Vor dem Familientempel der Chen stehen 8 Fahnenstangen.
Jede Fahnenstange wird an beiden Seiten von Steinen gehalten.
Auf den Steinen stehen die Absolventen der Palastprüfungen von der Song- bis zur Qing-Dynastie.
Auf dem Platz davor liegen 6 abgezogene Föhrenstämme.
Bürgermeister Chen sagt, manche Stangen müssen ersetzt werden.
Ich frage, was ist, wenn jetzt jemand aus der Familie
seinen Doktor macht und so weiter, kriegt er vielleicht eine Stange?
Der Bürgermeister schüttelt den Kopf.
Aber er fügt gleich hinzu, bei der letzten Renovierung vor über zehn Jahren
haben die Ältesten sich besprochen,
falls ein Nachfahre
etwas Höheres wird als Vize-Kreisvorstand,
dann kann man schon darüber beraten.
In den 1970er Jahren
bei einer Handelsreise ins Ausland
ist mein Onkel im Flugzeug gesessen.
Für jeden Fluggast gab es zwei Zigaretten, Marke CHUNGHWA.
Mein Onkel hat eine davon geraucht,
die andere hat meine Schwiegermutter bekommen.
Ungefähr ein Dutzend Jahre später
ist meine Schwiegermutter gestorben.
Unter ihrem Kopfpolster war eine kleine Blechdose,
darin ist der Zigarettenfilter gelegen,
eingewickelt
in Papier.
Beim Essen in Hohhot,
am Nachbartisch sind Leute aus Henan.
Ich versteh eher nicht was sie reden,
aber sie regen sich gar nicht auf.
Fast zwei Wochen nach der grossen Überschwemmung
wird mein Herz zum ersten Mal ruhig.
Pang Qiongzhen SAKA SAKA!
– für meine Freundinnen aus der Republik Kongo
Saka Saka!
Das Geräusch der Maniokblätter,
mir rinnt das Wasser im Mund zusammen.
Saka Saka!
Wir sind in Strandkleidung im Unterricht,
Saka Saka!
wenn wir müde sind, kauen wir Blätter und tanzen.
Saka Saka!
Es ist lustig, aber ich lächle gezwungen.
Saka Saka!
Kongo! Kongo!
Zwei Mal im Leben ein großes Fest!
Hochzeit! Begräbnis!
Uebersetzt von MW im Nov. 2021
(Saka Saka ist im Kongo ein typisches Essen aus Maniokblättern.)
Wer vom Osten daherrast auf der Autobahn,
der passt nicht zum Rhythmus hier in der Wildnis.
Wenn die Sonne untergeht, wird es noch einsamer.
Vorn auf der Strasse trotten die Kuehe.
Egal, wie du hupst, egal wie du schreist,
egal wie du bruellst, sie geben nicht Vorrang.
Diese Viecher sagen dir damit:
Sie sind eigentlich hier die Herren!
Späte Jahre, das beginnt mit Verlust?
Die Namen in der Familie weiß sie nicht mehr,
von ihrem Mann weiß sie nichts mehr.
Jetzt weiß sie auch nicht mehr, wer sie ist.
Aber ich glaub, sie geht zurück,
bis in ihre Kindheit in Chongqing.
Gestern sagt sie, ihre Geschwister kommen sie abholen,
sie muss unbedingt unten warten.
Aber warum sind sie dann nicht gekommen?
Wahrscheinlich hat es bei ihnen geregnet.
Die Namen von Onkel und Tante stimmen,
aber der Wohnort ist halt Beijing.
Außerdem bin ich einer von ihnen.
Das hätt ich wirklich nie gedacht,
dass meine Mutter zu meiner Schwester wird.
Ein paar hundert Fische, vom Markt
zum Qingshui geführt, freigelassen.
Aber davor müssen sie sich eine halbe Stunde lang Sutras anhören.
Aus Plastiksäcken (mit Wasser und Sauerstoff),
in den Fluss gekippt,
da sind die Fische noch etwas betäubt.
Viele wollen nicht gleich in die Mitte,
verstecken sich am Rand in den Algen,
werden im Netz an der Stange gefangen.
Dieser Fischer der freigelassenen Fische,
ich glaub, den nennen sie Schwarzkind.
Schwarzkind, wenn der sonst einen Fisch fängt,
grinst er den halben tag lang vor Freude.
Jetzt hat grad vier, fünf gefangen,
nur sein Gesicht bleibt unbewegt.
Von flussabwärts läuft eine Frau,
bleibt stehen und sagt, er sei genial!
wie könne er wissen,
wohin genau die Fische schwimmen?
Er steht da und hält den Mund,
sein Gesicht bleibt unbewegt.
Ein Vogel fliegt dem Großen Buddha
vorm Gesicht hin und her,
stellt sich sogar auf Sein großes Ohr,
auf die Schultern und auf den Kopf.
Der Große Buddha lächelt,
er glaubt nicht, dass er von Vogelkot
überall auf den Wangen
an Gesicht verliert.
meine über 80jährige mutter sagt
in der familie von deinem vater
gibt es schon einige generationen
keine besonderen erbstücke mehr
wir haben nur diesen knoblauchmörser
für deinen vater war das ein schatz
den er dir hinterlässt. willst du ihn?
knoblauchmörser, das wort kenn ich schon.
ein mörser und ein stössel.
ich frag einfach, ist es aus gold?
aus gold, sagt sie, wärs dann noch bei uns?
stein ist es.
in der unterstufe
holt man ihn aus der klasse
bringt ihn ins zentrum auf den sportplatz
eines kindergartens
gibt ihm ein megafon
er muss seinem vater zureden
der sich in zimmer 301 versteckt
dass er seine waffe aufgibt
und keine kinder
als geisel nimmt
in diesem entlegenen dorf
sind über 30 junggesellen
jedesmal wenn sie an frauen denken
brennen sie vor durst
dann schultern sie schaufeln
gehen graben am hang
bis ihnen am rücken der schweiss rinnt
dann nehmen sie erde in beide hände
und atmen tief ein
der dorfkader sagt mir
diese methode
habe ein junggeselle erfunden
nachher hättens immer mehr nachgemacht
so hätten sie ausgehalten bis jetzt
alle die armut abgeschüttelt
nicht einer sei straffällig geworden
und keiner sei am durst gestorben
in der mittelschule
sieht ein freund
ich schreib nur mit kugelschreiber
und schenkt mir eine feder,
die hat sein vater als preis gewonnen.
eine kusine die neben uns wohnt
sagt ich hab ihre feder gestohlen.
ich weine beim fahrradfahren
zu meinem schulfreund fünf kilometer,
bitte ihn dass er für mich aussagt.
am nächsten tag macht mein freund
die sache in der schule publik.
ich geh nach haus und finde
in meiner schultasche
zwei dutzend federn.
also müssen
mehr als die hälfte der klasse
mir federn geschenkt haben.
im ersten jahr mittelschule mit 12
in der nacht hats geschneit
in der früh muss ich
sechs oder sieben kilometer gehen
den berg hinunter zur schule
ich habe keine gefütterten schuhe
meine großmutter nimmt große bambusblätter,
wickelt die alten gummischuhe,
die ich trage,
wie man reisdreiecke wickelt,
und bindet sie fest mit spagat.
das gehen war mühsam
durch den schnee auf dem berg
aber als ich ankomm in der schule
ist mir den ganzen tag warm.
As a temporary resident,
I planted vegetables
in the factory grounds on the river.
To deal with a few thieving birds,
I looked at the methods they had in the village.
Some put up nets around the fields,
and on them dead birds, dried by the wind.
Some put up scarecrows, cloth puppets with scary get-up,
and there were those who hung up garbage bags,
red, white, black and blue,
sputtering when the wind gets in,
fluttering like the United Nations’ Grand Assembly.
In the end, out of humanitarian reasons,
I went with the UN assembly approach.
Translated by MW in October 2021
Liang Feng GENERALVERSAMMLUNG DER VEREINTEN NATIONEN
Ich hab am Fabriksgelände am Fluss
eine Zeitlang gewohnt, etwas angebaut.
Gegen ein paar diebische Vögel
hab ich geschaut, was sie im Dorf machen.
Manche spannen ein Netz um die Felder,
ab und zu hängen windgetrocknete tote Vögel drauf.
Manche stellen Vogelschrecken auf,
Stoffpuppen, schrecklich zurecht gemacht.
Andere hängen Müllsäcke hin,
rote, weisse, schwarze, blaue,
die knattern im Wind,
die flattern wie die Vereinten Nationen.
Am Ende hab ich humanistisch gedacht,
der Generalversammlung der Vereinten Nationen
den Vorzug gegeben.
Nach dem ärztlichen Rat an die Familie,
der Kranke solle essen was er wolle,
was eigentlich hieß,
der Kranke hat nur noch ein paar Tage,
hat Papa zu seinen Enkeln gesagt,
was ihr jungen Leute gern habt,
das möchte Opa auch.
Wir gehen sofort einkaufen,
Schaschlik mit Meeresfrüchten.
Er kriegt gar nichts runter,
schauts nicht einmal an.
Als ein Krankenpfleger
ihn zum Essen ermuntert,
sagt er, das ist für Sie,
bitte essen!
Von meiner Familie kommen Fotos,
anstellen zum PCR-Test.
Die Leute sind im Schatten versteckt.
In der Warteschlange sind Namenschilder,
Haarklammern, Ärmelschoner, Schlüssel,
eine Mineralwasserflasche.
Ein Schirm, eine kleine Zwiebel.
Ich seh auch noch einen
flatternden Schmetterling,
weiß nicht für wen
der sich anstellt.
Bei einem Verlagstreffen
werde ich als Dichter vorgestellt.
Dann rückt einer zu mir,
will über Poesie plaudern.
Gu Cheng hat seine Frau umgebracht
und Selbstmord begangen,
was sei meine Meinung dazu?
Ich ignorier ihn.
Nachher sieht er mich schreiben,
kommt wieder zu mir,
will über Kalligraphie reden.
Kang Youwei, auch genannt Kang Nanhai,
habe ich seine Schrift studiert?
