracy
to stir up a flood
to sweep away the iron nets of dictatorship
we plant a sunflower on every street
to brave wind and rain
to stir and bloom
to shine a light on our dark road ahead
we plant a sunflower on every corner
in the village in the city
on the mountains at the sea
to stir and bloom
our spirit of youth
will brighten our homeland and our skies