Er habe gehört, Kang Youwei
habe als alter Mann
ein junges Mädchen
zur Konkubine genommen,
habe sich die Eier
eines Orang-Utan einpflanzen lassen,
sei zuletzt steif gestorben.
Was sei meine Meinung
dazu?
Ein Mensch fragt,
“Existiert Buddha?”
Der Meister sagt, “Ja!”
Ein anderer fragt, “exisiert Buddha?”
Meister Zongxian: “Nein!”
Der dritte fragt,
“Existiert Buddha?”
Meister Zongxian
bleibt stumm wie ein Fisch.
Der erste, der fragt
ist ein Buddhist.
Der zweite
ist ein Atheist.
Der dritte
ist natürlich Beamter.
Er möchte, dass Buddha
seinen Hut mitbeschützt.
An einem Fluss innerhalb der Stadt
auf einer Lichtung in einem Wald
seh ich eine Lampe mit einem Schirm
die ist von einer Freundschaftsstadt im Nachbarland,
ein Geschenk an diese Stadt.
Sie ist schon sehr alt,
geliebt und beschädigt
und nach der Versöhnung,
was wird noch wieder gut?
nachdem vater gegangen ist
hat mutter angefangen zu rauchen
fünfundzwanzig jahre später
hat es mutter
an seine seite geschafft
wir kinder
haben an der decke
des kleinen zimmers
unserer eltern
einen kleinen runden spiegel
angebracht
als sei der himmel offen
Mondfest 2021 (20./21. Sept.)
Übersetzt von MW im Oktober 2021
Heute auf dem Weg hinaus
einer alten Dame begegnet
Eine Hand ausgestreckt vorm Autofenster
bebend, schwankend
leer und nur leer –
Eine gestrige Bettelmethode
sie hat keinen QR-Code
ich hab nur mein Handy
Sie entfernt sich enttäuscht
ich drück auch noch
auf die Hupe
Auf einmal wisch ich auf eine Nachricht: Laos!
“am 29. 08. in Luang Prabang,
vier neue einheimische Infizierte. ”
Das sind Untertitel, im Bild: ein Mönch
legt Feuerholz nach. Der Sender der Nachricht
kommentiert auf Chinesisch:
“In den Tempeln werden nicht nur
mehr Verstorbene eingeäschert,
die Mönche und Nonnen kümmern sich um Waisenkinder,
sie helfen den Laien bei allen möglichen Sorgen.”
Ich erinnere mich an ein anderes Bild,
das hab ich in Luang Prabang
vor drei Jahren und acht Monaten selbst aufgenommen.
Es hat sich auch in mein Gedächtnis eingebrannt,
als etwas Heilsames:
Sechs junge Brüder in roten Roben,
ein schwarzer Hund, ein fremdes Mädchen in Dunkelblau
scharen sich um ein tanzendes Feuer.
Außerhalb dieses Rahmens sind noch im Bild dabei
ein Haufen Chinesen, das sind wir Dichter von NPC,
wir bringen Poesie. Heuer im Frühling aus China
sind Ärzte gekommen, mit Medikamenten, Masken und Impfungen.
1. September 2021
Übersetzt von MW am 3. Oktober 2021
Omi klettert auf einen Baum,
Ulmenblätter pflücken.
Ihre Schwägerin kann vor Hunger nicht klettern
und bittet Omi, sie raufzuziehen.
Omi sagt, das schaff ich nicht,
da fallen wir beide runter,
und die Familie ist verhungert.
30 Jahre nach der Revolution von 1911
scheint die Sonne auf Omi, zwölfjährig, mager,
und auf ihre Schwägerin, noch magerer.
Das Mädchen auf dem Baum greift aus ihrem Korb
eine Handvoll Blätter,
lässt auf die Schwägerin, der schwindlig ist,
einen Regen zum Essen niedergehen.
meine mutter ist ungebildet
jedesmal wenn wir video-telefonieren
haben wir uns nichts zu sagen
bis wieder corona auftaucht
da können wir noch
ein paar minuten plaudern
früher wars auch so
erdbeben wolkenbruch hitze
ja sogar
schweinefleischpreise
immer wenns probleme im leben gibt
wird unsere beziehung
ein bisschen enger
heuer im mondjahr der mond am 15. 8. war vor allem gelb wie eine ganz runde selbstgemachte torte mit wirklich sehr viel ei
Übersetzt von MW im September 2021
《中秋月》 伊沙
今年 八月十五的月亮 黄是最大特色 像一块圆圆的 鸡蛋加得过于实在的 自制蛋糕
Yi Sha TRAUM 1826
In der zweiten Nacht nachdem ich beim Tor vorbeigegangen bin, hab ich von meiner Schule geträumt, der Dritten Mittelschule von Xi’an. In einer Nacht mit starkem Wind, ohne Mond kann ich nicht heraus aus dem Hof, als wär ich im Horrorfilm die Hauptperson.
Jedesmal, wenn ich das Hotel seh, das All Seasons Hotel, denk ich an Poesie als Geschenk für die Kunden, obwohl sie noch gar nicht mich hergeschenkt haben, sondern den von meiner Frau und mir übersetzten Martin Winter.
Jahreszeit ändert sich, ich acht immer noch auf das wechselnde Wetter, merk aber auf einmal, niemand ermahnt mich.
Übersetzt von MW im September 2021
《父亡第15天》 伊沙
换季时节 我还在关心 天气的瞬息万变 忽然发现 已经无人叮嘱
Yi Sha TRAUM 1827
Sternenhimmel, Fische schwimmen.
Übersetzt von MW im September 2021
《梦(1827)》 伊沙
夜望星空 鱼翔浅底
Yi Sha KEINE SCHMUTZIGEN WÖRTER
ich glaub immer, die beziehung von mensch und natur, ohne austreten können die beiden nicht eins werden.
September 2021 Übersetzt von MW im September 2021
《不说秽语你以为我就写不了吗》 伊沙
总是感觉 人与山河大地的关系 不排泻一下 就不算融为一体
Yi Sha MODERNE GEDICHTE: GUT ALS NOTIZBUCH
Gestern frag ich meine Frau: „Die Tante vom jüngeren Onkel hat uns letztes Jahr Niangao-Kuchen geschenkt, zu welchem Feiertag? „Weiß nicht mehr.“ „An dem Tag waren wir beim Changning-Palast …“ Sie erinnert sich nicht. Heut in der Früh seh ich die Zeitschrift „Masken“ hat ein Gedicht von mir. In dem Gedicht steht das mit dem Kuchen war am Nachmittag vom Heiligen Abend.
Friedhof Shou Yang Shan, elf Uhr am Vormittag, Totengeld verbrennen. Beim Anzünden, in dem Moment hört der Regen auf, der uns das Mondfest und die nationale Olympiade die ganze Zeit durchnässt hat. Aber ich hab schon gehört, nach dem Nationalfeiertag, grad wenn wir das Poesie-Kochen machen, da kommt wieder der Regen.
Im Nachlass meines Vaters ist ein Auto, ein Spielzeugauto.
September 2021 Übersetzt von MW im September 2021
《梦(1824)》 伊沙
在父亲的遗产中 有一台车 玩具车
Yi Sha VATER UND SOHN
In der Mittelschule, wenn jemand seinen Vater erwähnt hat, wollt ich nichts davon hören. Das hat sich geändert, als ich jemanden hatte der mich erwähnen kann. Erst dann hab ich auch meinen Vater erwähnt.
Übersetzt von MW im September 2021
《子与父》
记得上中学时 别人提父亲 我是不愿听的 我开始愿意听 甚至自己也开始提 是在我也有人提 之后
Yi Sha LIVE-UNTERRICHT
meine erste lehrveranstaltung in diesem semester wird von studierenden live übertragen. aus einem corona-gebiet hat es jemand nicht hergeschafft. deshalb macht jemand mit handy und ständer die übertragung. dieses detail gibt mir auftrieb und spornt mich an.
15. September 2021 Übersetzt von MW im September 2021
ich hab in PUPPENTHEATER über ihn geschrieben. heute hab ich mir plötzlich gedacht, so alt wie er sein muss, wahrscheinlich war er noch nie im ausland, und wegen seiner gesundheit, wahrscheinlich hat er die welt schon verlassen. ich denk an damals, er hat mir so viele orte, so viele namen, wo er nie war, vorgetragen wie verse, voller gefühl, extra für mich, so lernte ich von anfang an die welt zu lieben und kein lokaler trottel zu werden.
Mein Vater ist von uns gegangen, ab jetzt werd ich vielleicht noch von Älteren ermahnt und ermutigt, aber sicher nicht mehr mit so vielen Rufzeichen!
September 2021 Übersetzt von MW im September 2021
《!!!》 伊沙
父亲走了 往后或许 我还会得到 长辈的叮嘱与鼓励 但是再也不会夹杂 那么多的感叹号了
Picture by Xing Hao
Yi Sha IM HERZEN
Warum starr ich die ganze Zeit auf ausländische Filme? Weil früher für mich als Kind und als Bursch die Filme die Welt waren. Von diesen Filmen her hab ich meine ersten guten Gedichte geschrieben. Heute, indem meine Zeit alt wird mit mir, ist es immer noch so.
Vorm Südttor der Uni an der Straße ein Lastwagen, eine Bauersfrau sammelt Recycling. Scharf und grob ist ihre Sprache, mit schmutzigen Wörtern: „Du Schasverkäufer! Du Furzfabrikant!“ Ich hör das, für mich klingts so warm und vertraut, ich bin schon als Kind damit aufgewachsen, und hab es genau in Romanen beschrieben.
Ich träum von einer Dichterin. Alle männlichen Dichter im Traum in Beziehung zu ihr, das stimmt alles nicht. Aber sie selbst, soweit sie kenne, das ist wie in Wirklichkeit.
September 2021 Übersetzt von MW im Sept. 2021
《梦(1831)》
伊沙
梦见一位女诗人 我梦见的 与之有关的男诗人们 都是不对的 但对她的认识 梦与现实无异
Yi Sha TRAUM 1832
Bin vielleicht noch in Hohhot, Xu Yan bringt mich in ein Gasthaus, wie ein mongolischer Palast. An der Tür zum Separee in einem Becken schwimmen zwei Schildkröten. Xu Yan sagt: “Die essen wir heute.”
Vater war Armeearzt.
Er war in Hebei stationiert,
in der alten Stadt Xingtai.
Nur wenn er Urlaub hatte,
kam er zu Mutter zurück nach Beijing.
Ich war drei,
wir wohnten in der Qianmao Hutong,
Xinjiekou.
Meine Mutter war im Xiehe-Spital,
sie hatte meine Schwester geboren.
Vater ging sie mit mir zusammen besuchen.
Wir nehmen den Bus,
auf einmal drückt er
ganz fest meine Hand.
Die ganze Fahrt ist er bedrückt,
er ist mir sowieso fremd.
Und dieses finstere Gesicht.
Im Spital sehen wir Mama,
die ganze Bedrückung muss jetzt heraus,
ich fang laut an zu heulen.
Mama weiss, Papa weint mit,
weil sie mir
keinen kleinen Bruder geboren hat.
ich krieg den anruf,
hab mich noch nicht gemeldet,
da unterbricht sie mich schon:
bruder, du kriegst kein kindermädchen,
du kriegst keine frau auf dem land.
weißt du wie alt mein sohn ist,
er ist 29,
hat noch keine freundin.
nicht dass er nichts besonderes wär,
nicht, dass es daheim nicht so gut wär,
es gibt einfach keine frau
auf dem land.
auch eine wie ich in meinem alter
kommt nur zum frühlingsfest für ein paar tage
und ist dann wieder weg.
so eine alte mama
kann ich ihn auf jeden fall nicht
suchen lassen.
I have begun to write with a brush,
and to save paper,
found a big heap of old news.
They call it old news,
actually it doesn’t look like anyone read it.
I think I haven’t read papers in over ten years.
While I’m writing,
I am reading some headlines.
These great thick characters,
they’re influencing me.
Translated by MW in September 2021
Mo Gao ALTE ZEITUNGEN
In letzter Zeit schreib ich gern mit dem Pinsel.
Um Papier zu sparen,
hab ich einen Haufen alter Zeitungen gefunden.
Alte Zeitungen,
sie schauen aber gar nicht gebraucht aus.
Hab auch über zehn Jahre keine Zeitung mehr in der Hand gehabt.
Beim Üben mit dem Pinsel
schau ich ein bisschen die Schlagzeilen an.
Diese dicken, groben Zeichen,
die haben Einfluss auf mich.
der mond steigt herauf
er ist heute sehr klein
viel kleiner als das hochhaus in bau
als das gerüst
sogar kleiner als irgendeines
der straßenschilder
hier unter den menschen.
so ein kleiner mond,
die leute auf dem halben erdball
können ihn alle sehen.
in seinem glanz
nehm ich still und leise ein bad.
Mein Vater
ist 1954 geboren.
In seiner Jugend hat ihn der Blitz getroffen.
Seine Handlinien sind nicht mehr klar erkennbar.
Man hat bei ihm eine Herzkrankheit festgestellt,
aber er glaubt immer noch,
wie ihm der Wahrsager gesagt hat,
er wird mindestens 88.
4. September 2021
Übersetzt von MW im September 2021
I saw a small monkey
escape from its cage
on Monkey Mountain
by climbing big trees.
He walked for a while
on the perimeter wall,
looking back to the cage.
He saw no other monkeys following,
so he returned
the same way.
Ich such einen Hintergrund für ein paar Blumen
und hör ein Klopfen, bamm bamm bamm –
von einem Schachtisch, Chinesisches Schach.
Oh, ein kleines Kind!
Ein dickes Händchen
schlägt fest auf das eiskalte Metall.
Die Tante bei ihm sagt, er ist erst eins,
er klopft bis zur Grenze der Han,
wenn er ein bisschen größer ist,
kommt er bis zum Fluss Chu.
in seinem Bergwerk
gibt es die Frau von einem Bergarbeiter,
die ist arroganter als er selber.
Am Mahjong-Tisch
stellt sie die Steine auf,
“Was? Ich Alte kann mir nicht leisten,
50 Yuan zu setzen?
Mein Mann fährt hinunter, an einem Tag
bringt er 300 Yuan heim.
Wenn er zum Hundsfott nicht zurück kommt
krieg ich in spätestens drei Tagen
600.000 Yuan Entschädigung
auf die Hand!”
Last night the birds
have all slept in.
They were watching
the opening of the Tokyo olympics.
Not to partake in the humans’ carnival
after their great calamity,
but to help the origami pigeons
they folded for peace
with their songs.
Translated by MW on August 31st, 2021
Yi Sha VÖGEL WOLLEN SINGEN
Diese Nacht haben die Vögel
alle lange geschlafen.
Sie haben sich die Eröffnung
der Olympischen Spiele in Tokio angeschaut.
Nicht um teilzunehmen an diesem Karneval
nach dem großen Unheil unter den Menschen.
Aber um für die Papiertauben,
die für den Frieden gefaltet wurden,
zu singen.
Juli 2021
Übersetzt von MW am 30. August 2021
Yi Sha VOGELRUF
Gott sagte, es werde Klang!
Und es war Klang,
und die Vögel sangen.
Mama Liu
lebt von Mindestsicherung,
sie kauft Kirschen,
nimmt eine nach der anderen in die Hand,
kauft 50g
Sonnenblumenkerne,
wählt jeden Kern
einzeln.
Sie streitet mit jemandem
ebenso gründlich,
stößt ein Wort
nach dem anderen
heraus.
Die junge Kassierin sagt,
seit Mama Lius
Sohn im Gefängnis ist,
ist seine Frau mit dem Enkel weg,
hat einen anderen geheiratet.
Onkel Liu ist
in den Fluss gesprungen.
Sie hat jetzt viel Zeit,
die kann sie sich
vertreiben.
Meine Welt ist klein.
Als ich klein war, so klein wie ein Dorf.
Als ich groß war, so groß wie eine Firma.
Als ich 45 war
ist meine Welt wieder kleiner geworden,
so klein wie ein Haus in einer Wohnanlage
im großen Südwesten.
Später ist meine Tochter groß geworden,
in meine Welt ist eine kleine mir unbekannte Insel
im Mittelmeer dazugekommen.
Von heute an
folgt meine Welt meiner Tochter,
steigt über ein anderes großes Meer,
ein mir unbekannter Ort kommt dazu,
der heißt Boston.
Am Anfang des Mondjahres,
vor dem Laternenfest
hat Vater einen Abend verwendet,
für sein neues Kassenbuch
die Rechnungen vom alten Jahr abzuschreiben,
dann hat er mich alles durchlesen lassen.
Ich hab immer etwas gefunden, das rausgerutscht ist.
Manchmal hat es übersehen,
manchmal
hat er gesagt,
dieser Mensch ist nicht mehr da,
dann hat er gleich
im alten Buch,
was der geschuldet hat,
eingekreist und gestrichen.
meine mutter hat uns mit einem obststand durchgebracht.
sie sagt mir nichts, zeigt mir nur,
wie sie mit dem blitzenden messer
schlechte und faule stellen, narben
rausschneidet,
das süße fruchtfleisch freilegt.
1998 war ich im Filmstudio Peking Statist,
es war große Oper.
Zwei Tage, zwei Nächte,
dreitausend Statisten mit dem Rücken zur Kamera
klettern auf den Berg des Glücks.
Im Millieniumsjahr,
auf einmal ein Anruf von meiner Mama:
Sohn, ich hab dich im Fernsehen gesehen!
Mama, wie hast Du meinen Hinterkopf rauserkannt?
Ich bin deine Mama,
deinen Quadratschädel kenn ich auch unter
drei Millionen Hinterköpfen!
Übersetzt von MW im August 2021
Liu Buwei, geb. 1969 in Anshan, Provinz Liaoning. Lebt in Hohhot.《新诗典》小档案:刘不伟,本名刘伟,诗人,1969年出生于辽宁鞍山,祖籍辽宁辽阳,现居呼和浩特。
Im Erdgeschoß vom Supermarkt
sind nur lauter Sachen für kleine Kinder.
Eine alte Tante mit schwarzen Haaren nimmt ein kleines Röckchen,
sagt zu ihrem weißhaarigen Partner:
kauf mir das Prinzessinnenkleid,
ich bin auch eine kleine Prinzessin.
Noch im alten Jahr
ist unsere Mama mit einem Schlag
ins Spital. Sie gibt bald den Geist auf,
hab ich mir gesagt. Könnt ich statt ihr
leiden! Ich möcht, dass sie Frieden hat.
Am 28. vor dem Mondneujahr
hab ich einen Schlaganfall,
muss ins Spital.
Am Neujahrstag
kommt die gute Nachricht
aus der alten Viererbande auf WeChat:
die Mama hats überstanden,
sie ist 87, das war eine Schwelle.
Aber später sagt mir meine kleine Schwester,
die Krankenpflegerin hat vor meiner Mama
gesagt, dass ich auch einen Schlag hab.
Dann ist es ihr wieder schlechter gegangen,
am Zwanzigsten des zweiten Monats
ist meine Mutter gestorben.
Mich haben sie am selben Tag
aus dem Spital entlassen.
wolken haben
ein flüchtiges leben
wolken schweben
schweigend im himmel
manche können noch traurig sein
lärm machen wenn sie runter fallen
manche lösen sich gleich wieder auf
als hätt es sie nie auf der welt gegeben
Übersetzt von MW um August 2021
Zhou Xian, geb. in den 1960ern. Vater von Xiao Ye. Studierte Chinesisch an der Universität Sichuan, lernte ein Jahr bei Prof. Qian Liqun an der Peking-Universität. Unterrichtet an einer Hochschule. Publiziert Gedichte online am liebsten bei Yi Shas NPC.
Die Schauspieler sind längst gegangen.
Die Produzenten sind längst gegangen.
Die Kameraleute sind längst gegangen.
Die bildende Kunst ist längst gegangen.
Die Cutter sind weg.
Die Beleuchtung ist weg.
Die Special Effects sind gegangen.
Die Musik ist grad weg,
der Sound Engineer am Mischpult
wird grad verabschiedet.
Als Letzter
kriech ich lahm zur Leinwand
und geb ihr mühsam
für jeden Film
einen von Rotz und Tränen verschmierten
einsamen Kuss.
Ich, jetzt, sechs in der Früh, beweg mich im Wasser wie eine Welle.
Davor hat sich mein Wagen bewegt wie eine Welle auf der leeren Straße.
Danach bewegt sich meine Figur wie eine Welle im Büro, im Sitzungsraum, Akten, Bestätigungen, Handybildschirm, Computerschirm, Anzeigeschirm…
Dazwischen nach dem Mittagessen am Fluss, Gras, Laub, Schiffe, Frachter, Tuten, Vogelrufe, Möwen, Klappbrücke, die Brücke nach Anzang in Bau, das Zittern im Wasser unter den Pfeilern, deine Augen starren auf die Striche im Wasser, Wellenbewegungen…
Ganz davor schwimm ich wie eine Kaulquappe, mach Wellen in Mamas Bauch.
Ganz danach beweg ich mich in Wellen in der durchsichtigen Luft.
Austrian poet Martin Winter
speaks eight different languages
(his wife Jackie speaks seven),
he is Translator Overlord.
I translate him English to Chinese,
striving to make his Chinese edition
even more poetic.
Today I discover
in the manuscript
of English poems he gave me,
there is one in Danish!
Danish knows me,
though I don’t know Danish.
Seems like he also thinks I am
Translator Overlord.
8/7/18
Translated by Martin Winter, 2021
Translator’s note: Actually she speaks in more tongues!
From childhood on
there was a dragonfly
going round in my brain:
three-dimensions,
beautiful
like a glittering
translucent blade of grass,
flying and flying
all the way
till I grew up.
Entering my middle age,
I began to worry,
that thing must be my fate,
why hasn’t it flown
out of my head?
2017
Translated by MW in 2021
Yi Sha THOUSAND-YEAR-RAIN
I come back from Japan
to a downpour in Chang’an,
finally got to use the umbrella
I hadn’t needed for the whole trip.
From under there
I size up the clouds
racing over the city,
it’s the same sky
the Tang dynasty envoy
must have spied
under his bamboo hat.
2018
Translated by MW in 2021
Yi Sha SANCTUARY
It has snowed hard all day, now it suddenly stops. At the end it snows while the sun is shining. Colored clouds are floating, until dusk finally falls, all over this deserted intersection in Space City …
The three of us are walking over the zebra crossing.
Five or six little restaurants along the road, not one person inside.
Maybe it is the snow, our son chooses northeast cuisine from the home of the winter, a steaming welcome.
“Into such a deserted restaurant, there comes a frustrated man, this is the begin of a movie, a movie with Ken Takakura. He orders rice wine, pork liver fried rice, and a few sticks of grilled meat. The landlady says, now that’s a real man, he can eat! And that’s how the story begins …”, I say to my son the film student.
This evening he eats a lot. My wife eats very little.
This night, because of the snow, we are stuck at our new apartment. It is the base I have prepared for my writing in my old age – my last sanctuary.
2018
Translated by MW in 2021
Yi Sha LONELY ISLAND
One year, the poet Shen Haobo and I came to a lonely island. We met a university student, a genius in expressing himself in colloquial language …
I predicted: He will become a good poet.
Xiaobo didn’t agree, said he loved money too much.
Both our predictions came true.
He went on to write very well, you can even say, not bad at all.
But his writing was short-lived, gone very fast.
2018
Translated by MW in 2021
Yi Sha COOL PROF
In times of yearning for classical learning, the poet teaches the nation.
In times of romance, the poet is a rebellious prince in self-exile.
In modernist times, the poet is the cultural elite, a detached philosopher.
In neo-modernist times, the poet doesn’t look like a poet, but like a next-door uncle.
This is how the image of the poet develops through history, it’s how the role of the poet changes as civilization moves forward.
For this here above, I award myself 100 points, you won’t hear this in a university lecture anywhere in China.
If you don’t take this down it’s your loss! Because I won’t say this twice, we don’t have time for it either.
Class dismissed!
2018
Translated by MW in 2021
Yi Sha LONELY FIGURE
The way I am going to think of Cambodia,
a lonely guy who has lost his whole family,
with broken teeth and a false leg,
who totters ahead to no-one knows where,
at least his future cannot get worse.
2019
Translated by MW in 2021
Yi Sha ARCTIC
The first
“Eskimo” kid,
who rode in a white man’s airplane, said:
“I have sat in the soul of a raven.”
liebe freundinnen und freunde, liebe leute, liebe sternchen und stars, liebe familie ;),
hier unten ist ein text. bitte weiterverbreiten, wenn ihr wollt. und oder sagt mir was euch einfaellt. wies euch geht. bin neugierig!
gestern hab ich endlich mein buch aus china bekommen. 2020 im herbst erschienen, die buecher gibts dort in buchhandlungen und online, bis mai 2021 haben sich nachweislich ueber fuenfhundert stueck verkauft. das ist wenig dort, aber immerhin, von wien aus gesehen. oesterreichische kunst und kultur. Uebersetzt von Yi Sha 伊沙 und Lao G 老G.
mein chinesisches handy hat keine umlaute, sorry. oder ich bin inkompetent oder beides 🙂
oesterreichische kunst und kultur, also z.b. auch ein gedicht für den toten vierzehnjährigen florian p., den ein polizist in den rücken geschossen hat, als der bub etwas stehlen wollte in einem supermarkt. dieser text ist drinnen, ebenso wie andere aus beijing, die auch kritisch sind. es ist ein gutes buch. (dieser absatz ist ein nachtrag mit umlauten 🙂
der chinesische zoll hat mehrere mal diese chinesischen buecher aus china nicht durchgelassen. aber diesmal war es sehr schnell, nur zehn tage oder so. xiron heisst der verlag, xiron poetry club 磨铁读诗会 ist die reihe, begruendet von Shen Haobo 沈浩波. sichuan wenyi 四川文艺出版社 ist der verlag der die isbn bereitgestellt hat. es gibt ja keine privaten verlage in china. jedenfalls duerfen nur organisationen der provinzen des staates etc. isbns erhalten, die verkaufen sie dann weiter. sichuan wenyi, da faellt mir ein, wenyi kann auch seuche sein, mit anderen zeichen. wenyi im sinn von kunst und kultur in diesem fall selbstverstaendlich.
FINALLY WE HAVE SNOW heisst das Buch, auf Chinesisch 最终我们赢得了雪. eine zitrone. a lemon also kein superhit vorlaeufig vielleicht. auf dem umschlag ist eine zitrone. sollte eine scheibe sein. ist es ja, ist ja ein bild. a slice of lemon a slice of tangerine a ginger cake finally we have snow ein stueck zitrone ein stueck mandarine ein ingwerkuchen endlich haben wir schnee. das ist das titelgedicht.
manche texte im buch sind in beijing entstanden, manche in wien, viele an vielen anderen orten. manche sind sehr kritisch. manche haben absichtlich oder unabsichtlich etwas beruehrt oder erwaehnt, was dann nicht gedruckt werden durfte. die meisten dieser texte spielen nicht in china. es sind nicht so viele. aber es gibt ein eigenes kleines extra-buch dafuer im verlag fabrik.transit, auch letztes jahr erschienen.
im maerz ist ja auch hier in oesterreich ein buch mit gedichten herausgekommen, auf chinesisch und deutsch. BRETT VOLLER NAEGEL 布满钉子的木板子, NPC-Anthologie. neue poesie aus china. 1.Band A-J, 81 Autorinnen und Autoren, mit Sternchen und Stars.
Dieses zweite Buch habe ich uebersetzt, herausgegeben haben es Juliane Adler und ich. Wird fortgesetzt!
fabrik.transit heisst der verlag, www.fabriktransit.net
das buch ist natuerlich auch vom chinesischen zoll abgefangen worden, obwohl keine dissidentinnen und dissidenten dabei sind, nur sternchen und stars, wie gesagt. ein oder zwei sind durchgekommen. aber es wird gehen.
liebe gruesse
euer
martin
(usw)
GESPRAECHE
ich bin jeden tag im gespraech mit china
mein china ist ein dichter kreis
oder ein loser kreis
von gewinnern
von verlierern
von leuten die gedichte schreiben
von freunden
bekannten
unbekannten
das sind die meisten
leute die schreiben
lesen
schuften manchmal
hoffentlich keine schufte
aber faschisten
aber vorsitzende
europaeische sowjetische asiatische ehemals jugoslawische usw
ihre verteidiger mittelfeldspieler
stuermer
die haben alle gedichte geschrieben
jedenfalls viele
frauen eher weniger
oder gibts solche schuftinnen?
was weiss ich
ich bin jeden tag im gespraech
mit meiner sprache
mit unseren sprachen
Am Straßenrand,
auf den Gehsteigkanten,
in den Wohnhausanlagen,
dort wo ein Schachstand ist, ein Schachtisch,
werd ich immer langsam,
such nach Vaters Figur,
weil er ja Schach liebt,
obwohl
er vor 17 Jahren von uns gegangen ist.
Vom Berg oben seh ich,
Straßenlichter sind Goldfische,
die durch die Nacht
schwimmen.
Im dunklen Aquarium
funkelt
ein Schwarm.
In der Nacht
seh ich im Glas des Aquariums
am andern Ufer den Schatten des Fuji.
Goldfische schwimmen
im dunklen Meer.
Goldfische schwimmen
zum anderen Ufer zu Dir.
Izukogen, März 2021
Übersetzt von MW im Juli 2021
Miyuki Kawasaki, Sprach- und Literaturwissenschaftlerin, Dichterin. Lebte viele Jahre in Shanghai, schreibt auf Japanisch und Chinesisch. 《新诗典》小档案:河崎深雪(河崎みゆき)日本人。女,文学博士。诗人。诗歌作品《武汉的樱花》和《一行诗》入选《新世纪诗典》。诗歌作品登载于《香港文学》等。日本语性别语言学会评议员,日本社会语言科学杂志编委。曾在上海交通大学日语系任教,现在日本,国学院大学研究生院任教。出版物有中文著作《汉语角色语言研究》2017年商务印书馆。在日本杂志上写过《在上海的诗人》等文章。
Ich bin zurückgefahren zum Begräbnis,
da hab ich noch nicht gewusst, dass es im Dorf
möglich ist, Verstorbene im Eiswasser-Kristallsarg
zu sehen. Aber niemand ist hinter den Opferaltar
gegangen und hat die Tante im Kühlsarg besucht,
nicht einmal ihre Kinder.
Ich bin hingegangen,
bin lange bei der Tante gestanden,
mir sind die Tränen heruntergeronnen.
Ihre Kinder haben sich gewundert,
haben fast gefragt:
wieso trauerst du mehr als wir?
Sie kommen nie darauf, als ich klein war,
und Mama war nicht da,
ich hab die Milch von der Tante getrunken.
Bevor sie gewählt wurde
hab ich sie gefragt, erinnerst du dich
wie vielen Patienten hast du von deinem eigenen Geld Essen gekauft
wie viele Feiertage hast du im Krankenhaus verbracht
wie oft haben sie dich in der Nacht zurück gerufen
wie oft hast du auf dem Weg in den Urlaub
auf dem Weg zum Familientreffen
den Anruf gekriegt, dass du sofort zurück musst
Sie hat nicht überlegt,
nur scharf gesagt
wenn ich satt bin
was soll ich mich erinnern
ich hab gelacht,
du weißt sicher nur dass dein ex-freund
angst gehabt hat dich zu küssen
du hast ihn beatmet wie einen notfall
Sie sagt
das geht noch
ich war selber schuld, war zu jung
in meinem kopf waren lauter patienten
wenn ich von einem mann sein ding gesehen hab
hab ich gedacht er kann nicht pissen
ich muss einen katheder legen
Auf der Staudammbaustelle
sagt der Chefkoch,
wenn ich ihm eine Armeekappe
borge,
dann trägt er für mich jeden Tag
zehn Punkte ein für volle Arbeit.
Die Versuchung war zu groß.
Ich konnt nicht widerstehen,
mein Onkel hat Verwandte besucht
und hat seine Kappe dagelassen,
die hab ich hergeborgt.
Und so
hab ich die ganzen Sommerferien
mit einer Armeekappe
mühelos geerntet,
ohne zu säen.
Im letzten Sommer
hat sich meine Mutter den rechten Fuß gebrochen.
Ich war Tag und Nacht bei ihr im Krankenhaus.
Das erste Mal beim Urinieren
zieh ich ihr grad die Hose aus,
sie hält sie sich gleich mit der rechten Hand
wieder fest.
Ich sag, Mama,
du hast mich geboren,
wovor hast du Angst?
Dann erst lässt sie langsam die Hand los,
aber sie schämt sich,
legt sich hin, macht die Augen zu.
Vor vier Jahren
in derselben Jahreszeit
hat sie sich den linken Arm gebrochen.
Ich helf ihr duschen im Bad bei ihrem Krankenzimmer,
sie hält sich auf einmal die Brust zu mit der rechten Hand.
Ich sag, Mama,
da hab ich getrunken und bin groß geworden,
wovor hast du Angst?
Dann erst lässt sie langsam die Hand aus,
dreht sich auf einmal um
und drückt mich mit der rechten Hand,
legt ihren Kopf auf meine Brust.
In der Minute muss ich weinen.
Von da an, diese Szene dort in der Enge,
bleibt mir im Herzen immer
ein Denkmal.
2021-05-09, Muttertag am Vormittag in Jiangyou
Übersetzt von MW am 1. Juli 2021
Ein japanischer Soldat
hat einen Kohlenzug requiriert.
Er liegt auf der Lokomotive
mit einem schweren Maschinengewehr,
kreuz und quer durch die Zentralebene,
als wär das Land menschenleer.
Ein Freund arbeitet in der Akademie für Chinesische Medizin,
das ist wo Tu Youyou
arbeitet.
Ich bitt meinen Freund wenn er sie trifft,
dass er mir ein Autogramm verschafft.
Aber über ein Jahr ist vergangen
und er hat sie nicht getroffen.
Ich hab gesagt, vielleicht hast du sie gesehen,
nur nicht erkannt.
Mein Freund sagt, unmöglich!
Wenn sie jemand im Lift trifft,
egal wer,
der verbeugt sich vor ihr.
Vater war über dreißig,
bei der Arbeit am Feld
hat die Siebente Oma aus Großberg gesagt:
Ich hab letzte Nacht nicht gut geschlafen.
ein paar Geister haben die ganze Zeit mit mir geredet.
Vater hat geantwortet:
Du bist so taub, dass Du den Donner nicht hörst,
wie kannst Du hören, was Geister sagen?
Weißhautkartoffeln Nordostkartoffeln Rote Kartoffeln Kürbiskartoffeln Lila Kartoffeln
Gedörrte Süßkartoffeln Süßkartoffelgelee Süßkartoffelbonbons Süßkartoffelnudeln Süßkartoffelbällchen Süßkartoffelsuppe
Gegrillte Süßkartoffeln gedämpfte Süßkartoffeln gekochte Süßkatoffeln gebratene Süßkartoffeln Süßkartoffel-Pommes Frites
Eine Süßkartoffel in der Schultasche,
auf dem Heimweg am Dorf-Süßkartoffelfeld wenn kein Mensch da ist eine stehlen
und sie daheim dann mit ein paar anderen aufhängen am Kopfende von meinem Bett
Die Süßkartoffeln wo schon der Zucker rauskommt sind die allerbesten Süßkartoffeln
Mein Magen war in meiner Jugend nur lauter Süßkartoffeln
Ich war klein.
Eines Tags hat es groß geschneit.
Ich hab draußen vor der Tür
einen Schneemann gebaut,
mit schwarzen Knöpfen
als Augen.
Am nächsten Tag in der Früh
bemerk ich ein Knopf ist weg,
als wär er ganz von selbst fortgeflogen.
Ich will grad rufen „Einäugiger Schneemann!“,
hab noch nicht „ein“ gesagt,
da halt ich mir schon
den Mund zu.
Denn neben mir
steht
groß und ernst
mein einäugiger Vater.
Es ist kein Tag zum Gräberbesuch,
am Friedhof sind nicht viele lebende Leute.
Niemand kommt wie ich mit leeren Händen,
hebt ein Gingkoblatt vom Boden auf
um eines Freundes zu gedenken.
Auf dem Grabstein ist sein Foto eingefasst,
da ist Zhang Baji in besten Jahren.
Baji war technisch auf höchstem Niveau.
Gib ihm ein Bruchstück von einem Zahnrad,
er findet ein neues, das passt.
Was nützt ihm das, gar nichts.
Tüchtige, untüchtige, alle hat man nach Haus geschickt,
die Fabrik geschlossen,
den Boden verscherbelt.
Essen, essen, schlafen, schlafen noch ein paar Jahre,
dann ist er hier eingezogen.
Zhang Baji,
du lebst jetzt drinnen in meiner Brust.
Eher links, nu, hier.
Ich verstreu ein paar Gingkoblätter,
zum Beispiel als Schild, dort oben
steht nämlich gar nichts.
Auf den Steinen sind nur große Namen.
Vielleicht hat sie ihren ein paar Mal verwendet,
ich weiß nur, alle nannten sie Fähige Zhou,
eine fähige Hand, ihre Füße waren entscheidend,
acht Stunden war sie auf ihren Füßen,
Webstühle kontrollieren, wer weiß wieviele Schritte sie geht
in ihrem Leben, wieviele Enden sie zusammendreht.
Das Große Shanghai braucht keine Baumwollfabriken mehr,
Webstühle zerbrochen,
Fabriken abgerissen.
Sie kehrt zurück ins Neue Baumwolldorf,
geht gar nicht mehr vor die Tür.
Auf dem Foto, ein armes Kindergesicht,
zwinkert und lacht.
Zhou Nengshou, fähige Zhou,
du lebst jetzt in meinen Rippen.
Rechte Seite, nu, hier.
Ich verstreu ein paar Gingkoblätter.
Kein einziges Zeichen bleibt über dich.
Was soll ich dir sagen!
Alles wär nicht genug.
Noch jemand, ein trotziges Gesicht.
Xiao Jiangbei von der Schiffswerft,
er baut auf dem Ofen ein hohes Gerüst,
ein Ruck mit der Zange, glühend rote Nieten
fahren zischend in Stahlplatten und in die kleinen Löcher am Kiel,
dann schwingt der große Hammer gleich nach.
Diese Arbeit, die gibt es nicht mehr.
Xiao Jiangbei, das war seine Spezialität,
Umschulung zahlt sich auch nicht mehr aus,
Wanderarbeiter sind billiger.
Er kann nur daheim mit zwei Walnüssen spielen,
im Traum schlägt und tritt er noch.
Xiao Jiangbei,
du wohnst jetzt in meinem Kopf auf der linken Seite,
nu, hier.
Die andere Seite bleibt für den ältesten Wang.
Er war der beste Maurer unter dem Himmel.
Die jetzigen Hochhäuser, warum
sind das nur lauter Glaspaläste?
Richtige Mauern und Fassaden,
die kriegen sie gar nicht mehr zusammen.
Zum Beispiel die Häuser am Bund in Shanghai,
die kriegen sie nicht mehr zusammen.
Tüchtige Maurer, gibts nicht mehr.
Wang Laoda ist nicht mehr da.
Du hast dich gemeldet beim Krematorium
jetzt lebst du in meiner rechten Kopfhälfte,
nu, hier.
Lauter Gingkoblätter, ein goldener Boden.
Wenn der Wind kommt, werdens gleich komische Zeichen.
Zurückgestellt, in Reserve, abgebaut,
potentielle Arbeitskraft, wieder einzugliedern, Plan 4050:
Frauen ab 40, Männer ab 50,
in Rente gehen, von der Wirtschaft in die Gesellschaft,
sozalisierte Menschen, ehrenwerte verdammte Gesellschaft,
früher hieß das Kandidaten fürs Arbeitslager.
Einen Ausdruck hasse ich am meisten,
das heißt, gesunden Leuten die Hand abhacken.
Warum hackst du nicht einfach deine eigene Hand ab,
was machst du mit meiner Hand?
Zhang Baji,
Zhou Nengshou,
Xiao Jiangbei,
Staub zu Staub,
Erde zu Erde.
Sie wohnen alle in meinem Körper,
in meinen Knochen,
im Blut,
in meinem Atem.
Mein Körper ist jetzt ihr Grab.
Sie können nichts sagen,
aber ich darf nicht schimpfen?
Eine Handvoll Gingkoblätter,
der Freunde gedenken.
Es ist kein Tag zum Gräberbesuch,
am Friedhof sind nicht viele lebende Leute.
Niemand kommt wie ich, mit leeren Händen,
greift in die Luft, als wollt er jemanden würgen.
ich mach das bambusblatt auf
krieg keinen bissen runter
ich fühl mich wie diese klebrigen reiskörner
fest eingepackt gedämpft
dass die die satt werden
es gut vertragen
werden sie jahr für jahr
rechtzeitig verschlungen
Eine Freundin
hat mir
eine Gesamtausgabe
von Lu Xuns Werken geschenkt.
Schön gebunden,
ich war sehr froh.
Es war das erste Mal,
dass mir ein weibliches Wesen
Schriftwerke verehrt hat.
Später hab ich erfahren,
dass sie die gleiche Ausgabe
auch einem anderen Freund geschenkt hat.
Da wars mir dann
nicht mehr so kostbar.
Und ich hab mir gedacht,
wahrscheinlich war das Geschenk
zum Ausgleich,
weil ich damals
mit ihr Essen einkaufen war
und für uns beide bezahlt hab.
Nachher hat sie mir gesagt,
sie hat fünf Gesamtausgaben
an fünf Freunde verschenkt.
Dann hat sie mir ernsthaft erklärt,
„Mir fehlt es nicht an Männern.“
Die alte Tante vom Westen im Dorf
ist groß und stark wie ein Pferd.
Ihr Spitzname ist „Fette Heuschrecke“.
Erwachsene Leute sagen,
zum Gräbertag im Hungerjahr
war sie beim Grab von der grad verstorbenen Oma.
Der ganze Friedhof war totenstill,
sogar der Wind war kraftlos vor Hunger.
Nur sie
hat geheult, dass es Himmel und Erde schreckt,
„Aii ah, meine Mama —
iih, eine fette Heuschrecke da!“
Den zweiten Satz hat sie gesagt,
nachdem sie dreimal gekreist ist ums Grab
bis sie eine Heuschrecke erwischt hat.
Andere Leute zwischen den Gräbern
wollten lachen
und haben doch nicht gelacht.
In der Volksschule
hab ich ein Formular ausgefüllt.
Bei Zhuang Cun, Norddorf.
In der Mittelschule hab ich geschrieben
Gemeinde Ulmenwald, Norddorf,
auf Chinesich Yulin xiang, Bei Zhuang cun.
Als ich in der Stadt war, hab ich geschrieben,
Kreis Xiangyuan, Gemeinde Ulmenwald.
Von der Provinz aus hab ich geschrieben
Stadt Changzhi, Kreis Xiangyuan.
Heute würde ich schreiben,
Provinz Shanxi, Kreis Xiangyuan.
Nach dem Ausfüllen
würd ich manchmal
im Herzen
innehalten, ein paar Sekunden,
und „Norddorf“ denken.
In der Pandemiezeit hab ich was nachgeholt,
die Fernsehserie “Zaun, Frau und Hund“.
Da gibt es den alten Mao Yuan,
der tätschelt seinen Hennen den Hintern
und sagt, heute werden sechs Eier gelegt.
Er hat das Gefühl und die Erfahrung.
Meine Oma hat es genau so gemacht.
Wie viele Eier die Hennen jeden Tag legen,
sie hat es gewusst.
Wenn die Eier mehr waren,
hat sie gewusst, die kommen vom Nachbarn,
da hat die Henne ins falsche Nest gelegt.
Dann ist sie getrippelt mit kleinen Füßen
und hat das Ei hingebracht.
I dreamt they had grabbed Juliane.
She has edited many books,
I have done books together with her.
Why would they arrest an art book editor?
She was born in the 1950s,
grew up in East Germany, the GDR.
Later in Vienna she worked in museums
so she could make her own art at home.
Why arrest her? For what?
I am not sure if we were in Vienna.
Anyway the language was probably German.
I arrived at the scene in the street,
the police was dragging her
to her former workplace.
A very strange kind of workshop.
I was very surprised.
But the police was sure she belonged there.
We walked on the streets all the way,
her glasses hanging at the side of her mouth.
I didn’t dare to help her.
Normally she doesn’t wear glasses.
I kept thinking,
hopefully something clears up once we get there.
MW June 2021
Originally written in Chinese on June 5, 2021
Grafik von Juliane Adler
TRAUM VON JULIANES VERHAFTUNG
Hab geträumt, sie haben Juliane verhaftet.
Aufschreiben ging dann zuerst mit Chinesisch.
Sie ist ja Herausgeberin von Yi Sha und NPC.
Aber warum haben sie Juliane geschnappt?
Sie ist in den 50er Jahren geboren,
aufgewachsen in der DDR.
In Wien hat sie in Museen gearbeitet
und ihre eigene Kunst gemacht.
Wozu wird sie verhaftet?
Weiß nicht genau, wo der Traum spielt.
Sprache ist wahrscheinlich Deutsch.
Ich komm gerade dazu,
als die Polizei sie unbedingt
zu ihrer früheren Arbeitsstelle bringen will.
Irgendeine völlig absurde Werkstatt.
Dort soll sie wirklich gearbeitet haben?
Die Polizei ist sich vollkommen sicher.
Das Ganze zu Fuß, es ist ziemlich weit.
Auf dem ganzen Weg
hängt ihre Brille aus ihrem Mund.
Ich trau mich nicht, ihr zu helfen.
In Wirklichkeit trägt sie keine Brille.
Ich kann nur mitgehen und denk mir,
hoffentlich klärt sich am Ende was auf.
MW Juni 2021, übersetzt aus der chinesischen Fassung.
Fenstertag,
heute war Schule,
jedenfalls in Leos Schule.
Nächstes Schuljahr
gibt’s nicht mehr,
die Bildungsdirektion
der Stadt Wien,
der Stadtschulrat,
sagt, es gibt kein Geld
vom Ministerium,
um denen, die es brauchen,
noch Schule zu geben.
Das betrifft uns.
Und noch ein paar Eltern
und Kinder, Jugendliche.
Und Friederike Mayröcker
ist gestorben.
Und heute ist 4. Juni,
Gedenktag für 1989 in China,
nur nicht offiziell halt.
Offiziell hat der junge Oberdissident
von Belarus
alles zugegeben,
im Fernsehen.
Der Geburtstag meines Vaters
an den ich mich am besten erinnere
ist der 5. 8. 1990, er war 55.
Am Anfang der Ferien ging ich nach Beijing,
Kommilitonen wie Xu Jiang und Sang Ke
haben an unserer Uni ein Zimmer gemietet.
Ich hab mit ihnen zwei Poesie-Wochen verbracht,
(wir wollten unsere Uni-Zeit einfangen,
die gerade erst vorbei war).
Ich bin genau an dem Tag zurück gekommen,
um Vaters Geburtstag zu feiern.
Damals war die Alte G noch meine Freundin,
und meine Mutter war noch gesund.
Was sie gekocht hat,
hab ich in diesem Leben
am liebsten gegessen.
Beim Essen hat sie so unendlich froh
zu mir hingeschaut,
als ob die ganze Welt mich verwöhnt,
so wie die Alte G jetzt unsern Sohn anschaut.
der geburtstag von meinem vater
den ich überhaupt nicht vergessen kann
das war am 5.8. 1990
mein vater war 55
ich war in den ferien nach Beijing gefahren
zu xu jiang, sangke und anderen von unserem jahrgang
wir haben ein studentenheimzimmer besetzt
an unserer pädagogischen hochschule
ein dichtertreffen zwei wochen lang
dann bin ich zum vatergeburtstag zurück
damals war meine frau nur meine freundin
meine mutter war noch gesund
was sie gekocht hat war das allerbeste
was ich jemals gegessen hab
während des essens hat sie mich so angeschaut
als ob die ganze welt mich verwöhnen will
so wie meine frau jetzt unsern sohn
Die Sonne strahlt,
die Vögel singen.
Mutter sagt,
ich war den ganzen Winter im Bett!
Er ist auch schon 70,
weiß genau, wovon sie redet.
Mit der Hand durch den Raps fahren im Wind,
Weizensprossen sehen im Feld,
die Erde riechen.
Also nimmt er sie auf den Rücken,
genau wie sie ihn, als er klein war,
so gehen sie hinaus.
Übersetzt von MW im Mai 2021
Yuancun Zhizi, Künstlername von Liu Changqian. Geb. in den 1970er Jahren im Kreis Feidong, Provinz Anhui. Mittelschullehrer auf dem Land, liest gerne, schreibt ein bisschen. Seit 2021 Mitglied der Aofu Poetry Society. 《新诗典》小档案:远村之子,本名刘昌前,男,70年出生,安徽省肥东县人,乡村中学教师,课余喜欢阅读,偶尔写一点。2021年元月加入傲夫诗社。
Wohin soll ich noch fliehen?
Dörfer sind keine Dörfer mehr, auch in den Bergen
kann man sich nicht verstecken. Kann nur hier warten,
Schafott oder sonst ein Schicksal. Der Zug
steht am Bahnsteig, die Leute schauen aus den Ritzen,
beneiden mich wahrscheinlich. Ich dagegen
beneide die flatternden Spatzen,
die Wolken, die reinen Asketen, die sich bald auflösen.
Weiß keinen Ausweg, dreh mich im Kreis,
denk mir das Ende ist mir ganz klar, aber dann
wein ich doch. Bin noch verwirrt,
über den Augen sitzen nur Weißkopfraben,
Köpfe am Stadttor, krah krah.
In der ersten Lebenshälfte
steigt das Wasser an,
die Flut steht jeden Tag höher,
du siehst dich mit fallenden Blüten im Spiegel,
von fahrenden Schiffen
fühlst du dich gezogen.
In der hinteren Lebenshälfte
geht das Wasser täglich zurück,
die Flut steht jeden Tag weniger hoch,
die Knochen, die Steine, aufrichtige Worte
werden wie Pflastersteine
nacheinander recht deutlich.
Ein alter Dichter
vermachte zu Lebzeiten seine Sachen
als es ihm noch ganz gut ging
dem Museum moderner Literatur
um rechtzeitig
einen herausragenden
Platz zu erhaschen.
Meine Uroma
hat sechs Kinder geboren.
Bei jedem hat sie im Tempel
100 Teigtaschen geopfert,
für die Kinder gebetet,
langes Leben, Gesundheit.
Uroma war Pächterin,
Getreide war knapp,
die Teigtaschen waren
in Daumengröße.
Den Gottheiten waren
die Teigtaschen vielleicht zu klein.
Von den Kindern
ist eines 18 geworden,
das kleinste nur 6,
sie sind alle gestorben,
nur eines von ihnen
ist alt geworden,
meine Oma.
Nachdem Vater von uns gegangen ist,
nicht einmal zwei Jahre später ist Mama gegangen.
Beim Aufräumen von ihren Sachen,
im Kleiderkasten
entdeck ich eine Flasche Schlafmittel,
eine volle Flasche.
Weiß nicht wie lange sie gebraucht hat
um so viel zusammen zu kriegen.
Wär ich nur die paar Jahre
bei ihr eingezogen,
hätt ich bei ihr gewohnt,
vielleicht
wär sie jetzt noch da.
Elderly people
live in the white house.
They have not come outside.
Trees grow on the hill,
black carp swim in the pond.
From the white house on lush green grounds,
odd-looking elderly people near the end of their lives
walk out at night, holding on to each other.
Under the stars
they curse me
and the green trees
and the frolicking fish.
Feuer machen und Wasser kochen,
seit Opa am Feld nicht mehr arbeiten kann
macht er das jeden Tag.
Auch im Sommer,
der große Herd auf dem Hof
muss ordentlich brennen,
dann sitzt er am Tor, wo es kühl ist.
Ich frage Opa,
so ein heißer Tag,
wieso machst Du Feuer?
Opa lacht und sagt,
er ist es gewohnt.
Zwei Mäuse, zwei Ratten!
Eine auf der Kommode,
eine unter der Kommode.
Sie schauen vom Fell her
beide nicht gut aus,
wie nass vom Regen,
oder sie haben
was Schlechtes gefressen.
Hocken da, rennen nicht weg.
Hab noch nie eine totgeschlagen,
aber
dieses Mal,
die schaut krank aus,
fürchte, die wird nicht entkommen.
Nehm einen Stock,
erwisch die eine,
jag die andere,
aber
die kanns noch,
kann immer ausweichen.
Ich schlag mich ganz wach,
aber sie krieg ich nicht.
0 Uhr,
Feuerwerk prasselt von weitem
wie kochende Suppe,
Abschiedsfeier
der Ratte.
Die Wohnstätte des Dichters Lu Xun,
an einem bedeckten Tag.
Ich betrete den Hof.
Um zu verstehen,
wo unser Lehrer der Moderne geschlafen hat,
frag ich einen Wächter:
„Wohin ist Süden?“
„Sag ich Ihnen nicht!“
„Wieso?“
„Ich bin Wächter, kein Führer!“
„Ich frag Sie ja nur
nach der Richtung!“
Der Wächter zeigt in eine Richtung:
„Ich sag Ihnen nur,
dort geht die Sonne auf!“
Meine Tochter und ich, wir stehen im Wind an der Station. Sie nimmt meine Hand, führt sie an ihre Nase, reibt hin und her, legt ihren Kopf schräg, sagt: „Du hast etwas von Omi geborgt.“ „Was hab ich geborgt?“ „Den Knoblauch, nach dem ihre Hand riecht.“ Ich streichle sie am Kopf. „Keine Sorge, wenn Omi zu uns kommt zum Frühlingsfest, geb ich ihr das zurück.“
Meine große Schwester und ihr Mann
kommen nach Chongqing zurück auf Besuch.
Bevor sie wieder abreisen, machen wir
zum ersten Mal mit Vater und Mutter
ein „offizielles“ Familienphoto.
Bei genauer Betrachtung fällt mir auf,
im Lächeln von Vater kann man deutlich sehen,
dass er gerade erst operiert worden ist.
Der Mann neben meiner Schwester
ist auch nicht ihr erster.
Meine kleine Schwester und ich,
wir sind nacheinander wieder Single geworden.
Von meinen kleinen Brüdern trägt der große schon Altersgläser,
der ganz kleine hat ein Bein verloren.
Auf unserem Weg weiter ins Alter
weiß ich nicht, ob der Freund meiner Tochter
und die Freundin von meinem Neffen
schließlich am Ende mit uns gemeinsam
zur Familie gehören.
Every time I wash myself, I always pick up the comb and face the mirror, wanting to comb – all this hair I shaved off completely, working at home, cleaned off three hundred or thirty strains of pain, as the Buddha says.
He really doesn’t know anymore how to say it, the comb cannot abandon the head,
or the other way round.
The France I used to like has disappeared, Paris is thronged with people from places very far away from the outskirts of Gaul. The America I used to love has gone back into the movies. Many people who live there now are villains from fiction, Robert Penn Warren, William Styron, Faulkner and Steinbeck. Hemingway characters have been condensed into fairytales. And those bumpkins ridiculed by Thomas Wolfe, they would like to hold the world by its throat as a matter of course. I am thinking of Ellery Queen, Bogart, Jack Nicholson and all sorts of Pacino, standing between shadows and light, DeNiro people. I am not sure whether the lives described by the great Annie Proulx and Ring Lardner have really existed. If it really was like that, then Philip Roth and Salinger, those two masters, they didn’t have it any easier than Bernard Malamud or myself. The Britain I liked and also hated, the world of Dickens, Hardy, Emily Brontë, Evelyn Waugh, also the world of Guy Maddin. Chaplin and Hitchcock, they came from England, no matter if they thought of it as their grandmother‘s home or whatever, that kind of world is gone, no-one can go back to it. Italy, of Umberto Saba’s bitter poetry, of Tornatore’s splendor, Fellini’s ghosts and deities, a world has gone under but another world has not risen. Poor Barcelona, poor Spain, aside from Messi, what else can you make me think of? The bullets shot at Lorca? Thick smoke covers Cervantes and Unamuno. But you are singing, saying what does this have to do with you? As you go north, farther north, everywhere north in the world you’ll run into people drinking forever. They are crawling out of Ibsen, Hamsun, Dostoyevski’s White Nights, Crawling all the way till today until half of what Solzhenitsyn described is gone. I really don’t know if this is a good thing or not. Neither Tolstoy nor Maupassant nor the wisdom of Martin du Gard can advise me. Old Hesse stares into the distance with his Steppenwolf eyes and doesn’t speak. At this time everyone can understand a little why Stefan Zweig and Richard Strauss broke down. Bukowski didn’t care about any of this, he drank a bottle and went on writing. Pasternak screwed up his horse face and stared at a row of trees in the snow. Wandering souls drive their chariots, circling and circling, soundlessly crushing expectations and fear; crushing Nietzsche and Stephen Hawking, actually all of this can be seen to belong to Stephen King. But it’s ok, just be glad it’s still ok, food is eaten, television’s turned on. Ineffective dreams are about to start, about to start again. You will wake up, we will wake up, from utter sadness, wake up to enter indefinite nights, poisoned days. Yes, everything definitely indefinite. Let us clear away this forest, let us see the distance in the past. Not so we can see the past, but so we can see once more the distance we longed for.
Entering a compound, before the houses there is a big tree, they put a fence around it and installed a sign: Old mulberry tree, 150 years. Not many branches with leaves any more. Holes in the trunk are filled out with concrete. 150 years, that means in 1870, this tree was born. It has witnessed some desintegration, war and unrest. But it has kept on living all the way until I happened to come by its side, so it could have this little biography for me to write.
I wrote this poem in response to photos of a lawyer in China, reunited with his family after years in detention. That was one year ago at the end of April. Liao Yiwu wrote a poem, and I wrote mine in response. I wrote the poem in Chinese and in German, later also in English. When I posted the Chinese version in China, many people thought the poem was about the end of the first Covid lockdown in Austria. That’s okay. Poetry is poetry. Freedom, let’s hope it is freedom. Heartfelt thanks to Farzaneh Dorri for the Persian translation!
Wang Zha had an iron-cast
body.
Tall and vigorous,
famous in the slaughterhouse
for his killing skills.
He could
face a yak
with one hand on each horn
and his knife between his teeth,
yanking his arms
to wrestle a big healthy yak
till it crashed to the ground.
Then with his right hand
he seized the knife from his mouth
and stabbed the yak through the heart.
He was worshipped
by those other butchers,
they needed three or four of them
to overpower
one yak.
On a still night with a bright moon,
Wang Zha went on with domestic violence,
then there was one shot from a rifle.
His lion-like roar
suddenly
ceased.
Er kommt frisch von der Uni,
hängt bei seinem Schreibtisch
ein Holzschnittporträt des Dichters Lu Xun auf.
Die Vizedirektorin
bemüht sich von Herzen,
belehrt ihn: Wir sind alle junge Menschen,
wenn, dann häng Wirtschaftsleute des Jahres,
wie kannst du deinen Opa
den ganzen Tag ausstellen?
Frau, Anfang 40, kriegt Krebs und stirbt. „Sie war wirklich ein guter Mensch, macht Sauerkraut für die ganze Anlage. Sogar der alte Wächter am Tor hat geweint.“ Nachbarn seufzen, „Gute Menschen haben kein langes Leben.“ Jemand, der eigentlich nicht religiös ist, sagt etwas gewunden, gute Menschen, die kommen zuerst ins Paradies des Buddha im Westen und habens dort besser.
Aua!
Meine Zunge!
Meine Zähne haben meine Zunge gebissen!
Muss sofort ins Krankenhaus!
Wenn ich jetzt nicht hinfahre,
wird meine Wunde
vielleicht schon verheilt sein.
In a bar in Beijing
I ask Mang Ke, if he‘s still writing.
He asks me back, openly,
are there any changes?
A few years later
when I was at that age
I didn’t write for a while,
and I was even proud,
even content.
Later Yi Sha went back
to editing and presenting poetry.
I knew I had to come forth,
to write something for NPC.
10 years have gone by,
to me it’s like yesterday.
NPC is the boat,
I have saved myself on it.
2021-03-06
Translated by MW in April 2021
Hou Ma LAGE
In Beijing in einem Lokal
frag ich Mang Ke, ob er noch schreibt.
Er fragt mich völlig gelassen zurück,
hat sich an der Lage etwas geändert?
Ein paar Jahre später
war ich auch in dem Alter
und hab eine Zeit nichts geschrieben,
und war sogar stolz
und hielt es für richtig.
Nachher hat Yi Sha wieder angefangen,
Gedichte zu suchen und zu präsentieren.
Ich hab gewusst, da muss ich hin,
für NPC schreiben.
Zehn Jahre sind verflossen,
es ist noch wie gestern.
NPC ist das Boot,
auf das ich mich gerettet hab.
Die koreanische Kirche
lässt einen nicht rauchen,
lässt einen nicht trinken.
Am Samstag kommt aus China
ein gut geeichter Herr.
Ich hab ihn bewirtet.
Am nächsten Tag zu Mittag
gehts in die Kirche zum Gottesdienst.
Ich komm rein, sing mit dem Chor,
der Lobpreis klingt wie Trauermusik,
ich fang an zu schnarchen.
Die Leute in meiner Bank
rütteln mich hin und her,
kriegen mich nicht wach.
Es geht nicht anders,
der Pfarrer kommt selbst vom Altar
bis an meine Seite
und schreit,
Herr Hong,
Station Paradies!
Ich blinzle ein bisschen,
frag den Herrn Pfarrer,
wieso seh ich dann Jesus nicht,
leg meinen Kopf auf die Schulter
der schönen Christin rechts neben mir
und schnarch weiter.
In einem Stück Wald
bemerk ich eine arge verborgene Seuche,
die kommt von einem Nagel
an einem Baum.
Dieser Nagel erscheint
wo keiner hingehört
und versucht die ganze Zeit
mit seinem Rost
den gesamten Wald zu entzünden.
2021-03-02
Übersetzt von MW im April 2021
Si Mian Lai Feng, eigtl. Long Jianfeng, geb. Ende 1960er Jahre, lebt in Gao’an, Provinz Jiangxi. 《新诗典》小档案:四面来峰,本名龙剑锋,上世纪六十年代末出生,现居江西高安,诗歌爱好者,近年来有诗在《磨铁读诗会》、《舌尖上的诗—中国口语诗年鉴(2019)》等平台或选本推发。
IM BILD – 江湖海 Jianghu Hai
10月 3, 2021Jianghu Hai
IM BILD
Auf einmal wisch ich auf eine Nachricht: Laos!
“am 29. 08. in Luang Prabang,
vier neue einheimische Infizierte. ”
Das sind Untertitel, im Bild: ein Mönch
legt Feuerholz nach. Der Sender der Nachricht
kommentiert auf Chinesisch:
“In den Tempeln werden nicht nur
mehr Verstorbene eingeäschert,
die Mönche und Nonnen kümmern sich um Waisenkinder,
sie helfen den Laien bei allen möglichen Sorgen.”
Ich erinnere mich an ein anderes Bild,
das hab ich in Luang Prabang
vor drei Jahren und acht Monaten selbst aufgenommen.
Es hat sich auch in mein Gedächtnis eingebrannt,
als etwas Heilsames:
Sechs junge Brüder in roten Roben,
ein schwarzer Hund, ein fremdes Mädchen in Dunkelblau
scharen sich um ein tanzendes Feuer.
Außerhalb dieses Rahmens sind noch im Bild dabei
ein Haufen Chinesen, das sind wir Dichter von NPC,
wir bringen Poesie. Heuer im Frühling aus China
sind Ärzte gekommen, mit Medikamenten, Masken und Impfungen.
1. September 2021
Übersetzt von MW am 3. Oktober 2021
《新诗典》小档案:江湖海,60后,湖南人,居广东。中国作协会员,新诗典诗人。1979年起发表诗歌、小说、散文、评论1000多首(篇)。出版个人专著20余部。作品入选100余种选本,被译为英、德、俄、法、日、韩等多种文字。获NPC李白诗歌奖金奖、亚洲诗人奖、深圳第一朗读者最佳诗人、广东有为文学奖诗歌奖、井秋峰诗歌奖年度大奖等多个奖项。
新世纪诗典11,NPC10月4日,3836首,1209人。第29个江湖海(广东)日
伊沙推荐:
整合之诗:将《新诗典》文化与当前疫年文化巧妙有效地整合在一起,令人感慨万千,疫情尚未完全控制,地球的未来莫测,我希望在未来我们想起这些出国的经历时不会说:那是《新诗典》的黄金时代。
况禹点评《新诗典》江湖海《画面》:三四年间,天地翻覆,无论是驴友,还是诗人,还是其他的人群,几乎关于生活的所有,人们都在从头适应,从头学起。剧变固然令人惆怅,但滔天疫情下,诗歌又何尝不是心灵之药呢。
黄开兵:那幅照片,我还有印象,画面很令人深刻!和平温暖,诗人诗歌;疫情死亡,医生药品……画面重叠间呈现出悲悯情怀。
Calligraphy by Huang Kaibing
黎雪梅读《新世纪诗典》之江湖海《画面》:但凡你去过某个地方,在那里留下了自己的脚印,无形中那个地方就与你有着千丝万缕的联系,那里的荣辱兴衰也会牵动着你的喜怒哀乐。诗人眼前视频中呈现的悲惨凄凉的疫情景象,与多年前狂欢美好的回忆形成鲜明的反差,令人油然而生淡淡的忧伤,两种画面的叠映中交织的是跨国之谊和诗人之情,还有隐隐作痛的担忧。巧妙的构思,情感的把控,以及文字产生的张力,都彰显出诗人卓越的诗写功力。诗的最后“今年开春之后/前往的是中国医生/他们带去药,口罩和疫苗”,我们看到的不仅是文化的输出,更有中国医生救死扶伤的人间大爱和国际主义精神,让人温暖又心安。
晏非跟读《新世纪诗典》|2021.10.3诗人江湖海《画面》
直到此刻,老挝的新冠疫情仍在持续蔓延,但总体上并不算严重。截止10月1日,老挝境外输入病例27例、本土病例437例;累计确诊病例24310例,死亡19例。这在相当程度上得益于诗人提到的中国医生,提到的药、口罩和疫苗。这首诗从现实的画面切入记忆的画面,从疫情时不时的提醒强行返回三年多前此地一派祥和的情景。这种对比是抖动的,剧烈的,也是丰富的,能看出这样一个崇尚佛教的国家对待生死的态度,以及对待人的态度。“火焰”一词既灼心,又照亮了整首诗。灾难下的火焰,一个重要使命就是超度亡灵火化遗体,因而是死亡之火、祈祷之火;记忆里的火焰,则是六个红袍少僧、一只黑狗、一个少女围簇一起舞蹈的薪火,因而是希望之火、生命之火。给诗人造成强烈视觉冲击,难以释怀的可能还有一点,那就是两种不同意义的火焰竟在同一座城市点燃!资料显示,2018年2月初,新诗典诗人专门组织过西双版纳-老挝行,其中新世纪诗典第50场,正值新诗典2500首诗之夜,就是在琅勃拉邦举行的。诗中写到的琅勃拉邦,算是老挝比较繁华的城市了。短短几年,今非昔比,物是人非,几多悲欢,令人感叹。所幸这一切,有新诗典诗人见证,这位名字里每个字都蓄满水的诗人把两个画面定格,把诗人和医生定格,显得意味深长。事实上,对于任何一个苦难中的国度,诗人和医生,天然承担着“疗愈”之职,二者皆深怀仁爱之心,二者皆有大造于世,我想,老挝的天空一定会铭记他(她)们吧。
Calligraphy by Huang Kaibing
马金山|读江湖海的诗《画面》的十一条:
1、简洁语言本身的韧性,或者说弹跳力,给诗意注入了新鲜活力的同时,更增添了它的无穷活力与独特魅力;
2、文本是诗人生命的骨头,生活的血肉,呼吸与声音,还是迷人的身材与心跳;
3、江湖海,60后,湖南人。中国作家协会会员。1979年起发表诗歌、小说、散文、评论1000多首(篇)。出版个人专著20余部。作品入选100余种选本,被译为英、德、俄、法、日、韩等多种文字。获NPC李白诗歌奖金奖、亚洲诗人奖、深圳第一朗读者最佳诗人、广东有为文学奖诗歌奖、井秋峰诗歌奖年度大奖等多个奖项。现居广东;
4、江湖海其人,充满了血性的色彩,这是2015年长安诗歌节第163场(深圳专场)的诗会上,我读了一首《两个小孔》,而受到非口语诗人极度的排斥与讥讽,却受到其仗义执言好诗时我感受到的,与此同时,通过对其日常的关注,能够感受到其对待工作就像对待诗歌一样,充满了期待与热情;
5、江湖海的诗,首先凸显出来的是高产,其次就是对个体生活与经历的呈现,既直击现场,又触动人心,并给人带来巨大惊喜的同时,还给人以强烈的力量感;
6、回到本诗,先由看到网络上的国外事物,再回到记忆里曾经所经历过的种种情景,融合于一体,构成了一幅幅色彩斑斓的世界,一切都在同一个时代,却有着不同的变换莫测的人生故事;
7、诗中从几个角度描述,以细腻的笔触呈现出独特的异域风情,并由此带来了不同的文化元素,还能够深刻感受到字里行间流露出来的善念,这不仅仅是诗的魅力,更应该是文化的胜利;
8、此诗的诗维虽然复杂,却层次分明,犹如一幅画面上的不同色块,既相互兼容,而又相对独立,这也正是本诗在诗维逻辑上,最值得珍视的部分;
9、就诗的内容而言,生动鲜活的画面,何尝不是一首诗呢,更何况带着现实的残酷与大爱和温暖;
10、本诗给予诗人的启示:“我们所经历的这个时代的一切,正在一步步成为史诗”;
11、当代之诗,情景之诗,融合之诗。
Calligraphy by Huang Kaibing
伊沙主持 | 新世纪诗典11一周联展(2021.9.26——10.2)
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